Serie: Preacher, Band 5 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Der fünfte Band der auf neun Bände angelegten Preacher-Edition des Panini Verlags enthält neben dem Oneshot „Preacher Special: Cassidy - Blood Whiskey“ die Ausgaben # 27 bis # 33 der regulären Serie.
Bevor er Custer und seine beiden Freunde ihre Suche nach Gottes kosmischen Eiern fortsetzen lässt, damit die drei den alten, feigen Mistkerl bei Selbigen packen können, plaudert Ennis ein wenig aus Cassidys Vergangenheit.
Vor nicht allzu langer Zeit: Der lebenslustige, trinkfeste, promiskue Blutsauger irischer Abstammung treibt sich in New Orleans rum. Sein Geruchssinn führt ihn zu Eccarius, einem Vampir, der geistig noch nicht in der Moderne angekommen scheint und der sich von einer Bande Gothic-Kids, die sich selbst den originellen, hippen Namen „Les Enfants du Sang“ gegeben haben, als Meister feiern lässt. Cass beschließt, dem versnobten Wichser zu zeigen, wo der Frosch die Locken hat, und führt Eccarius in die mondäne Welt der Strip-Schuppen und abgefuckten Bars ein. Als sich jedoch unerwartet herausstellt, dass die Hinterwäldler-Attitüde des weißhaarigen Möchtegern-Meisters nicht mehr als Fassade ist, bereitet ihm Cassidy eine heiße Überraschung.
Zurück im Hier und Jetzt: In Tulips und Jesses Beziehung kriselt es heftig. Der blonden Frau mit den schnellen Colts geht es gewaltig gegen den Strich, dass ihr der Reverend nicht hinreichend vertraut, um sie in seine Pläne einzuweihen, bzw. sie für zu schwach hält, ihrer beider Probleme zu handeln. Als ihr dann auch noch Cassidy in einem schwachen Augenblick seine Liebe gesteht, gerät die Dreierbeziehung insgesamt ins Wanken.
Als wäre die Lage nicht kompliziert genug, bahnen sich weitere Unannehmlichkeiten an: Herr Starr ist zurück! Und er hat mit Jesse Custer noch eine sehr persönliche Rechnung offen, denn nach einer Messerattacke des Predigers sieht der kahle Kopf Starrs aus wie ein Riesenpenis. Dann wäre da noch Arschgesicht, der sich einerseits zum Rächer von Witwen und Waisen berufen fühlt und andererseits Custer für den Tod seines Vaters büßen lassen will.
Da die Suche nach Gott etwas auf der Stelle zu treten scheint, reift in Jesse der Plan, der in seinem Inneren hausenden Entität namens Genesis das Wissen zu entreißen, auf das er keinen Zugriff hat. Glücklicherweise kennt Cassidy einen Voodoopriester, Xavier, der in der Lage sein sollte, ein Ritual durchzuführen, das Licht in das Dunkel von Custers Unwissenheit bringt. Tatsächlich scheint die Zeremonie von Erfolg gekrönt, als plötzlich die bis zu den Zähnen bewaffneten „Les Enfants du Sang“ dazwischenfunken, weil sie mit dem Vampir noch eine Rechnung offen haben.
Verglichen mit den bisherigen Bänden der Preacher-Reihe kommt „Stadt der Verdammten“ deutlich ruhiger und nicht ganz ohne Längen daher. Die praktizierte Beziehungspflege, das Gelaber über persönliche und zwischenmenschliche Problemchen ist nicht jedermanns Sache, hat allerdings seine Berechtigung in einer umfassenden Abrechnung mit einer hedonistischen, gewalttätigen Gesellschaft, in der Ich-Bezogenheit ein tragendes Element ist. Der nervtötendste Charakter in diesem Teil der Story ist eindeutig Tulip, die angesichts Cassidys zarter Avancen irrational und geradezu hysterisch überreagiert ... naja ... eben wie eine Frau.
Doch auch wenn den kleinen und großen Dramen des Gefühlslebens viel Raum eingeräumt wird, so ist dennoch Platz für zahlreiche Seitenhiebe und -tritte, angefangen bei der grandiosen Demontage der Gothic-Szene mit ihren schwuchteligen Outfits und dem melodramatischen Pathos über die Trivialisierung von Anne Rices Lestat-Stereotyp bis hin zum Ausloten der Untiefen von Starkult und Musikindustrie.
Dafür, dass die Konflikte nicht nur in gewohnt deftiger Sprache ausgetragen werden, sondern auch die Gewalt - wie die Komik - visuell ansprechend inszeniert wird, sorgt einmal mehr das klare, kalte Artwork des begnadeten Steve Dillon und seiner Koloristen.
Fazit: gefühlsechter als die ersten vier Bände; dennoch schmutzig, bissig und gemein genug, um nicht geliebt zu werden.