Serie/Zyklus: ~ Eine Buchbesprechung von Ulrich Blode |
Ende des 21. Jahrhunderts hat sich das Antlitz der Erde gewandelt: Der Meeresspiegel ist seit Jahrzehnten gestiegen und Sturmfluten haben bis auf die höchsten Ebenen und Berge alles unter Wasser begraben. Auch die kleine Insel Wing im Nordatlantik wird bald verschwunden sein. Doch ihre Bewohner leben in den Tag hinein und wollen nicht wegziehen. Nur der alte Tain warnt davor, dass das Meer auch Wing verschlingen wird. Alle anderen meinen, dass es nicht soweit kommen wird. Das kleine Mädchen Mara surft derweilen in den Überresten des Internets, wo sie eines Tages Hinweise auf die Fluchtstädte der Menschheit findet. In den letzten Jahren der alten Zivilisation sollen diese futuristischen Städte geplant und gebaut worden sein, sie stehen auf gigantischen Pfeilern umgeben vom Meer. Als ein erneuter Sturm viele Häuser zerstört, können Tain und Mara die anderen Dorfbewohner überzeugen, nach New Mundo zu ziehen, der Stadt, die am nächsten liegen soll.
Tatsächlich gibt es New Mundo und die Flüchtlinge erreichen es. Doch die Hoffnung auf Rettung zerschlägt sich sofort. Die Stadt ist von einer hohen Mauer umgeben und davor lagern auf Booten viel zu viele Flüchtlinge, die um Aufnahme ersuchen. Ab und zu kommen Versorgungsschiffe aus der Stadt, aber vor allem Polizeischiffe, die alle Neuankömmlinge mehr als unfreundlich empfangen. Die Bevölkerung der Stadt ahnt nichts von den Flüchtlingen und lebt recht angenehm. Was ein Großteil nicht weiß: Gekidnappte Flüchtlinge werden zu Sklavenarbeiten herangezogen.
In dem Flüchtlingslager herrschen Armut und Krankheit. Mara gelingt es, sich durch die Mauer in die Stadt einzuschmuggeln. Was sie erwartet, ist eine technologisch hohe Zivilisation, die zu den Sternen strebt und die alte Erde längst vergessen hat ...
Julie Bertagna hat sich ein aktuelles Umweltthema für ihren Roman vorgenommen und daraus ein düsteres Szenario entwickelt. Die Umweltsünden der Menschen sind auf die Verursacher zurückgefallen. Schwächen hat das Buch manchmal dadurch, dass die moralischen Ansprüche zu hoch gesetzt werden. Aber andererseits können diese angesichts des drohenden zivilisatorischen Untergangs und des menschlichen Gegeneinanders nicht hoch genug gesetzt werden. Bewegend sind die Ereignisse um die armseligen Verhältnisse im Flüchtlingslager und die hoffnungslose Stimmung, die sich verbreitet. In völligem Gegensatz dazu steht die Welt der Stadt New Mundo, einer Cyberwelt. Gleichzeitig mit dem Wechsel des Handlungsortes nach New Mundo verliert die Geschichte an Tempo, aber Bertagna gelingt es, den Spannungsbogen zu Ende zu bringen. New Mundo. Stadt der neuen Welt ist ein gutes Buch geworden.