Serie/Reihe: Bas Lag - Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Andreas Muegge |
Willkommen in New Crobuzon, eine Stadt die der Fantasy von China Mieville entsprungen ist. Sie ist der eigentliche Hauptakteur in diesem Buch und man wird am Ende das Gefühl haben, dass sie wirklich existieren könnte - irgendwo da draußen, wo sich Realität und Phantastik miteinander vermischen und wo Maschinen noch mit Dampf betrieben werden.
Die Handlung ist relativ schnell erzählt. Isaac Der Grimnebulin (ein toller Name) ist ein Wissenschaftler, der abseits von der Universität seine eigenen Forschungen betreibt. Er hat eine Liebesbeziehung mit Lin, einem insektenartigen Wesen dass sich von ihrer Sippe gelöst hat und als Künstlerin ihren Lebensunterhalt verdient. Sie verständigt sich durch Zeichensprache oder indem sie Sätze auf Papier bzw. eine Tafel schreibt. Die Beziehung ist selbst für New Crobuzon ungewöhnlich und das Paar setzt alles daran, sie geheimzuhalten.
Eines Tages kommt zu Isaac ein Garuda, ein Vogelwesen. Ihm wurden als Strafe seine Flügel entfernt und er möchte nichts sehnlicher als wieder fliegen zu können. Isaac verspricht ihm zu helfen, doch seine Forschungen werden bald ein großes Unheil über die Stadt bringen...
Bei mir hat es eine Weile gedauert, bis ich mit der Geschichte warm geworden bin. Viele unbekannte Wörter zwingen zum Nachschlagen und China Mievilles sehr detaillierte Erzählweise ist auf Dauer ermüdend. Ungefähr in der Mitte nimmt die Geschichte langsam Fahrt auf, trotzdem ist klar: der Star ist und bleibt die Stadt. Lin hat mir sehr gut gefallen, aber Isaac war mir bis zum Schluss unsympathisch. Wenn in jedem zweiten Satz das Wort "fucking" auftaucht, habe ich damit ein Problem. Leider spielt Lin in der zweiten Hälfte fast keine Rolle mehr, obwohl ein sehr origineller Erzählstrang um sie herum aufgebaut wird.
Sehr viel Potential wurde mit Yagharek, dem Garuda, verschenkt. In kursiven Abschnitten, die den einzelnen Teilen des Buches vorangestellt werden, erzählt er von seinem Leben und seinen Eindrücken. Ganz zum Schluss bekommt man einen Eindruck, was für ein faszinierendes Wesen er ist! Im eigentlichen Buch wirkt er irgendwie leblos und ich war etwas erstaunt, wie er sich in der zweiten Hälfte in einen "Superhelden" verwandelt. Hätte man früher etwas von seinem Leben erfahren, von seiner "Person", dann wäre mein Eindruck ganz anders gewesen und ich hätte ihn viel mehr geschätzt!
Was das Buch aus der Masse heraushebt macht, ist die ungewöhnliche Mischung aus mit Dampf betriebene Technik, alienartigen Wesen, intelligenten Maschinen und Thaumaturgie (Magie). Die Begegnungen mit dem Botschafter und dem Weber gehören zum besten, was das Buch zu bieten hat - leider sind diese Momente viel zu selten.
Mein Gesamteindruck ist zwiespältig. China Mieville beschreibt eine ungewöhnliche Stadt mit vielen Details, die zum Teil faszinieren, zum Teil aber auch langweilen. Die Handlung ist relativ dünn und die Haupt-Charaktere scheinen nicht so recht zur Stadt zu passen, zu häufig wirken sie wie Besucher, die durch die Straßen streifen ohne dazuzugehören. Auf der anderen Seite haben mir die "Aliens" sehr gut gefallen, in solchen Momenten zeigt sich besonders die verrückte Fantasie von China Mieville.
Wer bereit ist sich durchzubeißen und ein Buch abseits der normalen Wege lesen möchte, dem kann ich Perdido Street Station wärmstens empfehlen. Es ist keine leichte Lektüre und jeder Leser muss am Ende selbst entscheiden, ob sich der Weg gelohnt hat, aber das Buch ist zu originell um es zu verpassen. Wer mehr Wert auf eine spannende Handlung legt oder auf Charaktere, mit denen man sich leichter identifizieren kann, wird mit diesem Buch nicht besonders glücklich werden.
Ich werden China Mieville demnächst eine neue Chance geben mit The Scar.
November 2004
Die Falter - Rezension von Rupert Schwarz
Der Weber - Rezension von Rupert Schwarz
Eine Übersicht der Serie gibt es auf der Autorenseite
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