Serie / Zyklus: nova SF Magazin - Das deutsche Magazin für Science Fiction und Spekulation, Band 7 |
Mit einigen Wochen Verspätung ist Anfang März bereits die siebte Ausgabe von "nova - Das deutsche Magazin für Science Fiction & Spekulation" erschienen. Gleichzeitig ist auch die erste Ausgabe von "Internova" käuflich zu erwerben. Während nova der deutschsprachigen SF eine Veröffentlichungsplattform bietet, zielt Internova auf den internationalen Markt ab und hat sich zur Aufgabe gemacht, vor allem Autoren, die nicht aus den USA oder Großbritannien stammen, einen entsprechenden Rahmen zu bieten. Aufgrund der internationalen Ausrichtung von Internova sind alle Beiträge in englischer Sprache.
Die deutschsprachige Ausgabe bietet auf 178 Seiten insgesamt zehn Kurzgeschichten, wovon eine von dem italienischen Autor Antonio Bellomi stammt. Abgerundet wird die Ausgabe mit einem Gedicht von Erik Simon und Sekundärbeiträgen über den Filmemacher Rainer Erler, den Autor Stephen Fry, die "Aliens" unter uns und die Fortsetzungsmanie in der SF-Literatur. Allein die Sekundärbeiträge bieten abwechslungsreichen und nachdenklich stimmenden Lesestoff.
Im Vordergrund stehen aber natürlich die Kurzgeschichten.
Beim Titel der ersten Kurzgeschichte, "Agenda 2040", assoziiert der Leser damit sogleich die aktuelle politische Diskussion um die "Agenda 2010", und dies ist durchaus angebracht. In Hartmut Schönherrs Beitrag besteht die Lösung der wachsenden Vergreisung unserer Gesellschaft in einer konsequenten Reduzierung dieses Personenkreises. Anstatt sich mit diesem Problem politisch und gesellschaftlich auseinander setzen zu müssen, werden gewisse Personenkreise "entsorgt", wobei sie noch bis in den Tod hinein ihren Beitrag für das Fortbestehen der Gesellschaft leisten. Die Story ist richtig bissig verfasst und knallhart in ihren Aussagen. So zynisch überspitzt muss man mittlerweile die Zukunft unserer Gesellschaft darstellen, will man als Autor seine Leser zum Nachdenken animieren, denn die Probleme sind bereits seit Jahrzehnten vorhersehbar.
In Uwe Posts "Grau n Fee" wird eine Zukunft beschrieben, in der künstlich hergestellte Wesen, die von ihrem körperlichen Erscheinungsbild her an Feen erinnern, dem Menschen zu Diensten sind. Dienst jeglicher Art, und für manchen stehen die sexuellen Dienstleistungen im Vordergrund. So auch bei Svaerig, der sich aus Geldmangel ein nicht registriertes Exemplar leistet. Diese sind zwar billig, besitzen aber auch irgendeinen Fehler (meistens in ihrer Programmierung) und sind deshalb auf dem Schwarzmarkt günstig zu erstehen. Als er Grau n Fee käuflich erwirbt, ahnt er noch nicht, dass die Feen als regierungskritische Informationsträger benutzt werden. Geschichten z.B. über die Regierung, die diese unter Verschluss hält. Das Ende der Story ist relativ offen, d.h. der Leser kann sich denken, dass Svaerig an den gespeicherten Informationen sehr interessiert ist. Als Leser kann man aus der Story schließen, dass es subversiven Elementen immer gelingen wird, eine Möglichkeit zu finden, ihre Wahrheiten zu transportieren.
Helmuth W. Mommers kann als Kurzgeschichtenautoren nicht nur auf zahlreiche Veröffentlichungen in den letzten Jahren zurückblicken, sondern hat diese Erzählformvor vor allem aktiv als Herausgeber unterstützt. Die von ihm herausgegebene Anthologie VISIONEN 2004 zählt eindeutig zu den besten der letzten Jahre. Mit "INCOMMUNICADO" entwirft er ein Szenario, in dem eine Familie von Aliens entführt und wie Hamster gehalten wird. Während die Aliens bemüht sind, es den Menschen so angenehm wie möglich zu machen, und ihre Bedürfnisse zu erkennen versuchen, sehen sich die vier Familienmitglieder dem Forscherdrang der Aliens ausgesetzt, die wie kleine Kinder agieren, die eine Hamsterfamilie geschenkt bekommen haben. Nachdem sie wochenlang als "Versuchsobjekte" oder "Haustiere" lebten und so einzigartige Erfahrungen machen konnten, blicken sie nach ihrer Rückkehr ganz anders auf ihren Kater. Eine Story, die den Blick schärft für den Umgang mit unseren geliebten Haustieren und einfach den Blickwinkel umkehrt. Gekonnt verfasst und vom Aufbau her lesenswert umgesetzt, zeigt Mommers, dass potentielle Themen für Kurzgeschichten genau vor einem liegen.
Thorsten Küpers Betrag "Warten auf Kogai" zeigt einmal mehr seinen Ideenreichtum und die Fähigkeit zur entsprechenden Umsetzung eines solchen. Seine Story ist bitter-böse und als Leser kann man sich nicht wirklich mit dem selbst ernannten Widerpart des gesellschaftlichen Establishments identifizieren.
Eine im Verborgenen stattfindende Kunstauktion soll dazu dienen, den Performancekünstler Kogai festzunehmen. Dieser schreckt bei seiner Inszenierung vor der Ermordung seiner Gegner nicht zurück und verkauft deren Überreste dann an eine begüterte, stetig wachsende Anhängerschaft. Die von seinem Gegner Lansing auf der Seite der Ordnungskräfte aufgestellte Falle, erweist sich als eine für die Ordnungskräfte. Kogai war seinen Häschern wieder den entscheidenden Schritt voraus und vereinnahmt seine Gegner als Kunstwerke.
"Warten auf Kogai" zählt unzweifelhaft zu den Highlights der vorliegenden NOVA-Ausgabe, auch wenn die Story in ihrer Konsequenz sicherlich nicht jedem gefallen wird. Die Umsetzung von Küpers Idee ist unzweifelhaft als gelungen zu betrachten.
"Krabbelwelt" von Klaus vor der Landwehr präsentiert dem Leser eine Welt, die von insektoiden Invasoren fast vollständig zerstört wurde. Die menschliche Zivilisation wurde zerstört und die Überlebenden leben auf einem vorindustriellem Niveau, das aber nur den Rahmen für die Handlung bildet. Im Mittelpunkt steht die eiserne Jungfer Johanna, bei der es sich um einen Robotertorso handelt, dem es gelingt, mit Hilfe zweier Menschen eine ansehnliche Anhängerschaft um sich zu scharen. Bis ein Bad in einem Fluss ihrem Sendungsbewusstsein ein jähes Ende setzt. Samuel und Koriander, ihre ersten Anhänger, schleppen sie auch weiterhin durch die Gegend, bis einer der Invasoren auf sie aufmerksam wird und das Ende der eisernen Jungfer einleitet.
Trotz ihrer Kürze wartet die Story mit einem ganz speziellen Humor auf, der vor allem in den grotesk anmutenden Situationen zu finden ist. Die Hintergründe der Invasion u. ä. spielen überhaupt keine Rolle, sondern dienen lediglich als Bühne für die Inszenierung der Auferstehung der eisernen Jungfer. Aufgrund dessen hebt sie sich von den anderen Stories auch ab.
"Tod am Donnerstag" von Holger Eckhardt verfügt ebenso über einen ganz eigenen Humor, der allerdings nicht während der Story vorzufinden ist, sondern ganz am Ende seiner kurzen Geschichte. Dabei bietet er seinen Lesern ein Ende, welches so lediglich aus dem Vorwort zu erahnen gewesen wäre, in der Story an sich aber nicht. In Eckhardts Zukunft fand ebenfalls eine Invasion statt, und die Menschen verloren die Führung auf ihren Planeten. Sie ergötzen sich u.a. an Stierkämpfen, die allerdings unter ganz anderen Voraussetzungen durchgeführt werden, als dies heute der Fall ist. Die Stiere verfügen dank einer Vielzahl von Regenerationen über einen umfangreichen Erfahrungsschatz und sind dem Torero sogar überlegen. Der Stier verfügt aber noch über den Stolz seiner Vorfahren, und nicht jeder Torero erweist sich seiner würdig.
Vom Aufbau her greift Eckhardt auf bekannte Mittel zurück. Die schriftstellerische Ausarbeitung seiner Idee und seiner Welt ist gelungen und genau auf dem Punkt gebracht.
Der Titel von Wolf Wellings Beitrag "Nowhere Man" stammt vom gleichnamigen Song der Beatles und passt haargenau zum Inhalt seiner Kurzgeschichte. Der Protagonist wechselt zwischen einem Zustand, in dem er nicht beschreiben kann, wo er sich befindet und wie er dorthin gelangt ist, und Einsprengseln, die an Computerspiele erinnern, in denen er eine der handelnden Figuren darstellt. Erst nach und nach erschließt sich dem Leser, in welchem Zustand sich der Protagonist befindet und wie beide Teile zusammengehören. Wolf Wellings Protagonist befindet sich in einer virtuellen Realität; herausgelöst aus seinem sterblichen Körper, kann er hier weiter existieren. Keine ganz neue Idee fürwahr, aber in der Ausführung und vor allem vom Aufbau her doch lesenswert.