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Wer hier leichte Unterhaltung erwartet, hat weit gefehlt. Ohne die Informationen über die Autoren, über die Entstehung des Buches und einigem Hintergrundwissen über die Gegend um den Oberrhein wird der Leser spätestens an der 5. Geschichte scheitern, hinter deren Geheimnis eine ganze Reihe von Geisterspiegelmitarbeitern übrigens nicht gekommen ist. Und das, obwohl wir dazu sogar eine interne Lesung im gemütlichen Kreis veranstaltet haben. Doch »Der Schacht « ließ jedem von uns eine eigene Interpretationsmöglichkeit zu, an denen wir heute noch rätseln.
Aber der Reihe nach. In »Hunger « berichtet Rainer Schorm von einem alten Ring und der ihm innewohnenden Macht. Doch bezüglich eines Geheimnisses um das Münster von Freiburg sollte der Leser nun keine voreiligen Schlüsse ziehen.
Klaus N. Frick zeigt uns in seiner Geschichte, wie ein Hacker einem Rauschgiftring auf die Spur kommt, und gibt dem Begriff »Rheinlinie « damit eine ganz neue Bedeutung.
Ursula Isbel wechselt »Im Wunderland « das Thema und lässt den Leser teilhaben an einer dunklen Vergangenheit, in der ein Hund von Bedeutung ist.
Karla Weigand greift ein Thema auf, welches zwar sehr traurig ist, denn wir erleben ein kleines Kind kurz vor und nach seinem Tod, doch mit ihrer Form von Unsterblichkeit weckt sie irgendwie auch wieder Hoffnung.
Dann folgt Frank G. Gerigks »Der Schacht «, über den wir immer noch grübeln. Favorit der Deutung dieser Geschichte ist, dass der Leser einen Sterbenden auf seinem letzten Weg begleitet. Doch ist das so? Oder gibt es eine ganz andere Erklärung vor dem Hintergrund, dass der Autor Diplom-Geologe ist?
Daniel Walther macht es den Lesern da schon wieder leichter. Sein »anderer Zug « entführt die Protagonisten der Geschichte in eine andere Dimension, während der »echte « Zug ... nein, das verrate ich hier nicht.
In »Magnitude « von Rainer Schorm erkennt der Leser schnell die bekannten Elemente einer Horrorkurzgeschichte und erlebt, wie die Geschichte sich wiederholt. Ein Kreuz spielt eine tragende Rolle, doch auch hier bleibt ein rätselhafter Nachgeschmack.
Jörg Weigands Geschichte »Vreneli « berichtet von einer Goldmünze, die ein wahres Eigenleben entwickelt, während Markus Kastenholz das Geheimnis um »Celphia «, einer Nymphe, der letzten Nymphe, lüftet. Er zeigt uns den Unterschied zwischen Wissen und Glauben auf seine ganz eigene Art und Weise.
Helmut Ehls gibt in seiner Zeitreisegeschichte den Rat, die Zukunft nicht zu verpassen. Auch diese Geschichte war eine kleine Herausforderung, da sich die Logik dem Leser erst ganz am Ende erschließt.
Jörg Weigand begleitet in seiner nächsten Geschichte den Protagonisten, der auf ein ziemlich verpfuschtes Leben zurückblickt, auf seiner Fahrt in die innere Freiheit. Wohin sie führt? Auch das werde ich an dieser Stelle nicht verraten, auch wenn das Ende nicht ganz überraschend daher kommt.
Markus Kastenholz führt den Leser lieber ins »Daheim «. Die Welt, die sich hier offenbart, ist alles andere als heimelig, doch birgt sie auch noch ein letztes Stückchen Hoffnung.
Karla Weigand bedient sich in ihrer 2. Geschichte, wie der Titel schon sagt, einem »Quell der Kraft «. Sie setzt auf einen Ort der Kraft, der einer Frau das Leben lebenswert macht.
In Frank Borschs Welt, in der »Lucky « und sein Klan agieren, erkennt der Leser am Ende, dass auch in ferner und fiktiver Zukunft der Betrüger am Ende als Betrogener dastehen kann.
Die »letzschde Schdorie « ist den Einheimischen der Gegend vorbehalten, da sie in Mundart verfasst ist. Wer derer nicht mächtig ist, so wie ich, wird an dieser Geschichte wenig Freude haben, da auch lautes Lesen das Verstehen nicht unbedingt fördert. Ich bin jedoch sicher, dass auch diese Story ihre Leser findet, die gerade den Gag mit dem Dialekt zu würdigen wissen.
Alles in allem bietet »Phantastischer Oberrhein « eine gelungene Mischung aus Erzählungen, die sich vom Anspruch an den Leser deutlich von »herkömmlichen « Anthologien unterscheidet. Gerade die Mischung aus mehreren Genres lässt es nicht zu, das Buch als durchweg lesens- oder nicht lesenswert zu bewerten, denn für jeden Geschmack ist etwas dabei. Auch die Rätselhaftigkeit oder manchmal auch »Nichtdurchschaubarkeit « der einen oder anderen Geschichte hat letztendlich den positiven Effekt, dass gerade diese Geschichten im Gespräch bleiben.
6 von 10 Punkte