Serie: ~ Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Im Jahr 2078 ist das weltweite Wirtschaftsnetz weitestgehend zusammengebrochen, nach dem Kriege, Umwelt- und Wirtschaftskrisen die Welt an den Abgrund geführt hatten. Die großen Städte schotteten sich ab und hinterließen eine Zone der Anarchie. In der Stadt Hamburg geht Aron unbeschwert seinem Leben nach und feiert an den Wochenenden schier endlose Partys unter Einfluss von vielen legalen Drogen. Die Machthaber der Stadt unternehmen alles, um die Bewohner der Stadt beschäftigt zu halten. Und dies gelingt ihnen verzüglich, denn die degenerierten Massen interessieren sich nicht im geringsten für Politik und um das, was außerhalb der Stadt vorgeht. Als jedoch Arons Vater einer Intrige auf die Spur kommt und von den Machthabern aus dem Weg geräumt wird, gerät der unwissende Aron als möglicher Mitverschwörer in das Visier der Mörder. Als Aron mit Freunden einen sogenannten Jagdausflug machen, bei denen sie außerhalb der Stadt alte Leute jagen, die sich weigerten, freiwillig aus dem Leben zu scheiden anstatt der Gesellschaft zur Last zu fallen, macht dies automatisch seine Häscher nervös. Plötzlich steht Arons gesamte Existenz auf dem Spiel und damit auch sein Leben. Sie geraten in den Hände von Renegaten und nur ihr Anführer Jules hält seine Leute davon ab, die grausame Jagdgesellschaft an den nächsten Baum zu knüpfen. Doch Jules hat besondere Pläne mit Aron.
Vor einem sehr interessanten Szenario erzählt Chrisian Günther mit einem sehr dichten Stil eine spannende Geschichte. Zu Beginn hat der Leser noch seine Probleme mit Aron, der zentralen Figur des Romans, der eine sehr negativ dargestellt ist und es einem nicht leicht macht, sich mit ihm zu identifizieren. Da ist z. B. die Szene mit dem Tod seines Vaters: Man sagt ihm, er sei ins Feuer gegangen - eine Form des Selbstmords bei alten Leuten, die so der Gesellschaft nicht zur Last fallen. Aron nimmt dies mit Genugtuung auf. Bei diesen Aspekt seiner Geschichte hat sich der Autor an William F. Nolans Werk "Logan’s Run" orientiert, in dem die Menschen unter eine Kuppelstadt lebten und bei Erreichen des 31. Lebensjahrs alle den Freitod suchten. In Christian Günthers Roman gab es allerdings keine Polizei, die Menschen jagten, die sich dem kollektiven Selbstmord verweigerten, sonder im Hamburg des Jahres 2078 werden die Menschen einfach aus der Gesellschaft ausgegrenzt und faktisch gezwungen, irgendwann die Stadt zu verlassen.
Sobald Aron die Stadt verlässt nimmt der Roman eine ganz neue Richtung. Nun steht die Welt außerhalb der abgeschotteten Stadt im Mittelpunkt und nach und nach wird man mit den Schrecken dieses rechtsfreien Raumes konfrontiert. Nur langsam weitet sich Arons Horizont und es dauert eine Weile, bis Aron - unter Drogenentzug leidend - erkennt, dass die Menschen außerhalb der Stadt keineswegs nur Alte, Spinner und Kranke sind, sondern dass es auch Leute gibt, die bewusst den dekadenten Städten den Rücken zugekehrt hatten. Aron fühlt sich zu diesen Menschen hingezogen, obwohl er dies rationell nicht erklären kann.
Christian Günter schreibt in einem sehr flüssigen und guten Stil. Der Roman ist spannend und seine Erzählungen halten den Leser bei der Stange. Erst in der zweiten Hälfte findet man kleine Schwächen, als sich der Autor ein wenig verzettelt und zu viel auf einmal erzählen möchte. Zu viele Aspekte seines Weltentwurfs will er beleuchten, aber gelegentlich bleibt er zu oberflächlich und wirkt klischeehaft. Aber das sind nur wenige Stellen und insgesamt bekommt der Leser eine gelungene Geschichte vor einem interessanten Szenario geboten. Der Autor bietet einen guten Endzeitthriller, der durchaus neue Ideen enthält und zu überzeugen vermag.
8 von 10 Punkten
Noch eine Anmerkung: Der wirklich gelungene Buchumschlag stammt vom Autor selbst. Christian Günther ist in Hamburg als Grafiker tätig und der Leser bekommt als Bonus noch zwei Postkarten mit Motiven eines Tank Soldaten und der Damokles Raumstation. Volle Punktzahl also für die gelungene Aufmachung.