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Reihe: Kryson, 4. Band Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Fünfundzwanzig Jahre nach der Schlacht am Rayhin ist der Kontinent Ell wieder zu alter Größe ergeblüht. Fast vergessen sind daher Krieg, die anschließende Seuche und die Not der damaligen Zeit. Das Volk der Nno-bei-Klan entwickelt sich weiter und sein Weg führt in ein neues Zeitalter zunehmender Technisierung. Seine Stadt Tut-El-Baya erstrahlt in neuem Glanz. Unter der Regentschaft von Jafdabh, dem ehemaligen Todeshändler, erlebt das Volk eine friedliche Zeit. Zumindest oberflächlich, denn wenn es jemandem zu gut geht, sucht er immer wieder Streit und Händel. Jafdabh mit seinen tödlichen Erfindungen unterstützt diese Konflikte mit immer neuen Waffen, mit denen sich die einzelnen Fürsten aus- und hochrüsten. Jafdabh sieht in seiner Waffenfreude und der neuen Errungenschaft eines Luftschiffes große Chancen, dem Vorstoß der Rachuren einen Riegel vorzulegen. In seiner Vorstellung nimmt der Sieg bereits genaue Formen an.
Im Land der Rachuren brodelt jedoch der Zorn der Saijkalsan-Hexe Rajuru. In Zusammenarbeit mit dem Todsänger Nalkaar gelang es ihr, in ihren tief gelegenen Brutstätten ein in ihren Augen unbezwingbares Drachenchimärenheer zu züchten. Gleichzeitig erweckte sie den gefürchteten Schlächter Grimmgour wieder zum Leben. Die eigene Schmach nicht vergesen könnend, ziehen rächende Rachuren erneut in den Krieg gegen die Nno-bei-Klan, sie endgültig von der Landkarte des Kontinents Ell zu tilgen.
In der Zeit der neuen Bedrohung vernahmen einige Auserwählte den Ruf einer uralten Lesvaraq-Prophezeiung. Sieben Streiter sollen sie sein, alten Blutes, edel und rein, als Gemeinschaft geeint, so die Prophezeiung. Nur sie sollen in der Lage sein, das verschollene magische Buch des Ulljan zu finden.
Unter den Auserwählten findet sich Tomal, Schüler des freien Magiers Sapius. Der Hitzkopf bricht auf, um eigenständig die Suche nach dem Buch aufzunehmen. Sein Ziel sind die Länder des verschwundenen Volkes der Maya.
Sapius selbst erhält von seinem Schüler eine Aufgabe gestellt. Der Magier weist das Ansinnen seines Schülers zurück. Er denkt gar nicht daran, dessen Aufgabe und deren Erfüllung auch nur in Betracht zu ziehen.
Als Dritte im Bund erweist sich die Orna Elisha. Ihr Weg führt sie zurück in das Ordenshaus. Ein Hilferuf ihrer Schwestern sorgt dafür, dass sie ihr selbst gewähltes Exil im wilden Sumpfland aufgibt. Sie findet ihr Ordenshaus in einem erschreckenden Zustand vor, weil die von ihr hoch gehaltenen Werte während ihrer Zeit im Sumpf gelitten haben. Der Verfall ist erschreckend. Aber Elisha erwartet mehr als dies. Weil sie durch den Bund mit dem Bewahrer Madhrab fehlte und den Ordensregeln zuwiderhandelte, erwartet sie eine Strafe.
Madhrab hingegen kehrt in die Hauptstadt Tut-El-Bay der Klanlande zurück. Sein Herrscher will mit seiner Hilfe ein Bündnis gegen den Rachefeldzug der Rachuren aushandeln. Die Rolle, die der legendäre Kämpfer Madhrab spielen soll, wird von seinem Herrscher jedoch ganz anders ausgelegt.
Ein weiterer Auserwählter ist Prinz Vargnar. Er und sein Freund Goncha gelangen auf ihrer Reise in die Totenstadt der Tartyk, in welcher Nalkars Gesang wütete, und treffen auf ein Heer ruhender Seelenloser.
Renlasol, einst Knappe von Madhrab und Reisebegleiter von Sapius, ist zum Fürsten aufgestiegen. Die Zusammenkunft mit seinem einstigen Feldherren führt bei dem gealterten und vom Schicksal gezeichneten Renlasol zu keinem Freudenausbruch. Im Gegenteil, befürchtet er doch seine Stellung als Fürst zu verlieren. Nach all den Jahren seines Strebens will er nicht zurück ins zweite Glied treten.
Mit Das verlorene Volk legt der Wolfgang-Hohlbein-Preisträger Bernd Rümmelein den vierten Band seiner Kryson-Saga vor. Der Roman erzählt das Leben der über den Kontinent Ell verteilten Personen. Mit der erneuten Kriegslust der Rachuren wird der vierte Band der Reihe zu einem Auftaktband einer zweiten Staffel.
Insbesondere die Suche der Sieben Hauptpersonen nach dem Buch des Ulljan sorgt für einen gelungenen Auftakt. Der Beginn einer neuen Epoche führt zu einer endgültigen Zuspitzung des Konflikts zwischen Gut und Böse. Unter anderem bringt Bernd Rümmelein seine Figuren dazu, beim Leser nicht mehr die Sympathieträger zu sein. Die Figuren ändern sich in ihrer Charakterisierung - wie im richtigen Leben. Überraschend hingegen ist in dieser Fantasy, ähnlich wie bei Thomas Plischkes Die zerrissenen Reiche, die Einführung von Schusswaffen. Sogar das Reich der Toten wird zu einem Handlungsort gemacht. Der Autor wirft einen Blick auf die Geschichte eines neuen Volkes, das bislang als verloren galt, und die spannende Vergangenheit, die das Handeln der Götter in einem anderen Licht erscheinen lässt.