Serie / Zyklus: nova SF Magazin - Das deutsche Magazin für Science Fiction und Spekulation, Band 4 Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Gleich zu Beginn des neuen Jahres erschien die wie angekündigt die vierte Ausgabe des deutschen Magazins für Science Fiction und Spekulation. Auf insgsamt 180 Seiten findet sich wieder die bekannte Mischung aus Kurzgeschichten, einer Novelle und Artikeln.
Einen aus meiner Sicht wirklich guten Einstieg wird dem Leser von Holger Eckhardt geboten, der sich ein paar Ratschläge für schlechte SF-Schriftsteller parat hat und auch ein wenig die oftmals gleichlautenten und oberflächlichen Meinungsäußerungen von SF-Lesern über ihren zuletzt gelesenen SF-Roman kritisiert. Gast-Editorials von solchem Inhalt können gerne weiterhin erscheinen.
Den Autorenreigen eröffnet Arno Behrend, der bereits zum dritten Mal mit einer Kurzgeschichten in NOVA vertreten ist. Seine Story trägt den Titel "Der Zukunftsmacher" und beleuchtet die Auswirkungen von Manipulationen an längst vergangenen Geschehnissen. Diese Manipulationen werden ausgerechnet auf den 13. Dortmunder Star Dream Convention, die im Hohenberg City Center stattfinden, durchgeführt (na, kommen diese Namen einem nicht bekannt vor?). Amüsant variiert Arno Behrendt die Namen bekannter SF-Fans und nimmt das Genre ein wenig aufs Korn. Da dies nicht in einer übertrieben wirkenden Art und Weise geschieht und er sich zudem auf seine Story konzentriert, gleitet diese nicht ins lächerliche ab. Die Idee mit den andauernden Rücksprüngen in die Vergangenheit, um ständig irgendeine Kleinigkeit zu verändern, da die letzte Veränderung nicht zum gewünschten Ergebnis führte, ist nicht neu. Arno Behrend hat ihr aber einen Rahmen gegeben, der einem schmunzeln läst.
Michael Marcus Thurner ist mittlerweile im Heftchenbereich kein Unbekannter mehr. Hier schreibt er vor allem an der Serie Bad Earth mit und gab im letzten Jahr ein Gastspiel in der Atlan-Miniserie. In "Sprung 69" setzt er eine Idee um, die mir zumindest noch neu war. Das Raumschiff der Commandeuse Florquin wird mittels eines Orgasmodrom vorangetrieben. Je größer die sexuelle Befriedigung desto weiter erfolgt der nächste Sprung durch den Überraum. Um die Commandeuse immer wieder zu Höchstleistungen anzutreiben, werden von der Mannschaft ständig neue Winkelzüge erdacht. Mit dieser Story trifft Thurner auf jeden Fall den Geschmack der Herausgeber, denn diese halten erotische SF für ein zu Unrecht vernachlässigtes Feld. Vom Stil her solide ausgeführt wird das schriftstellerische Durchschnittsniveau der bisher in nova veröffentlichten Beiträge erreicht.
Thorsten Küper konfrontiert seine Leser in "Projekt 38, oder das Spiel der kleinen Ursachen" mit dem Vermächtnis eines überaus erfolgreichen Hackers. Eines Hackers, der völlig abgeschieden von der Gesellschaft sein Leben allein mit Computer verbrachte, immer auf der Suche nach dem neuesten und besten hack. Nun präsentiert er einem potentiellen Nachfolger seine Lebensgeschichte und bietet ihm sein gesamtes Wissen an. Die Entscheidung seines Nachfolgers überrascht den Leser nicht, hingegen ist die Lebensgeschichte mit real wirkenden Ereignissen verwoben. Der Tote war ein Meister seines Faches und ein Meister in der Erschaffung von computergenerierten Illusionen, denn Informationen bestehen heutzutage fast nur noch aus Bits und Bytes und sind dementsprechend leicht veränderbar. Diese Story hätte auch in der Computerzeitschrift c't stehen können.
"Das Schicksal der TITAN SURVEYOR" von Martin Schemm spielt am Rande unseres Sonnensystems. Die Mannschaft der HUYGEN soll das Verschwinden eines Forschungskreuzers auf Titan klären. Die Suche nach dem Forschungskreuzer und seiner Mannschaft ist schnell abgehandelt und die Suche nach den Hintergründen ihres Todes wird in den Vordergrund gerückt. Verantwortlich hierfür ist schließlich eine bislang völlig unbekannte Lebensform, die auch für die HUYGEN eine Bedrohung darstellt. Von der Idee her bietet die Story nichts wesentlich neues. Über Leben auf Titan wird bereits seit Jahrzehnten philosophiert und auch die Lebensform ist für SF-Leser nicht fremdartig.
Mit knapp 60 Seiten beansprucht die Novelle "Ich fürchte kein Unglück" von Michael K. Iwoleit den größten Raum dieser Ausgabe. Aus meiner Sicht ist sie gleichzeitig der schriftstellerisch beste Beitrag in nova 4. Im Zentrum steht die Lebensgeschichte eines Mannes, der getrieben wird von der Wiedergutmachung eines Fehlers, den er als kleiner Junge gemacht hat. Eines Fehlers, der den Tod seines Vaters herbeiführte für den er sich verantwortlich hält. Fast schon mit krankhaftem Eifer versucht er das Lebenswerk seines Vaters wieder herzustellen, welches auf einem Computer gespeichert war, dessen Verzeichnisse er komplett löschte. Schritt für Schritt entwickelt der Autor die Lebensgeschichte seiner Figur und zeichnet anhand dessen das mögliche Fortschreiten der technischen Entwicklung auf. Auch hier steht die Computertechnologie im Vordergrund, die sich in dieser Novelle rasant fortentwickelt, bis hin zu den ersten Ansätzen eines selbst lernenden Systems. Welche Auswirkungen seine Arbeit und sein Streben nach Vollendung der wissenschaftlichen Arbeiten seines Vaters hat, wird erst am Ende der Novelle offenbar. Dann wird ihm auch bewußt, dass sein Streben nach Wissen nicht alles sein kann im Leben eines Menschen. Ein Leben, welches schneller ein Ende finden kann, als einem selbst bewußt ist.
Bei der Lektüre der Novelle von Michael K. Iwoleit fällt einem als Leser die erzählerische Dichte auf und die Reife seines Stils im Vergleich zu den anderen Autoren, die durchweg noch nicht über solch eine schriftstellerische Erfahrung verfügen. Ohne dies nun im einzelnen nachprüfen zu können, ist die Handlung stimmig aufgebaut, auch von den wissenschaftlichen Hintergründen, die nicht völlig abwegig erscheinen. Für mich mit Abstand der stärkste Beitrag in nova 4.
Gleichzeitig gilt, was ich bereits über die Kurzgeschichten aus nova 3 gesagt habe, der selbst gewählte Anspruch an das schriftstellerische Niveau wird wieder einmal gehalten. Keine Story hat mir vom Stil her schlecht gefallen, lediglich die Ideen waren mir mal mehr, mal weniger bekannt.
Abgerundet wird diese Ausgabe mit einem Interview mit Pat Cadigan und einem Artikel von Greg Egan zur australischen SF aus dem Jahre 1995, die ich beide mit Interesse gelesen habe.
nova SF Magazin - Übersicht