Serie: Preacher, Band 8 |
Tulips Leben ist dabei, vollkommen den Bach runterzugehen. Im Glauben, Jesse sei tot, gibt sie sich in den Momenten, in denen sie nicht drogenumnebelt in ihrem schäbigen Appartement die Tage an sich vorüberziehen lässt, ihrem Mitbewohner und Jesses ehemaligem Freund, dem Vampir Cassidy, hin. Eines Tages zieht sie in einem lichten Moment die Reißleine und schickt Cass mittels ihrer Waffen zum Teufel, um danach bei ihrer alten Freundin Amy Trost und Unterschlupf zu suchen. Hier erfährt sie, dass Custer mitnichten das Zeitliche gesegnet hat, sondern seinerseits auf dem Weg zu Amy ist, um Tulip zu suchen.
Das Wiedersehen der beiden Liebenden gerät zu einem freudigen Ereignis, bis plötzlich Cassidy vor der Tür steht und die Aussprache mit Jesse fordert. Das Problem ist: mittlerweile hat der Prediger von einer alten Obdachlosen soviel Verachtenswertes aus der Vergangenheit des Vampirs erfahren, dass Cass sich glücklich schätzen kann, wenn er das Treffen überlebt.
Während die drei ehemaligen Freunde Ordnung in ihre Beziehungen bringen, muss sich Herr Starr
mit seinem ehemaligen Mentor Eisenstein und dessen sadistischen Assistenten rumplagen. Dem Mann, der den Deutschen einst in den Gral einführte, passt es nicht, dass Starr nicht nur die vermeintliche, inzuchtgeprägte Blutlinie Christus' auslöschte, sondern auch Custer nicht länger als Werkzeug des Grals betrachtet, sondern ihn nur noch auslöschen will. Allein, Eisenstein fehlen die Beweise. Damit gilt für den Allvater, Eisenstein möglichst auszuschalten, bevor der Näheres in Erfahrung bringen kann. Bedauerlicherweise jedoch misslingen ein ums andere Mal die Attentate, die Starr in Auftrag gibt, und schlussendlich findet sich der ehemalige GSG9-Kämpfer in einer liegenden Position wieder, in der der bösartigste aller Rottweiler seine Eier zwischen den Zähnen hat.
Neben den Ausgaben #51 - 58 des regulären Serien-Runs wartet der achte Preacher-Sammelband zusätzlich mit einem One-Shot auf. "Aufrecht im Sattel" (Tall in the Saddle) zeigt ein junger Custer einem fetten, französischen Froschfresser, dass man in Amerika weder Cowboys tötet, noch Pferde stiehlt, um diese dann auch noch zu schlachten.
Thematisch setzt Ennis in diesem vorletzten Tradepaberback zwei Schwerpunkte. Zum einen führt er die körperliche und geistige "Destruktion" Herrn Starrs – nach Gott der zweitgrößte Gegenspieler Custers - mit viel Sinn für bizarre und brutale Details fort, wobei er diesem Handlungsbogen durch das sehnsüchtige, unerfüllte Schmachten von Starrs Assistenten – Featherstone und Hoover – ein tragisch-komische Note verleiht. Zum zweiten beleuchtet er in ausgedehnten Rückblenden die Vergangenheit Tulips und Cassidys, da hier zentrale Erklärungen für ihre Unfähigkeit bzw. Schwierigkeiten, normale freundschaftliche oder auch amouröse Beziehungen eingehen zu können, liegen. Im Gegensatz zu Tulip, die zu Beginn der Zeitreise ein gleichsam unbeschriebenes Blatt – ein Baby - ist, steigt Ennis bei Cassidy allerdings zu einem Zeitpunkt in die Vita ein, als sich dessen ausgeprägten Charakterschwächen, seine Egozentrik, sein Egoismus und seine Rücksichtslosigkeit, schon manifestiert haben. In gewohnter unverblümter Manier prangert der Ire Ennis dabei soziale Verwerfungen in Folge des us-amerikanischen Traums, Machowahn, Jagdfreuen und Hinterwäldlerdenken, Bigotterie, Gewalt und kulturellen Dilettantismus an, wobei er sich auch für Zoten unter Gürtelniveau oder einen munteren Mix aus alledem nicht zu schade ist.
Fazit: Polemisch, bissig, böse, niveaulos, grandios … im vorletzten Band der Reihe läuft Ennis - tatkräftig und bildgewalt(ät)ig unterstützt von Dillon - nochmals zu Hochform auf.