Zyklus/Reihe: Inferno 1 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Der in Berlin lebende Autor Marcel Feige ist innerhalb der Phantastik-Szene vor allem durch seine sekundärliterarischen Werke wie „Das große Lexikon über Stephen King“ (2001), „Science Fiction“ (2001) oder „Fantasy-Lexikon“ (2003) bekannt.
An Primärtexten sind der Roman „Wächter der Gerechten“ (Zaubermond-Verlag; 2000) und einige Kurzgeschichten (eine davon in den Erzählungenband „Wirrnis“; medusenblut; 1999) erschienen. Für das kommende Jahr ist unter dem Pseudonym Christoph Brandhurst der Belletristik-Roman „Das geheime Zimmer“ angekündigt.
Mit Frank Festa, in dessen Verlag die Trilogie herausgegeben wird, arbeitete er bereits bei der Anthologie „Schatten über Deutschland“ (BLITZ-Verlag, Paperback, 1999) zusammen und so verwundert es nicht, wenn die Inferno-Trilogie ausgerechnet im Festa-Verlag erscheint. Zumal kleinere Verlage wesentlich experimentierfreudiger sind als die großen Taschenbuchverlage, die zumeist nur noch eingeführte, amerikanische Autoren im Programm führen. Das Frank Festa von den schriftstellerischen Qualitäten eines Autors überzeugt sein muss, darauf hat er bereits in etlichen Interviews hingewiesen. Sollte dies der Fall sein, dann erhalten auch hiesige Autoren eine Chance (s. Andreas Gruber und Nicole Rensmann), wobei die Inferno-Trilogie die bislang ungewöhnlichste Veröffentlichung darstellt.
Nach der Lektüre des ersten Bandes kann man Frank Festa für seinen verlegerischen Mut nur gratulieren, denn der Roman bietet wirklich gute Unterhaltung.
Die Handlung bewegt sich in mehreren Handlungssträngen, die in diesem Roman noch nicht zusammenlaufen. Marcel Feige legt lediglich die Grundlagen für die kommenden Geschehnisse und macht seine Leser mit den Hauptfiguren vertraut.
Da ist zum einen Philip, ein junger Fotograf, der sein Hobby zum Beruf machen konnte. Beim Berliner Kurier absolviert er gerade ein Volontariat, welches das Tor zu einem beruflichen Einstieg sein könnte, wenn er sich nur ein wenig mehr zusammenreißen und seine Drogenexzesse am Wochenende sein lassen könnte. So beginnt die Woche und auch der Roman mit einem Schädel sondergleichen und der Tag setzt sich genauso beschissen fort. Nach einem Einlauf seines Chefs, sieht er sich einige Stunden später schon auf den Gipfel des Erfolgs, denn völlig überraschend wird er Zeuge eines Mordes und kann diese Szenen photografisch festhalten. Erfolgstrunken begibt er sich in die Redaktion, stürmt in das Büro seines Chefs, in dem gerade auch der Verlagseigner zugegen ist, posaunt seinen Triumph hinaus und muss kurz darauf feststellen, dass zwar der Tatort in bestechender Qualität auf den Photos zu sehen ist, aber nicht der Mord. Dies bleibt für Philip aber nicht die einzige Merkwürdigkeit. Von Visionen gebeutelt und von der Polizei als Mordverdächtiger gesucht, strapaziert er nicht nur die Geduld seiner Freundin Chris. Am Ende scheint er sich sogar tatsächlich in das Berlin Anfang der 20ger Jahre zu begeben.
Ähnlich verzweifelt ist Paul im fernen London, denn wie aus heiterem Himmel bricht eines morgens seine Verlobte Beatrice auf der Straße zusammen und stirbt kurz darauf. Die Ärzte sind völlig ratlos, umso mehr als kurz darauf die Leiche der jungen Frau aus dem Krankenhaus verschwindet. Kurz darauf taucht Beatrice wieder auf, kann sich allerdings an gar nichts mehr erinnern, nicht einmal mehr an Paul und stürzt diesen gleich in die nächste Verzweiflung. Lediglich an den kleinen Ort Lindisfarne, in dem sie aufgewachsen ist, kann sie sich noch erinnern und so macht sie sich auf in eine Reise in die Vergangenheit, um so ihr Gedächtnis wiederzuerlangen.
Zwischendurch blendet die Handlung immer wieder zum Vatikan über, in dem eine Geheimloge, aufgeschreckt durch das Erwachen eines jahrelang Schlafenden, beginnt ihre Fühler auszustrecken. Ihr Werkzeug ist Cato, jemand, der die Zehn Gebote sehr weit auslegt und quasi die Sperrspitze der Loge darstellt.
Vom Romanaufbau her wurde „Ruf der Toten“ bereits mit den Werken von Dan Brown verglichen, denn ganz bewusst setzt Marcel Feige auf einen ständigen Wechsel der Handlungsorte und einem Höhepunkt am Ende des jeweiligen Kapitels. Die Rasanz eines Dan Browns erreicht er zwar nicht, was in Anbetracht der teilweise recht oberflächlichen Ausarbeitung der Handlung und Charaktere vor allem im letzten Roman des amerikanischen Spitzenautors eindeutig positiv zu werten ist. Marcel Feige läst sich einfach mehr Zeit bei der Entfaltung der Romanhandlung. Seine Figuren werden umfassend und stimmig in Szene gesetzt und vor allem in der Handlungsschiene Philip merkt der Leser deutlich, dass Marcel Feige nicht nur Berlin als Handlungsort sehr gut kennt, sondern auch mit dem Lebenswandel des jungen Photographen bereits Bekanntschaft gemacht hat.
Feiges Stil ist flüssig und der Roman weist keine erzählerischen Brüche auf. Die Handlung ist so spannend verfasst, dass es einem schwer fällt den Roman aus den Händen zu legen. Weiterhin positiv zu vermerken ist, dass sich Feige nicht auf eine männliche und eine weibliche Hauptfigur aus Seiten der Guten und einem finsteren Gegenspieler beschränkt, sondern eine andere Konstellation wählt. Hier weicht er wohltuend von bekannten und wohl auch verkaufsträchtigen Handlungselementen ab.
„Ruf der Toten“ ist ein wirklich unterhaltsamer Phantastikroman, der das Warten auf den nächsten Teil zur Tortur werden läst.