Serie / Zyklus: nova SF Magazin - Das deutsche Magazin für Science Fiction und Spekulation, Band 2 Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Ein wenig verspätet erschien im April diesen Jahres die zweite Ausgabe von nova, dem von Ronald M. Hahn, Michael K. Iwoleit und Helmuth W. Mommers herausgegebenen Magazin für Science Fiction & Spekulation. Um Beiträge mit aktuellen Bezügen zur politischen und gesellschaftlichen Lage einzubauen, entschloss man sich zu diesem Vorgehen.
Mit nova scheinen die drei Herausgeber ein Magazin aus der Taufe gehoben zu haben, welches sich zum "richtigen Projekt zur richtigen Zeit" entwickelt. Die Nominierungen in den verschiedenen Sparten (vor allem natürlich in der Sparte "Kurzgeschichte") der drei großen Phantastikpreise bereits nach nova 1 zeigt dies deutlich. So stehen auch diesmal die Kurzgeschichten im Vordergrund meiner Besprechung, stellen sie doch nicht nur vom Umfang her den wichtigsten Teil des Magazins dar.
Die Ausgabe 2 bietet acht Stories deutschsprachiger Autoren und eine Gaststory von Brian W. Aldiss, auf die ich nicht näher eingehen möchte. Hierbei handelt es sich um die in einer Neuübersetzung vorliegenden Story "Galaxies Like Grains of Sand" aus dem Jahre 1960.
Die erste Story stammt von Holger Eckhardt. In "Mord an Bord" geschieht an Bord des Touristenraumers Fox 'd' Azimov ein vermeintlicher Mord, der von dem zufällig an Bord befindlichen Eurodetektiv Jeczek aufgeklärt wird. Die Story besticht durch einen hintergründigen Humor und eine Auflösung, die ziemlich banal ist und mir gerade dadurch gefallen hat. Von einem Mord kann wirklich nicht die Rede sein, vielmehr sind es die Umstände des verspäteten Eintreffens von Jeczeks Kollegen, die zum Tod des Raumschiffkapitäns führen. Ein lesenswerter Beitrag.
Andreas Gruber kommt mit "Sieben Ampullen" schon wesentlich ernster daher. Der aus dem Iran stammende Doktor Kamal Ahmed, der in Deutschland ein unauffälliges Leben als Kinderarzt führte, wird mit einem Male zum Mörder an seiner Familie. Der Leser vermutet einen anderen Hintergrund als die ermittelnden Polizeibehörden, die in dem Doktor einen gefährlichen Geistesgestörten vermuten und deren Gedankengänge aufgrund seiner Nationalität natürlich in Richtung islamischer Terrorist gehen. Die Brutalität der Vorgehensweise Ahmeds passt zudem nicht zu seinem Leben als Kinderarzt und tragen zur Verwirrung der Einsatzkräfte und auch der Leser bei. Am Ende wird dann deutlich, warum Ahmed so brutal und kompromisslos handelt. Dabei ist die Erklärung des ganzen wirklich nicht neu, sondern der Autor greift tief in die Kiste bekannter SF-Elemente. Der Handlungsverlauf dagegen orientiert sich an die momentane politische und gesellschaftliche Lage. Andres Grubers Verdienst ist es, dass er diese für seine konventionell endende SF-Story nutzt.
In "Mondsilber" von Klaus von der Landwehr gelingt es einen Versicherungsvertreter, der eigentlich einen avisierten Überfall eines Silbertransport verhindern soll, eben solchen erfolgreich auszuführen. Die kurze Story ist gespickt mit Anspielungen auf Münchhausens Erzählung über den Ritt auf einer Kanonenkugel, wodurch sie durchaus positiv bereichert wird. Die eigentliche Handlung ist nicht besonders originell, aber die Ausführung mit den "kleinen Dreh ins Ironische und Ungewöhnliche" lässt sie dann doch lesenswert werden.
"Stirbt K.?" von Sven Klöpping verbindet dann die aktuelle Terroristenthematik mit einer SF-Story, wobei die Handlung durchaus konventionell ist. Aus dem Thriller-Genre sind solche hinlänglich bekannt. Ein altgedienter Terrorist, der Topspezialist seines Fachs, erkennt mehr und mehr, dass er am Ende seines Weges als steht. Er, dem man die schwierigsten Fälle überträgt und der immer mit Leidenschaft dabei gewesen ist, wird von einer Müdigkeit gepackt, die letztlich das Ende seiner Laufbahn bedeutet. Dieses kommt dann viel schneller als erwartet in Gestalt einer alten Gefährtin, die den Auftrag angenommen hat, ihm aus dem Weg zu räumen. Eine gut verfasste Story verbunden mit einem aktuellen politischen Bezug, macht in meinen Augen noch keine sehr gute Story aus. Die Thematik ist einfach zu konventionell dargestellt und bereits zu oft kopiert worden.
Eine Kurzstory von noch nicht einmal drei Seiten steuert Marc-Ivo Schubert mit "Der Fremde" bei. Ein Fremder, der auf der Reise zu einer längst verlassenen Stadt ist, kommt eines Tages durch ein Dorf, wird von den katzenartigen Bewohnern respektvoll aufgenommen und aufgrund zurückgelassener Statuen als einer der längst verschollen geglaubten Menschen erkannt. Zwar gut erzählt, aber von der Handlung her wenig neues.
Mit "Immer wieder Sonntag" bringt sich Helmuth W. Mommers mit einer Story über SF-Reisende ein. Eine junge Familie wird eines Sonntags von einer Gruppe Zeitreisetouristen beim morgendlichen Sex erwischt. Die Abschirmung dieser Gruppe scheint beschädigt zu sein und obwohl diese dies nicht bemerken, kann die Familie jedes ihrer Worte verstehen. Als diese dann auch noch eine interaktive Datenbank mit dem gesamten menschlichen Wissen in Gestalt einer Puppe zurücklassen, die Familie die Börsenkurse der nächsten Tage abfragt und ausnutzt, geraten die drei in eine Zeitschleife, die der Story den Titel verleiht.
Die Handlung an sich steht aus meiner Sicht nicht im Vordergrund, sondern der Autor benutzt den Plot lediglich um darzustellen, wie in Zukunft die Menschen zu Sex, Essen und anderen menschlichen Verrichtungen stehen. Diese Thematik zieht sich bekanntlich durch seine aktuell veröffentlichten Stories und bietet ein großes Experimentierfeld, denn die Möglichkeiten zukünftiger gesellschaftlicher Entwicklungen scheinen unüberschaubar zu sein. Gerade wenn man die technische Entwicklungsgeschwindigkeit mit berücksichtigt.
"Hayun" von Thorsten Küper stellt für mich den besten Beitrag in nova 2 dar. Ein überaus fähiger Reporter berichtet an Bord einer aufgegebenen Ölplattform von einer Sekte, deren erklärtes Ziel es ist einen Übermenschen zu züchten. Jenseits von staatlicher Bevormundung, mitten auf hoher See scheinen sie diesem Ziel nahe gekommen zu sein. Wobei die Story keineswegs ruhig verläuft, denn der Reporter findet sich gleich zu Beginn der Story mitten in einer Sabotageaktion wieder. Dank seiner technischen Ausrüstung, die wesentlich kleiner ist, als die heutige, kann er live auf Sendung gehen und direkt via Satellit von dem Geschehen berichten. Es stellt sich aber heraus, dass sein Sendeleiter gar nicht an Live-Bildern interessiert ist, sondern dass dieser für die Sabotage verantwortlich ist. Es wurde nämlich die größte Liveberichterstattung des Fernsehens vorbereitet. Jedes der Sektenmitglieder und selbst der Reporter verfügt über Netzhautcams, die direkte Bilder liefern. Die Situation wird durch einen angeblich frei gesetzten Virus, gegen den ein Teil der Besatzung geimpft wurde, mit der notwendigen Brisanz versehen. Dieser Virus verändert in der zweiten Generation die menschlichen Erbgutinformationen, so dass noch niemand weiß, zu welchen Lebewesen sich die Nachkommen der Sektenmitglieder entwickeln. Die TV-Station hat in ein Langzeitexperiment investiert, welches garantierte Zuschauerzahlen für Jahrzehnte bedeutet.
Ein überaus perfider Plan nach den heutigen Moralvorstellungen. Aber Serien wie Big Brother, an die man sich als Zuschauer bereits gewöhnt hat, und andere Fernsehprojekte, die vor allem aus den Staaten zu uns rüberschwappen, können als Vorstufe zu dieser Idee bezeichnet werden. Thorsten Küper hat solche medialen Auswüchse einfach auf die nächste Stufe gestellt und dies in eine rasante Handlung gepackt. Für mich persönlich der diskussionsanregendste Beitrag dieser nova-Ausgabe.
Mit Hugh Walker verbinde ich immer Horror-Heftchen und so war ich doch ein wenig gespannt auf seinen Beitrag. Hinter "Die Wilden Leut" verbirgt sich dann die literarische Umsetzung eines alten Heimatmythos, den sogenannten Waldgeistern. Karl Weinmann meint zu träumen, als er bei einem Autounfall auf einer waldgesäumten Straße von dieser abkommt, in den Wald rauscht und dabei einer ätherisch wirkenden Gestalt begegnet. Sehr schnell stellt er fest, dass er bei seinem Unfall etwas aufgenommen hat, was eine nachhaltige Verwandlung in ihm auslöst. Leider klärt sich dann das ganze als in einer SF-Handlung auf, was aus meiner Sicht nicht notwendig gewesen wäre. Der Autor hätte seinen Lesern durchaus nicht dieses Ende anbieten brauchen, sondern ihn einfach ohne eine abschließende Erklärung alleine lassen können. Die Story hätte deshalb ebenso funktioniert.
Die beiden Artikel stammen diesmal von Holger Eckhardt (Grenzgänger zwischen magischem Realismus und SF - Ein Portrait des holländischen Schriftstellers Harry Mulisch) und von Klaus-Dieter Diedrich (Jihad, Fake, Realitäten - Eine kontroverse Auseinandersetzungmit Herberts Der Wüstenplanet).
Abschließend betrachtet bietet auch die zweite Ausgabe von nova einen abwechslungsreichen Einblick in die hiesige SF-Landschaft, wobei die Geschichten der ersten Ausgabe mir nachhaltiger in Erinnerung geblieben sind. Dennoch verdient nova weiterhin die Aufmerksamkeit der hiesigen SF-Szene, stellt es doch eines der wenigen professionell aufgemachten und verlegten Storymagazine hierzulande dar.
nova SF Magazin Band 2 - Rezension von Erik Schreiber
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