Titel: The Secret World (2.Betatest-Wochenende Mai 2012) Eine Besprechung / Rezension von Gloria H. Manderfeld
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Erneut bot Funcom neugierigen Spielern die Gelegenheit, einen Blick in das neue MMO 'The Secret World' zu werfen - und abermals folgte man den Spuren der Templer in das beschauliche und von seltsamen Wesen überrannte Städtchen Kingsmouth.
Mit dem Vergleich zum ersten Betatest-Wochenende bleibt natürlich die Frage: Was hat sich verändert, hat sich etwas verbessert? Da wir dieses Mal einen genaueren Blick auf das Questsystem werfen, sticht natürlich eine Tatsache besonders hervor: Auch jetzt sind noch sehr viele Quests nicht eingedeutscht, sondern man muss sich als Spieler mit einer seltsamen Mischung aus deutsch benannten Monstern und englischen Questbeschreibungen behelfen, in der Hoffnung, das passende Vieh dann doch irgendwo zu finden. Auch fehlen bei so manchem Beschreibungstext für Questgegenstände die Umlaute.
Natürlich darf man nicht vergessen, dass es sich hier um eine Beta handelt - aber angesichts des bereits Mitte Juni anstehenden Veröffentlichungstermins muss man sich schon die Frage stellen, ob es innerhalb von zweieinhalb bis drei Wochen für Funcom möglich sein wird, die fehlenden Texte in der passenden Sprache nachzuliefern. Ein Kunde, der für ein deutschsprachiges Produkt den vollen Preis bezahlt, vielleicht sogar nicht besonders gut Englisch spricht oder viele Texte mangels Vokabular nicht verstehen kann, wird zu Recht enttäuscht von einer solchen (Nicht-) Leistung sein. Hier muss Funcom dringend nachlegen - vor allem, weil sich dieser Eindruck auf ein Startgebiet bezieht. Man kann nur hoffen, dass die Questtexte in den weiteren Gebieten bereits übersetzt worden sind, ansonsten sind die Aussichten eher düster.
Im Wald um Kingsmouth kann man Interessantes entdecken - hier das lokale Hippie-Camp inclusive Erleuchtung.
Ein zweiter Bereich, der auf Dauer das Spielgeschehen erleichtern könnte, ist die Sprintfunktion - mit der Shift-Taste aktivierbar, soll sie die Laufgeschwindigkeit ausserhalb von Kämpfen steigern. Leider lässt sich kein allzu großer Unterschied zwischen 'normal laufen' und 'sprinten' feststellen - die Wege sind nach wie vor lang und die gute alte Fußfortbewegung die einzige Möglichkeit, vom einen Ende der Karte zum anderen zu gelangen.
Dass die Sprintfunktion dann auch nach jedem Kampf extra neu aktiviert werden muss, führt nach einer gewissen Zeit dazu, dass man sie einfach nicht mehr benutzt - eine Komfortfunktion sieht anders aus.
Konkurrenten wie SW:ToR machen es vor: Hier aktiviert man ein einziges Mal den Sprint, wenn man ihn haben möchte, beginnt ein Kampf, wird der Sprint unterdrückt, ist der Kampf vorbei, greift die Fähigkeit automatisch erneut. Auch von Reise-Möglichkeiten abseits des Agartha-Netzes, das die Charaktere zwischen einzelnen Gebieten reisen lässt, ist bisher im Spiel noch nichts zu entdecken - hier bleibt die nur Hoffnung, später wenigstens ein Auto oder Motorrad zu erhalten, um weitere Distanzen innerhalb einer Karte zu überwinden. Sollte sich Funcom hier nicht zu irgendeiner Lösung des Distanzproblems überwinden können, dürfte auch dies ein Hauptkritikpunkt am Spiel bleiben, nicht zuletzt, da bereits im Startgebiet absehbar ist, wie viel man zwischen einzelnen Kartenbereichen hin und her rennen muss.
Die weissen Kreise mit blauem Punkt mittig sind selbst erstellte Questmarker auf der Übersichtskarte -
hier kann man in der Welt frei erhältliche Quests finden und annehmen.
Doch nun zum Hauptblickpunkt dieses Beta-Wochenendes für fictionfantasy.de - die Quests von 'The Secret World', die innovativ und abwechslungsreich gestaltet sind und sich damit teilweise sehr deutlich von bereits am Markt befindlichen MMOs unterscheiden. Hier lassen sich mehrere unterschiedliche Questgrundtypen unterscheiden:
- Hauptquest des jeweiligen Gebiets: Dies ist eine Questreihe, die dem Spieler langsam Stück für Stück die verschiedenen Hintergründe der Geschehnisse in einem Bereich zeigt - in Kingsmouth wird von verschiedenen Seiten berichtet, wie die mysteriösen Ereignisse begonnen haben, und der Spieler folgt der Spur an Erinnerungen und Details, um dem Geschehen auf den Grund zu gehen.
Dabei wechseln sich Action- und Rätselanteile geschickt ab oder werden subtil verpackt: Wenn man an ein Schiff am Pier gelangen will, muss man sich erst seinen Weg durch dort herumstreunende, ertrunkene Seeleute bahnen. So wird das Erlangen des Questziels auch immer mit der nicht sichtbaren Bedingung verknüpft, eine bestimmte Art an Gegnern bereits besiegen zu können. Mit Questmarkern im Spiel und auf der Karte wird dem Spieler bei der Lösung der Quest zusätzlich geholfen. - Hintergrundbeleuchtende Quests: Diese Quests erhält man von NPCs, und man kann jeweils nur eine Quest dieser Art aktiv haben. Der Rätsel- und Investigativ-Anteil dieses Questtyps ist sehr hoch und verlangt vom Spieler nicht nur, sich gut in seiner Spielumgebung umzusehen, sondern auch ordentlich Hirnschmalz einzusetzen. In Kingsmouth forscht man beispielsweise den Spuren der Illuminaten in der Stadt nach und entdeckt schließlich einen Lagerraum mit Illuminaten-Artefakten, oder klärt mehrere Jahre zurückliegende Morde auf. Bei diesen Quests gibt es nur sehr wenig Hilfen durch die Questbeschreibung, Questmarker tauchen wenig bis gar nicht auf.
- Actionreiche Quests: Hier gibt es klare Anweisungen der Sorte 'hol dies', 'tu das' oder 'töte diese', sie sind sehr direkt kampflastig und erfordern nicht viel Nachdenkarbeit. Allenfalls das Erlangen nicht ganz offensichtlich plazierter Questgegenstände (beispielsweise eine Überwachungskamera vom Dach der Tankstelle abmontieren) benötigt ein wenig Jump'n'Run über Dächer oder andere Hindernisse. Dem Spieler wird zudem durch eindeutige Hinweise im Journal und Questmarker geholfen. Dieser Questtyp ist auf eine aktive Quest limitiert.
- Frei in der Welt auffindbare Quests: Wer gerne erkundet, kann im Spielgebiet viele Gegenstände finden, die einem optionale Quests anbieten - meist sind diese schnell erledigt und bestehen selten aus mehr als zwei Teilen. Journalbeschreibung und Questmarker auf der Karte nehmen den Spieler zusätzlich bei der Hand und machen das Lösen bequem. Von diesem Questyp können bis zu drei Quests aktiv sein.
Aus der Hauptquestreihe des Gebiets Kingsmouth: Der Spieler muss einer verführerischen Melodie
bis zu ihrem Ursprung folgen...
Insgesamt kann man nur fünf aktive Quests überhaupt annehmen, gelangt man zu einem NPC, der einem eine weitere Quest anbietet, kann man eine aktive Quest auch pausieren und erst wieder aufnehmen, wenn die neue Quest gelöst ist. Zudem kann man sich nur eine dieser fünf Quests am Bildschirmrand mit ihren Questzielen anzeigen lassen - was auch bedeutet, dass Questmarker nur für diese eine angezeigte Quest auf der Karte und durch Weganzeigen im Spiel selbst sichtbar sind.
Gerade wenn man etwas umfangreichere Quests im selben Teilgebiet lösen muss, ist das sehr umständlich - was man sonst gleichzeitig erledigt hätte, entgeht einem durch mangelnde Anzeige oftmals, und man muss denselben Weg mehrfach gehen. Zu Beginn des Gebiets ist das vielleicht noch etwas, das einem Spieler nicht negativ auffällt, aber mit fortschreitender Menge an gelösten Quests schleicht sich eine gewisse Ungeduld ein, nicht zuletzt, weil vergleichbare Spiele es sehr wohl schaffen, mehrere Ziele auf einmal anzeigen zu lassen.
Auch die fehlende Möglichkeit, einzelne Questabschnitte zurückzusetzen, schlägt hier negativ zu Buche: Bei einer Quest, die am Endpunkt das getriggerte Auftauchen eines Bossmobs mit sich brachte, den man zur Questlösung töten musste, war es schlichtweg unmöglich, denselben Effekt nochmals auszulösen. Pech, wenn man im Kampf gegen den Bossmob gestorben ist, weil aus der Umgebung allerlei zusätzliches Viehzeug auftauchte und den Spieler angriff, sodass ein Sieg unmöglich wurde.
Die einzige Möglichkeit, eine solche Quest zu lösen, ist Warten - dass ein anderer Spieler vorbeikommt, dieselbe Quest macht und man sich am Bosskampf, wenn der andere Spieler diesen auslöst, beteiligen kann. Wie wahrscheinlich ein solches Ereignis spätestens mehrere Wochen nach Release sein wird, dürfte klar sein - spätestens wenn sich die Spieler in die verschiedenen Regionen verteilen und immer weniger Charaktere in Startgebieten unterwegs sind, ist eine solche Mechanik ein Frustgarant.
In der grauen Welt des Todes, den geschlagenen eigenen Körper als Zielpunkt voraus: wer stirbt, muss laufen.
Kommen wir zu einem weiteren Manko von 'The Secret World' - wer ins Gras beisst, bereut das bisweilen sehr bitter. Hat man sich bei anderen Spielen schon darüber gefreut, der ewigen Rennerei vom Respawnpunkt zum Leichenort ledig geworden zu sein, bekommt man bei 'The Secret War' nur wieder eine Neuauflage dieses Systems, das schon bei 'Ultima Online' nervtötend war und in den letzten zehn Jahren nicht weniger nervtötend wurde.
Gerade die eingeschränkte Sichtweite, das Grau in Grau sind beim ersten bis fünften Tod vielleicht noch stimmungsvoll. Wenn man allerdings versucht, in einer Landschaft, die nicht minder Grau in Grau gestaltet ist, den richtigen Weg zu finden, beisst man irgendwann ins eigene Keyboard.
Warum musste dieses altbackene, überholte System neu aufgelegt werden? Wer hat etwas davon, wenn man quer über die Karte rennen muss, nur um in einer Umgebung wiederbelebt zu werden, in der dieselben Gegner herumstehen, die einen schon zuvor umgekippt haben? Ein solches System kann nur eines sein: Spielzeitstreckung - ein weiterer, wirklicher praktischer Nutzen lässt sich darin nicht erkennen.
Funcom, andere Spiele machen es euch doch vor, wie man derlei zeitgemäßer regeln kann: die Auswahl zwischen verschiedenen Wiederbelebungsoptionen wäre ein Fortschritt, ebenso wie die Gelegenheit, an Ort und Stelle getarnt wieder ins Spiel zu kommen, um sich selbst von den Gegnern entfernen zu können.
Wer Gegner tötet, darf auch sammeln: Das grüne Taschen-Icon deutet an, dass hier höherwertige Beute zu bekommen ist.
Das Questen an sich ist auch mehrere Stunden weiter im Charakterfortschritt noch spannend - hier wurde sicher viel Entwicklungszeit hineingesteckt, die sich gelohnt hat. Spannende Dialoge bei den vertonten Hauptquests machen das Dauerschweigen des eigenen Charakters ganz gut wett, auch wenn sich zuerst eine gewisse Irritation darüber einstellt.
Wer gerne Adventures gespielt hat, die mit knackigen Rätseln aufwarten konnten, wird sich auch bei 'The Secret War' herausgefordert fühlen können. Grundsätzlich sollte man auf der Suche nach Hinweisen alle Möglichkeiten nutzen, die sich bieten: Wenn man sich in Kingsmouth verläuft, kann man sich mit den Ortsangaben des Telefonbuchs behelfen. Auf der Suche nach einer bestimmten archivierten Akte wäre ein Blick in die Stadtarchive nicht verkehrt - die Überlegung, wo sich diese in einem kleinen Küstenstädtchen befinden könnten, stellt sich automatisch nach einer Weile ein.
Auch die genaue Beobachtung von Aktivierungsphasen der immer mal wieder vorkommenden Laserfallen in dunklen Gewölben hilft sehr, Frustration durch unnötige Tode zu vermeiden. In der bisherigen Spielzeit haben sich Geschicklichkeitsrätsel dieser Art zuerst gerne unlösbar dargestellt, mit etwas Geduld und genauem Hinschauen konnten aber alle Rätsel gelöst werden - oftmals kann man bereits an der Beleuchtung einer Szenerie einen fairen Hinweis auf die Lösung erhalten.
Nur bei dynamischen Inhalten wurde es ab und an tricky: Gerade wenn man Mobs - zum Beispiel auffliegende Raben - durch Hinterherlaufen verfolgen soll, spielt die Technik einem gerne einen Streich. Erreicht man nicht den idealen Beobachtungswinkel, sieht man den Mob zwar starten, hat aber keine Chance, diesen mit dem Blick zu verfolgen. Glücklicherweise ist hier die Möglichkeit eingebaut, den verschwundenen Mob nach wenigen Momenten am Startpunkt wieder spawnen zu sehen, damit man es erneut versuchen kann.
Wer sich nicht auskennt, dem wird hier geholfen: Das Branchentelefonbuch ist unersetzbar, wenn man einen Ort sucht
Viel der Stimmung von 'The Secret World' steht und fällt mit den Quests - wären diese nicht so herausragend, wäre das Game nicht sehr viel mehr als der Branchendurchschnitt, vor allem, da im Kampfsystem, in den Animationen, der generellen Grafik nicht viel anderes geboten wird als bei anderen MMOs. Zwar sind die verschiedenen Kartenabschnitte sehr detailliert und auch mit Sinn für Szenerie gestaltet, auch die freie Begehbarkeit vieler Gebäude fällt hier positiv auf. Aber ohne die Story und die horrorlastigen Quests bleibt nicht viel Besonderes bei 'The Secret War'.
Wenn sich nicht noch einige Dinge entschieden verbessern, könnte das Spiel ein Nischenprodukt bleiben, das zwar seine Fans gut bedient und mit immer mehr Horroranteilen auch bei der Stange halten kann, aber der große Wurf wird es nicht werden. Gerade der mangelnde Spielkomfort - vom undurchsichtigen Craftingsystem und dem noch sehr uneinheitlichen Lootglück verschiedenster Spieler einmal ganz zu schweigen - lässt die Frage offen, ob sich Funcom nach Flops wie 'Age of Conan' wirklich klar gemacht hat, wo die Hauptfehler lagen und ob der Wille nach Verbesserung wirklich so groß ist, wie von den Mitarbeitern derzeitig gebetsmühlenartig wiederholt wird.
Das klassische amerikanische Diner - in Kingsmouth mit Zombie-Zulage im Inneren
Gerade nachdem ein Lizenz-Riese wie 'Star Wars: The old Republic' von Spielerseite in den Foren zuerst vor Release gehyped, und dann nach der Kollision unrealistischer Vorstellungen mit der Spielwirklichkeit zerpflückt wurde, muss sich ein Entwickler klar darüber sein, dass Spieler heutzutage ein sehr hohes Maß an Komfort von ihrem Spiel erwarten - und ebenso schnell zu anderen MMOs wechseln, wie sie ein Spiel begonnen haben. Eine gute Idee reicht inzwischen nicht mehr aus, um Spieler an sich zu binden - dass der Branchenprimus 'World of Warcraft' so oft als strahlendes Beispiel genannt wird, an dem sich neue Spiele messen müssen, liegt nicht zuletzt daran, dass WoW-Entwickler Blizzard mehr als sieben Jahre Zeit hatte, sein Produkt so komfortabel und bequem für Spieler wie möglich zu gestalten.
Wer einmal an Dungeonfinder und ähnliches gewöhnt ist, will sie bei anderen Spielen nicht missen - auch solche Funktionen konnte ich bei 'The Secret World' nicht entdecken, und Spieler berichten in den 'The Secret World'-Foren von reichlich verbuggtem Zusammenspiel in der Gruppe.
Man darf gespannt sein, mit welchen Lösungen Funcom bis zum Release aufwarten wird, oder ob der Release verschoben wird - oder ob ein unfertiges Produkt auf den Markt kommt, das dann aufgrund solcher Mängel an baldigem Spielerschwund leidet. Es wäre schade um die Idee und das wirklich innovative Questing. Fictionfantasy.de bleibt dran!