Serie/Zyklus: Autor: Stanislaw Lem Verlag und Studio für Hörbuchproduktionen aus Beltershausen Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz. |
Robotermärchen - das mutet wie ein Widerspruch an. Wie kann etwas so verspieltes, so phantasieerweckendes wie ein Märchen mit dem sehr nüchternen Genre der SF verbunden werden? Und was kommt dabei heraus? Nun, genau das was man erwartet: Robotermärchen. Lem nimmt seine Roboterkultur, die er schon in einigen Werken zuvor entwickelt hat und erzählt Geschichten dazu. Allerdings keine gewöhnlichen Geschichten, sondern Märchen, Sagen, Weisen, Schöpfungsgeschichten und Legenden. Man möchte fast vermuten, er wollte alle Spielarten der Märchen und Sagen abharken. Nur Fabeln konnte er aus verständlichen Gründen nicht abhandeln.
Da wäre gleich zu Beginn das Märchen von den drei Elektritter. Ein klassisches Märchen, mit mehr als einem Augenzwinkern erzählt.
"Die Uranohren" hingegen erzählen ganz anders die Geschichte eines Weltenschöpfers, der sein Werk für ein paar Äonen sich selbst überläßt (um seinen pfuschenden Lehrling zu suchen). Währenddessen schwingt sein ein grausamer Despot auf und unterdrückt alle Roboter auf der Welt.
Die Geschichte "Erg Selbsterreg überwindet den Bleichling" hingegen ist den klassischen Märchen am nächsten: Ein König läßt einen Menschen (Bleichling) fangen und sperrt diesen in den Käfig. Der Bleichling (für die Roboter Sinnbild des Bösen, da er aus Wasser besteht und Wasser bedeutet Rost) ist jedoch verärgert und heckt einen Plan aus. Er stiehlt den Schlüssel zum Verstand der Prinzessin und flieht damit. Deren Verstand kann nun nicht mehr aufgezogen werden und so muss sie schlafen bis jemand den Schlüssel zurück bringt. Der König schickt sämtliche Elektritter los, die allerdings alle im All verschollen bis auf Erg Selbsterreg, der zu einer List greift. Dies ist meine Lieblingsgeschichte, weil sie unglaubliche viele Anspielungen und Seitenhiebe enthält. Aber auch alle anderen Märchen sind sehr gelungen und regen zum Schmunzeln und Nachdenken an. Es gibt arabische Märchenversionen (Die Schätze des Königs Biskalar), Varianten zu Grimms Märchen (Das Märchen vom König Murdas), Legenden (Zwei Ungeheuer), Märchen im osteuropäischen Stil (Die Räte des Königs Hydrops) und Schöpfungsgeschichten (Wie Winzlieb und Gigelanz die Nebelflucht auslösten).
Die Robotermärchen gehören zu dem besten, was Lem verfasst hat. Sprachlich vom feinsten und stets darauf bedacht dem Genre der Märchen gerecht zu werden. Dennoch verleugnet er in keinster Weise seinen ihm typischen Stil. Er entfacht ein wahres Feuerwerk an Seitenhieben, komischen Vergleichen und surealen Situationen, die die Lektüre zu einem unvergleichlichen Genuss machen. Vor allem die Beschreibungen der Roboterkulturen und ihrer scheinbaren Ähnlichkeit zu unseren Lebenräumen ist die Stärke des Werks. Lem hält uns den Spiegel vor - mal kritisieren, mal scherzend.
Das Nonplusultra ist nun, das Ganze in der Hörbuchversion zu studieren. Vorgetragen von Sprecher Michael Schwarzmaier mit einer tiefen, sonoren Stimme kommt so richtig das Märchenfeeling auf. Jeder hat ja in seiner Kindheit Märchenkassetten rauf und runtergehört und daran hat sich der Sprecher orientiert.
Dies ist eines der wenigen Hörbücher, die ich jederzeit dem Buch vorziehen würde, aber das ist logisch, den Märchen werden nicht gelesen - sie werden erzählt.
Leider hat der Verlag und Studio für Hörbuchproduktionen aus Beltershausen Die längste Erzählung "Der Freund des Automatthias" gestrichen. Der Hinweis "ungekürzter Text" auf dem CD-Cover ist demzufolge schlichtweg falsch. Dennoch: 10 von 10 Punkten.
Robotermärchen - Rezensionsübersicht