Serie / Zyklus: Rama, Band 1 Besprechung / Rezension von Sascha Hallaschka |
Arthur C. Clarke zählt ohne Zweifel zu den ganz großen Namen der SF. Dementsprechend landete er bei einer Umfrage des US-Fanzines Locus aus dem Jahr 1987 auf Platz drei der besten Autoren aller Zeiten - hinter Heinlein und Herbert, aber vor Asimov. Bei derselben Umfrage landete sein mit Abstand populärster Roman 2001 - Odyssee im Weltraum auf Platz 38. Sogar auf Rang drei placierte sich Die letzte Generation.
Zwischen diesen beiden Romanen - also vor 2001 - findet sich ein drittes Werk, nämlich Rendezvous mit 31 / 439, und zwar auf Platz 25. (Der Vollständigkeit halber: Ein vierter Roman Clarkes, Die sieben Sonnen, rangiert auf Position 32.) Diesem Werk will ich mich hier etwas genauer zuwenden.
Im Jahr 2131 dringt ein Objekt von 16 Kilometern Breite und 50 km Länge, das zweifelsfrei künstlicher Natur sein muß, ins Sonnensystem ein. Aufgrund seines Entdeckungsjahres und der numerischen Reihenfolge neu entdeckter Objekte erhält es die Kennziffer 31 / 439. Dem Faible für Eigennamen von Gottheiten folgend, benennt man ihn überdies RAMA, nach der siebten Verkörperung des Hindugottes Wischnu.
Da RAMA nicht von Menschenhand geschaffen wurde, tut sich hiermit zum ersten Mal überhaupt die Möglichkeit auf, ein Objekt, das aus einer außerirdischen Zivilisation stammt, zu untersuchen. Es ist der endgültige Beweis für das, was die Menschen schon immer geahnt haben: Wir sind nicht allein ...
Da jedoch ihr Kurs die RAMA in Richtung Sonne führt und sie in absehbarer Zeit von deren Schwerkraftfeld eingefangen und dann in eine noch nicht bekannte Richtung geschleudert werden wird, ist die zur Verfügung stehende Zeit begrenzt. Das einzige Schiff, das in einer zur Erkundung günstigen Position steht, ist die ENDEAVOUR unter dem Kommando von Kapitän William Norton.
Unter einem enormen Zeitdruck stehend, macht dieser sich mit seiner Besatzung auf, um das vollends mysteriöse Objekt zu untersuchen. Als die Leute der ENDEAVOUR in die RAMA eindringen, werden sie mit Welt konfrontiert, die logischerweise noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Und niemand ist in der Lage, ihnen zu sagen, welche unter Umständen tödlichen Gefahren in der RAMA lauern könnten. Norton und seine Leute sind bei dem größten Projekt, das jemals von Menschen durchgeführt wurde, völlig auf sich alleine gestellt ...
Ich hoffe, daß diese kurze Inhaltsangabe nicht nur wie ein billiger alternativer Klappentext wirkt. Aber ich möchte zum einen einfach nicht auch nur ansatzweise verraten, was die Leute von der ENDEAVOUR in der RAMA finden.
Zum anderen ist die absolute Ungewißheit, die bei Norton und seiner Besatzung vorherrscht und die sich im Idealfall auch auf den Leser überträgt, das A und O dieses Romans. Das vollständige Nichtwissen um das, was ihnen zustoßen könnte, über die Herkunft der RAMA oder eventuell gar ihre Erbauer ist das wesentliche und - ich kann es vorwegnehmen - auch das beste an diesem Roman: Er lebt über seine gesamte Distanz hin von dieser atemberaubenden Spannung.
Alle anderen Aspekte, die in Rendezvous mit 31 / 439 auftauchen, sind Beiwerk; so z. B. die immer wieder zwischengeschalteten Kapitel, in denen beschrieben wird, was das "RAMA-Komitee" macht, eine Vereinigung von Politikern und Wissenschaftlern, die über die jeweils folgenden Schritte der Mission beratschlagen. Diese Kapitel wirken in ihren schlechtesten Momenten retardierend, also handlungshemmend, richten aber keinen weiteren Schaden an.
Was jedoch in diesem Roman einen gewissen Schaden anrichtet, sind einerseits Clarkes komplette Unfähig- oder Unwilligkeit, Menschen zu charakterisieren, und andererseits Roland Fleissners stellenweise haarsträubende Übersetzung.
Wenden wir uns zunächst ersterem zu: Alle Menschen, die in dem Roman auftauchen, sind nur Schablonen. Keiner von ihnen hat so etwas wie Charaktereigenschaften oder gar Tiefe. Es sind Figuren, die vollends austauschbar sind und nur durch ihren Namen definiert werden. Das ist jedoch nicht so dramatisch und negativ, wie es klingt.
In Anbetracht des völlig Neuen und Unbekannten, mit dem Norton und seine Leute konfrontiert werden, würden alle Menschen tendenziell gleich reagieren: staunend, ängstlich und neugierig. Es ist somit nicht von entscheidender Bedeutung, die Charaktereigenschaften der Besatzungsmitglieder psychologisch minuziös herauszuarbeiten.
Schlimmer hingegen ist die Übersetzung: Das fängt schon mit dem Titel an. Weshalb um alles in der Welt macht man aus dem griffigen Rendezvous mit RAMA ein solch numerisches Ungetüm, das sich kaum aussprechen läßt? Dennoch muß man Roland Fleissner zumindest in puncto Titel in Schutz nehmen: Diesen dürften sich irgendwelche Verlagsmenschen ausgedacht haben, so daß den Übersetzer daran keine Schuld trifft.
Dennoch leistet sich Fleissner einige Hämmer: Begriffe wie "Exploration" und "Environment" läßt er schlicht und ergreifend stehen, anstatt die völlig herkömmlichen Worte "Erkundung" und "Umgebung" dafür einzusetzen. Und anstatt "Sekundenkilometer" als Geschwindigkeitsangabe heißt es bei Fleissner "Kilometersekunden". Diese Wortschöpfung ist ebenso kurios wie schlecht.
Von sämtlichen holprig wirkenden Formulierungen will ich lieber mal gar nicht reden: Das Buch wimmelt so sehr davon, daß es mir stellenweise fast den Spaß verdorben hat.
Und Spaß macht das Buch ohne jeden Zweifel, denn der mysteriöse, unheimliche Aspekt der Handlung stellt die Quelle für eine niemals nachlassende Spannung dar. Das alleine läßt mich schon zu dem Fazit kommen, daß es sich bei Rendezvous mit 31 / 439 um ein empfehlenswertes Buch mit kleinen, aber nicht entscheidenden Schwächen handelt.
Und wer gar nicht genug von Clarkes Schreibkünsten bekommt, der kann sich auch noch mit den drei Fortsetzungen dieses Werkes beschäftigen. Denn nach mindestens einer Fortsetzung schreit das Ende des Romans geradezu ...
Fazit: 8 Punkte (von 10 möglichen)
(17.3.1997)
Rendezvous mit 31 / 439 - Rezension von Rupert Schwarz
Eine Übersicht des Zyklus gibt es auf der Autorenseite.
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