Titel: Pandora 03 |
Jakob Schmidt: Hauptsache, wir haben etwas davon
„Leicht“ linkslastiges Editorial, das von dem Verfasser aber gar nicht so apologetisch gemeint war, wie es sich liest. Zur Diskussion darüber siehe Pandora-Forum auf SF-Netzwerk. Ich fand’s nicht ganz so schlimm, wie es dort dargestellt wird, aber das ist extremst Geschmackssache.
Pat Cadigan: Des Kaisers neue Wirklichkeit
Das Andersen-Märchen in die Zukunft transponiert, nicht sehr innovativ.
Brian Stableford: Warum es so etwas wie Science Fiction (eigentlich) gar nicht gibt
Fortsetzung der Sekundär-Reihe über die SF-Begriffsbestimmung. Im Gegensatz zu den Artikeln aus den beiden vorhergehenden Nummern konnte ich dieser Darstellung nicht viel abgewinnen, ich halte diese Bezugsherstellung zu klassischen griechischen Philosophen für verquastes Theorie-Blabla. Nichtsdestotrotz bringt Stableford hier viele Ideen auf, die nachdenkenswert sind.
Graham Sleight: Cordwainer Smith
Kurzbiographie und Darstellung Paul Linebargers, der unter dem Pseudonym „Cordwainer Smith“ vor einem halben Jahrhundert eine interessant zu lesende Future History schrieb. Für mich nichts Neues, aber ich habe auch die Story-Sammlung „Die besten Stories von Cordwainer Smith“ mit der ausführlichen Einführung in Leben und Werk von John J. Pierce. Hier in Pandora wird auf knappen 5 Seiten eine hilfreiche Einführung in die „Instrumentalität der Menschheit“ gegeben, die Lust macht, den Autor neu zu entdecken.
Joe Haldeman: Ein anderer Krieg
In „Der ewige Krieg“ schildert Haldeman, wie Militär und Wirtschaft aus kommerziell-faschistischen Motiven heraus einen Krieg mit einer außerirdischen Rasse beginnen. Aufgrund der Zeitdilatation dauert dieser Krieg für einige Soldaten „ewig“. Dieses Buch erschien 1977 und ist deutlich durch den Korea- und Vietnam-Krieg geprägt. Protagonist des Romans ist William Mandella, der zusammen mit Marygay Potter den Beginn des Krieges mitmacht, aber vor der letzten Offensive von ihr getrennt wird. Aufgrund der unterschiedlichen Zeitdilatationen verschiedener Kriegshandlungen führt eine solche Trennung dazu, in verschiedenen Zeiten leben zu müssen. Trotzdem schafft es das Liebespaar im Roman, am Ende wieder zusammenzukommen. In dieser Story wird das letzte Kapitel des Romans noch einmal geschildert, diesmal allerdings aus der Sicht von Marygay.
Sehr lesenswert, besser als jeder sekundärliterarische Artikel über Haldeman. Man ist sofort in der Geschichte drin, auch ohne den Roman zu kennen, und wird von dem Sense of Wonder mitgerissen. Im Groben erkennt man auch Haldemans Aussage aus „Der ewige Krieg“, wenn auch die Kenntnis des Romans für das umfängliche Verständnis unumgänglich ist. Mich hat die Story jedenfalls begeistert und motiviert, auch andere Bücher von Haldeman zu lesen, den ich bis dato (warum auch immer) noch nicht kannte. Ein erstes Highlight dieser Pandora-Ausgabe.
Thomas P. Weber: Ewige Konstruktionen und andere
Ein kurzer Artikel über die Sexualität und die Geschlechterrollen in Haldemans Romanen und in der SF ganz allgemein. Extrem kurz, aber ganz interessant.
Tim Powers: Den Hügel hinab
Nette phantastische Verschwörungsgeschichte eher klassischen Zuschnitts über eine Gruppe von Unsterblichen. Gut erzählt, aber irgendwie kennt man das schon alles.
Joe Hill: Daumenabdruck
Joe Hill erzählt hier von den Traumata der Golfkriegs-Soldaten. In drastischer Weise führt er die Unmenschlichkeit der Auswüchse dieses Krieges vor und kritisiert damit deutlich die Art und Weise der Kriegsführung. Interessanterweise gelingt es ihm dabei, nicht den Krieg an sich negativ darzustellen. Mir hat diese Story ausnehmend gut gefallen, auch wenn für das komplette Verständnis eine amerikanische Biographie notwendig ist, von hier, von Deutschland aus, entgehen einem doch Feinheiten der Darstellung.
John Clute: Die Gespenster des 20. Jahrhunderts
Rezension der Kurzgeschichten-Sammlungen von Joe Hill. Netter Artikel, der den Autor gut rüberbringt und zum Lesen seiner Anthologien ermutigt.
Christian von Aster: Dracontocopros
Eine böse Story über die tatsächlichen Probleme bei der Haltung von Drachen. Christian von Aster rechnet brutal mit der „Hach, sind diese Drachen nicht liiieb“-Fraktion ab und schildert ein Königreich, das von einem Drachen vollgeschissen wird. In seiner unnachahmlichen zynischen Schreibe lässt er dies sozusagen live von einem Geschichtenerzähler vor einem Durchschnitts-Publikum ablaufen.
Sehr gelungene Story, die wieder einmal zeigt, dass sich die deutsche Phantastik im Golden Age befindet. Diese Story kann durchaus mit den Klassikern vom Rang eines L. S. de Camp mithalten.
Stephen Baxter: Freiheit in einer vermarkteten Welt
Ein extrem gelungener Artikel über die Geschichte der Warhammer-Romane, geschrieben von einem Insider. Sehr lesenswert, da hier deutlich die unterschiedlichen Ansprüche zwischen Kunst und Kommerz geschildert werden. Das zweite Highlight dieser Pandora-Ausgabe, auch für Nicht-Fans zu empfehlen, da hier detailliert das Zusammenspiel zwischen Schriftstellern und Herausgeber(n) dargestellt wird.
Andrej Lasartschuk: Die Mumie
Klassische phantastische Erzählung. Lenin ist unsterblich, weil er von Kindern die Lebensenergie absaugt. Also nix Neues und auch standardmäßig erzählt. Aber es ist schon interessant, dass eine solche (westliche) Standard-Story offenbar auch im Osten erzählt wird. Ansonsten fand ich diese Geschichte nicht so berauschend.
Jonathan Swift: Ein bescheidener Vorschlag
„Wie zu verhindern wäre, dass in Irland armer Leute Kinder ihren Eltern oder ihrem Vaterlande lästig fallen, und wie sie stattdessen dem Wohle der Allgemeinheit dienen könnten.“
IGITT !!! Ich habe diese aus dem Jahre 1729 stammende Satire nach drei Absätzen abgebrochen, das war für mich zuviel. Brilliant geißelt Swift die Ausländerfeindlichkeit im damaligem England, derartig gut, dass diese Satire auch heute nichts von ihrem Biss verloren hat. Und uns auch dreihundert Jahre nach der Erstveröffentlichung noch viel zu sagen hat. Aber nur etwas für Leute mit stahlhartem Magen, überhaupt nichts für irgendwie empfindsame Gemüter. Ein echtes Highlight, man muss der Pandora-Redaktion dankbar sein, dieses Juwel ausgegraben zu haben.
Justina Robson: Einsame Insel
Eine Story über Außerirdische, die die Erde einfach ignorieren.
Auch wenn die Aussage der Geschichte nicht schlecht ist, liest sie sich doch ziemlich langweilig und zäh. Das habe ich schon deutlich besser verpackt gelesen.
Jakob Schmidt: Im Angesicht des Fremden
Ein Artikel über die Romane von Justina Robson. Jakob Schmidt beleuchtet ausführlich und kritisch das Werk der Schriftstellerin. Da mir schon die vorhergehende Story nicht gefallen hat, ist mir nach diesem Artikel klar, dass mich auch der Rest der Werke von Robson nicht interessiert. Von daher kann ich dieses Duo Kurzgeschichte/Werkschau nur loben, die Autorin wird präzise und detailliert dargestellt. Von solchen Werkschauen wünsche ich mir mehr.
Fritz Heidorn: Superzivilisationen und die weit entfernte Zukunft
Sehr philosophischer Artikel über Superzivilisationen, für meinen Geschmack zu verquast.
Adam Roberts: John Wyndhams „Kuckuckskinder“ als Holocaust-Roman
Interessante neue Ansicht auf einen klassischen Roman. Und auch wenn ich der Argumentation des Autors nur sehr eingeschränkt folgen kann, muss ich doch gestehen, dass ich die brilliant formulierten Interpretationen mit Genuss gelesen habe. Einmal eine ganz andere Sicht auf John Wyndham, lesenswert.
James Patrick Kelly: Flammen
Erster Teil der Novelle von JPK, lesenswert. Eine Rezension kann ich erst nach dem Lesen der gesamten Novelle geben, ich fand allerdings bereits den ersten Teil sehr gut und fühle mich motiviert, auch anderes von Kelly zu lesen. Von daher kann ich jedem nur die Lektüre empfehlen, für mich ist sie jedenfalls eins der Highlights dieser Ausgabe.
Jonathan McCalmont: Über Peter Watts` Roman „Blindflug“
Ausführliche Rezension des Romans, so gelungen, dass ich für mich entschieden habe, mich um diesen nicht weiter zu kümmern. Von daher sehr zu empfehlen, insbesondere für Leute, die „Blindflug“ noch nicht kennen.
Hardy Kettlitz: Science Fiction History
Schlaglichtartiger Kalender, der SF-Ereignisse von vor 100, 75, 50 und 25 Jahren beleuchtet. Ganz amüsante Rubrik, auch wenn ich die inhaltliche Relevanz etwa bei der Horoskop-Rubrik von Tageszeitungen ansiedle.
Diverse Autoren: Rezensionen von Neuausgaben
Kurzrezensionen von 1 - 2 Seiten über mehr oder minder aktuelle Neuerscheinungen. Ich finde solche Rezensionen immer sehr hilfreich, selbst wenn ich dem Rezensenten nicht unbedingt zustimme. Von daher eine empfehlenswerte Rubrik.
Fazit: Ein Magazin auf sehr hohem Niveau, das sich auf 250 A4-Seiten intensiv um den nicht-deutschen Markt kümmert. Als einer der wenigen Orte, an dem ausländische Sekundärartikel ins Deutsche übersetzt herausgegeben werden, kann man Pandora nur jedem Fan ans Herz legen. Ich habe nach dem Lesen dieser Ausgabe mir mehrere der rezensierten Romane besorgt, ich denke, das spricht für die hohe Qualität des Magazins. Und wenn SF-Dinosaurier wie ich derart motiviert werden, dürfte diese Ausgabe für jüngere Fans eine Offenbarung sein. In Anbetracht der diversen Romane, die ich mir eben wegen der Rezensionen nicht gekauft habe, kann ich Pandora nur jedem warm ans Herz legen.