Serie / Zyklus: nova SF Magazin - Das deutsche Magazin für Science Fiction und Spekulation, Band 6 Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Anfang November hat der diesjährige Endspurt für NOVA mit dem Erscheinen der sechsten Ausgabe des "deutschen Magazins für Science Fiction & Spekulationen" begonnen, denn die siebte Ausgabe soll noch vor dem Jahreswechsel ausgeliefert werden. Die vorliegende Ausgabe bietet neben sieben Kurzgeschichten deutschsprachiger Autoren auch wieder eine Gaststory. Diese stammt von dem israelischen Autor Guy Hasson, der auch in einem kurzen, lebendigen Beitrag auf die SF-Szene seines Landes eingeht.
Die Herausgeber von NOVA beschreiten ihren Versuch der Vernetzung der lokalen SF-Szenen weltweit fort, um so ein Gegengewicht zu der angloamerikanischen SF-Szene zu etablieren. Im Frühjahr 2005 soll dann mit der ersten Ausgabe von InterNOVA, eine internationale Plattform Autoren aus Ländern wie Israel, Italien, Großbritanien, Kroatien an den Start gehen.
Wenden wir uns aber der vorliegenden Kurzgeschichten zu.
"Ein Abschiedsgeschenk von der Erde" von Jan Gardemann beleuchtet die Kolonialisierung des ersten Planeten. Ohne technische Hilfsmittel wurden die Menschen auf dem erdähnlichen Planeten Health ausgesetzt. Ihre einzige Verbindung ist der sog. "Leuchtturm", der ein Funkfeuer enthält und gleichzeitig auch wie ein Leuchtturm des nachts einen Lichtstrahl über die erste Kolonie streifen läst. Kurz nach dem Aufbruch des Raumschiffs zurück zur Erde fällt der Lichtstrahl aus. Aber die Menschen auf Health haben nicht nur ein Symbol verloren, sondern noch weitaus mehr, denn die gesamte technische Ausstattung des Leuchtturms wurde demontiert. Weitaus unglaubwürdiger erscheint hingegen jedoch, dass die menschliche Zivilisation auf der Erde kurz nach ihrem Aufbruch durch ein Meteroitenfeld vernichtet wurden und sie nun quasi völlig allein auf sich gestellt sind.
Die Kurzgeschichte wird zu Beginn wirklich packend erzählt. Per Beekam, der als erster das Fehlen des Lichtstrahls bemerkt und zum Leuchtturm eilt, erfährt dort nach und nach die gesamten Hintergründe und stellt sich letztlich als jemand heraus, der in der Verzweiflung seiner Mitmenschen Stärke beweist. Gardemann gelingt es mit wenigen Sätzen lebendige Figuren und Szenen zu entwerfen. Erst zum Ende hin, als er ein wenig mehr Hintergründe bringt und die gesamte Geschichte auflöst, verflacht dies. Vielleicht hätte die Story auch gewirkt, wenn nicht alles erklärt worden wäre, sondern die Kolonisten einfach im Ungewissen geblieben wären. Dennoch eine wirklich lesenswerte Kurzgeschichte.
"Gröschifüaz, ein Sommernachtstraum" von Holger Eckhardt ist ein übeaus kurzer Beitrag, der einem zum Schmunzeln anregt. In seinen Träumen erobert Erich Honecker mit der "Leni Riefenstahl" die Hakenkreuzgalaxis. Ein wildes Sammelsurium von Szenen aus Spielfilmen und Fernsehserien raubt dem alten Mann seinen Schlaf.
Einer der gelungensten Beiträge stammt von Marc-Ivo Schubert. In "Vollbackup" ist es Dr. Ackermann gelungen Backups von Bewusstseinen zu speichern. Sollte man sterben, so kann das Bewusstseinsbackup in einem anderen Körper aufgespielt werden. Der Tod hat seine Macht verloren. Interessant ist dieses Verfahren natürlich auch für die Geheimdienste, können sie so doch immer wieder auf die Erfahrungen und Wissen ihrer im Einsatz getöteten Agenten zurückgreifen. Da zudem eine Sicherung in ihrem Bewußtsein eingebaut wurde, mittels der sie völlig beherrscht werden, scheint diese Methode perfekt zu funktionieren.
Einer von ihnen kehrt zu Beginn der Story in einem neuen Körper zurück und will nun wissen, worin sein letzter Auftrag, bei dem er zu Tode gekommen ist, bestand. Bei ihm rastet die Sicherung nicht ein und so konzentriert er sich nicht auf seinen neuen Auftrag, sondern auf seinen letzten Tod. Es entwickelt sich eine spannende Handlung mit einigen Wendungen und am Ende bietet der Autor eine überraschende Lösung an. Vor allem die gut ausgearbeiteten Charaktäre und die stringent formulierte Handlung hinterlassen einen starken Eindruck.
Was mir an "Hippokratisches Gleichnis" von Thomas Wawerka am besten gefallen hat, sind die Andeutungen mit die der Autor arbeitet. Dem Leser erschließen sich nicht gleich alle Zusammenhänge bzw. einiges muss er sich selbst zusammenreimen. Wobei die Idee der Story gar nicht einmal neu ist. Der Astronaut Cameo kehrt nach einer erfolgreichen Rettungsmission als Held vom Mars zurück, ist aber selbst verstümmelt worden und kann sich kaum an etwas erinnern. Völlig verwirrt wird er mit Geschehnissen konfrontiert, die er begangen haben soll, an die er sich aber gar nicht erinnern kann. Die Stärke der Story liegt in ihrer Ausarbeitung und vor allem in der Sprache. Dem Autor ist es gelungen die Zerissenheit nicht nur durch die Handlung zu beschreiben, sondern auch sprachlich umzusetzen. Für mich der stärkste Beitrag in dieser Ausgabe.
Was wäre, wenn man einfach Bezeichnungen und Namen nicht mehr voll ausspricht, sondern diese meidet? Wenn man die Sprache reduziert auf Abkürzungen bis hin zu Anfangsbuchstaben? In "Fremde Lebensform hinter Glas" beantwortet Robert Kerber diese Fragen mit dem Verschwinden derselbigen. Orte und Personen verschwinden aus der Wahrnehmung der handelnden Personen. Die Realität scheint sich immer mehr aufzulösen und zu verschwimmen. Eine Gruppe von Computerlinguisten setzt eine Veränderung in Gang, die nicht mehr aufzuhalten scheint, sondern selbständig fortschreitet.
Die Idee einer Realitätsauflösung gehört zum Standardrepetoire der SF und wird von Robert Kerber erfrischend formuliert umgesetzt. Vor allem die dargestellte Gruppendynamik der Forschergruppe weis aufgrund ihrer Konventionslosigkeit zu gefallen. Gemindert wird der gute Gesamteindruck der Story durch die teilweise inahltlich etwas schwammigen Dialoge.
Michael K. Iwoleit, diesjähriger Preisträger des DSFP im Bereich Kurzgeschichte, präsentiert seinen Lesern in "Die letzten Tage der Ewigkeit" eine Geschichte, die mehr beinhaltet wie nur eine Zeitreisestory. Christopher und Boyd sind zwei überaus erfolgreiche Absolventen der International Space Administration. Während Christopher sich auf seine Karriere als Weltraumpilot konzentriert, wird aus Boyd ein anerkannter Wissenschaftler, der sich als Lebensziel die überlichtschnelle Raumfahrt zu ermöglichen gesetzt hat. Boyd gelingt es auch die theoretischen Grundlagen für solch einen Antrieb in Grundzügen zu erstellen und erkennt dabei, dass bei der Rückkehr eines entsprechend ausgestatteten Raumschiffes eine Versetzung in die Vergangenheit stattfindet. So macht er auch den Piloten des Jungfernfluges aus und ist wenig überrascht als er einen total verwirrten Christopher vorfindet. Zumal dieser ihm berichtet, dass er die Zukunft der Menschheit erdacht und so zu eine Art "Gott" geworden ist. Boyd bleibt skeptisch bis er im Verlaufe der Jahre erkennt, dass hinter dem Gefasel seines alten Freundes durchaus etwas wahres stecken könnte.
Angereichert ist die Story noch mit einer Liebesgeschichte, die nicht unbedingt hätte mit eingebaut werden müssen, da sie für die zentrale Aussage nicht von großer Bedeutung ist. Boyds Verhalten seinem alten Freund gegenüber hätte der Autor auch weniger wortreich in Szene setzen können.
Mit "Die letzten Tage der Ewigkeit" steuert Michael K. Iwoleit dennoch einen der lesenswertesten Beiträge dieser Ausgabe bei.
Bei "Die Unsterblichen sind traumlos" von Ernst Vlcek handelt es sich um die Neubearbeitung einer Kurzgeschichte, die bereits 1962 in dem Fanzine Pioneer erschien.
Die Menschheit hat die Unsterblichkeit erlangt, dafür aber das Träumen verloren. Jeder Mensch verfügt über einen Schatten, der als nebulöse Wolke daherkommt und als enger Freund fungiert. Über die unsterbliche Menschheit wacht das Orakel, welches den Menschen genaue Anweisungen gibt. Konkret sollen sie einen "Träumer" bauen, damit sie wieder zu träumen in der Lage sind.
Da die meisten Leser die Originalfassung der Story nicht kennen, ist ein Vergleich zwischen beiden Versionen für sie nicht möglich. Wahrscheinlich dürfte solch einer auch kaum von Interesse sein, denn Vleck legt mit seinem Beitrag einen der schwächeren dieser Ausgabe vor. Der Story fehlt der erzählerische Drive und die notwendige Spannung, um den Leser fesseln zu können. Zudem ist der Thematik die 40 Jahre anzumerken.
Abgerundet wird diese Ausgabe neben den oben bereits erwähnten Beiträgen von Guy Hasson durch einen Nachruf auf Thomas Ziegler, die Bekanntgabe der Nominierungen für den Little Green Men Award 2004 und einer ausführlichen Betrachtung von Dan Simmons Meisterwerk "Hyperion" durch Marcus Gebelein, die wirklich lesenswert ist.
Bestellmöglichkeit und Infos unter: www.nova-sf.de
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