| Serie: ~ Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Ich traf Jenny-Mai Nuyen 2005 auf der Frankfurter Buchmesse und konnte ein langes und ausführliches Interview führen. Damals erschien gerade ihr erstes Buch, Nijura - Das Erbe der Elfenkrone. Schon im Gespräch mit ihr bewunderte ich ihren Einfallsreichtum. Sie erzählte damals nicht viel über ihr neues Projekt, sondern vor allem über ihr erstes Buch. Betrachte ich nun ihr neuestes Buch, bin ich nicht überrascht, wieder etwas ganz Neues von ihr zu lesen. Neu in der Hinsicht, dass sie ein paar Ideen aufgreift, die nicht üblich sind. Sie folgt mit ihrer Hauptperson Apolonia nicht den ausgetretenen Pfaden der Phantastik. Ich denke, manch einer wird das Buch deswegen nicht Fantasy nennen, weil keine Elfen und Zwerge und übliche Wesen darin auftauchen. Mir macht das nichts aus. Die Farben der Phantasie sind so vielseitig wie ihre Mischungsverhältnisse.
Apolonia ist ein wenig hochnäsig, hält sich für etwas Besseres, was sich im Umgang mit anderen sehr deutlich zeigt. Ihr gelingt es, mit gedachten Bildern sich Tieren verständlich zu machen. Immerhin verstehen die Tiere, was der Mensch von ihr will. Damit gehört Apolonia zu einer Gruppe von Menschen mit spezieller Gabe. Nach dem Tod ihrer Mutter und mit einem gebrochenen Vater, der dem Wahnsinn anheimfällt, wird sie von ihrer Tante aufgezogen und behütet. Allerdings erhält sie Kontakt zu den Motten. Diese Menschen sind alle mit besonderen Gaben gesegnet oder gestraft, je nach Sichtweise. Zudem spaltet sich die Gruppe in die sogenannten Dichter und die TBK, was Treuer Bund der Kräfte bedeutet. Die Dichter und der Bund führen einen Machtkampf gegeneinander, weil jeder für sich die Macht über die normalen Menschen erhalten will. Es dauert nicht lange, bis Apolonia der Überzeugung ist, dass eine der beiden Gruppen für den Tod ihrer Mutter und den Wahn ihres Vaters verantwortlich ist. Beide Gruppen leugnen standhaft irgendeine Beteiligung, und so bleibt Apolonia weiterhin hin und her gerissen, ohne sich fest entscheiden zu können, welcher Gruppe sie angehören will. Beide Gegner sind an Apolonia interssiert, da eine alte Prophezeiung besagt, ein Mädchen gleichen Namens werde die Herrschaft der Nocturna beenden. Und die Gruppe, der sich Apolonia zuwendet, würde sehr viel Macht gewinnen.
Die Nocturna herrschen schon seit langer Zeit über die Stadt. Die Mitglieder der Nocturna sind eine geheimnisvolle Gemeinschaft mit einer grausamen, unmenschlichen Gabe. Sie rauben den Menschen ihre Vergangenheit, indem sie deren Erinnerungen niederschreiben und daraus wunderbare Bücher schaffen. Die Menschen, deren Vergangenheit sie stahlen, bleiben als unsterbliche und nicht alternde Menschen zurück. Einer dieser Menschen ist Marinus, auf der Suche nach seiner Geschichte. Dabei trifft er auf den Ganoven Tigwid und Apolonia. Die drei werden sehr bald in den Machtkampf hineingezogen, den die Nocturna unter sich austragen.
Jenny-Mai Nuyen hat mit dem vorliegenden Buch eine wunderbare Idee umgesetzt. Dennoch bin ich der Meinung, dass sie noch ein bisschen mehr daraus hätte machen können. Die Übergänge sind manchmal ein wenig lang, wenn sie die Kapitel wechselt. Das Buch selbst überzeugt durch den geprägten Schutzumschlag und die zweifarbige Schrift. Besondere Textstellen wurden deutlich mit Rot hervorgehoben. Leider gibt es eine kleine Schwäche im Mittelteil, als sich die junge Frau einer der Gruppen zugehörig fühlt und all ihr Gerechtigkeitsgefühl über den Haufen wirft. Sonst bedenkenlos zu empfehlen.