Serie / Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Seit einigen Jahren haben britische SF-Autoren die Vormachtstellung innerhalb der SF ausbauen und verfestigen können. Waren Autoren von der Insel schon immer einen näheren Blick wert, so hat die britische SF-Szene in den letzten Jahren einige wirklich gute Talente hervorgebracht und stellt momentan die Quelle lesenswerter SF dar. Dank dieser Entwicklung wurden und werden Autoren/-innen verlegt, deren Werke ansonsten evt. sogar unveröffentlicht geblieben wären. Autorinnen wie Marianne de Pierres, eine Mutter von drei Söhnen, die erst im Alter von zwanzig Jahren dank „Rendezvous mit Rama“ von Arthur C. Clark zur SF gekommen ist. Mittlerweile sind neben „Nylon Angel“ zwei weitere Romane um die Titelhelding Parrish Plessis in Großbritannien erschienen, wobei der zweite „Code Noir“ bereits für das kommende Winterverlagshalbjahr bei Bastei-Lübbe angekündigt ist und wohl auch der dritte „Crash Deluxe“, der gerade erst in Großbritannien verlegt wurde, übersetzt werden dürfte.
Die Autorin verfügt über eine eigenen Homepage, auf der man sich nähere Infos über ihr schriftstellerisches Gesamtwerk betrachten kann. Zu finden ist diese unter: www.mariannedepierres.com
Marianne de Pierres versetzt ihre Leser in eine Welt in der die Menschen in Megacities wie Vivacity leben. Das gesamte Romansetting erinnert einem an die Cyberpunk-Romane längst vergangener Tage. Die technische Entwicklung ist bis auf Nanoebene vorangeschritten, Menschen haben sich künstlich aufrüsten lassen, das Verbrechen und die Medien sind allgegenwärtig und mächtig, ein Leben außerhalb dieser Megacities scheint kaum noch möglich zu sein und die einfach Bevölkerung vegetiert mehr oder weniger vor sich hin. In dieser Welt versucht sich Parrish Plessis mit Gelegenheitsjobs als Beschützerin und Privatschnüfflerin durchzuschlagen. Das gesamte Romanszenario ist aus bereits bekannten Versatzstücken zusammengesetzt und es fehlt an verbindenden Erklärungen. Vieles bleibt im luftleeren Raum stehen, wird als gegeben vorausgesetzt und nicht weiter erläutert. Die Autorin setzt mehr auf eine rasant fortschreitende Handlung als auf einen stimmigen Handlungshintergrund. Deshalb sollte man bei der Lektüre auch den Handlungshintergrund als gegeben hinnehmen, will man nicht andauernd über offene Fragen stolpern.
Die Heldin dieses und zwei weiterer Romane ist Parrish Plessis, die von Jamon Mondo dem Kopf eines Verbrechersyndikats für dessen Interessen zur Verfügung stehen muss. Von ihrer Eigenständigkeit ist ihr nicht viel geblieben und die Schergen Jamons sorgen dafür, dass sie weiterhin für ihn arbeitet. Der freiheitsliebenden Parrish sind diese Dienste zu wider und ihr ist bewusst, dass nur der Tod Jamon sie aus diesem Abhängigkeitsverhältnis befreien kann. Als ihr jemand anbietet Jamon aus dem Weg zu räumen, wenn sie im Gegenzug einen Auftrag erledigt, greift sie ohne zu überlegen zu und manövriert sich dadurch in die größten Schwierigkeiten. Ihr Auftrag führt sie in eine der besten Wohngegenden. Hier soll sie unbemerkt in ein Haus eindringen und Dateien von einem Computer runterziehen. Bei der Ausführung ihres Auftrages stellt sich heraus, dass sie in das Haus einer überaus bekannten Journalistin, die vor kurzem erst ermordet wurde, eingedrungen ist, und man ihr zudem nicht die Wahrheit über ihren Auftrag erzählt hat. Einmal mehr hat man sie benutzt und sie in größte Schwierigkeiten gebracht. Was bleibt ihr übrig als zu fliehen und die Hintergründe aufzuklären?
Der Roman hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Der Handlungshintergrund ist in weiten Teilen aus anderen Romanen bekannt und teilweise nicht scharf genug ausgearbeitet. Er dient ein wenig zu sehr als Mittel zum Zweck, sprich um die Handlung zu tragen, und hätte detaillierter sein können.
Parrish Plessis hat zu Beginn so gar nichts von einer Roman tragenden Hauptfigur. Erst im Verlaufe der Handlung entwickelt sie mehr Eigenständigkeit und gewinnt an Schärfe. In den ersten Kapiteln ist sie viel zu sehr fremdbestimmt, d.h. kann nicht selbst agieren und wirkt wie eine Kleinkriminelle.
Unglaubwürdig ist zudem, dass sie all ihre Bekannten und Freunde im Verlaufe des Romans vor dem Kopf stößt, sie ausnutzt, anlügt etc. von diesen aber dennoch in ihren Handlungen unterstützt wird. Das passt einfach nicht zusammen und ist auf Dauer nicht nachvollziehbar, wobei die Autorin sich erst gar nicht die Mühe macht Parrish Verhalten näher zu erläutern.
Gleichwohl verfügt der Roman über einige sehr gut in Szene gesetzte Passagen und nachvollziehbare Handlungen, die aber nicht für einen positiven Gesamteindruck ausreichen. So bleibt zu wünschen übrig, dass Marianne de Pierres sich in den nächsten Romanen noch wird steigern können. Über die Anlagen verfügt sie.