Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Vor langer Zeit erschütterte der Rußkrieg die Wälder der Elben, sie kämpften gegen ein riesiges Heer der Scibian und Tenebor. In ihrer Not wandte sich der Elbe Samander an das Volk der Drachen und bat sie um ihre Hilfe. Die riesigen Echsen besiegten auch mit der Zeit das feindliche Heer, jedoch - so sagt die Legende - spalteten sich die Drachen in zwei Parteien und bekämpften sich gegenseitig. Darunter litten nicht nur die Wälder, sondern auch die Städte der Elben, die in den Flammen der Drachen aufgingen. Man beschloss, die Drachen in einen ewigen Schlaf zu schicken, und jagte einen nach dem anderen. Doch der letzte von ihnen schwor, dass sie demjenigen, der sie erweckte, 100 Jahre lang bedingungslos dienen würden.
In der Gegenwart, lange nach den Ereignissen des Rußkrieges, besteht die Gefahr wieder - vor den Toren der beiden Elbenreiche Nadali und Elodian steht ein großes Heer und sinnt auf Rache. Fieberhaft bereitet sich das Elbenvolk, das lange Jahre in Frieden gelebt und solch eine dramatische Wendung nicht erwartet hatte, auf die Verteidigung ihrer Städte vor. Am Rande des Waldes von Elodian lebt Eriphyl, ein junger Krieger, der jedoch seine Prüfungen noch nicht abgelegt hat. Er ist ein Außenseiter in seinem Dorf - nicht nur wegen seines andersartigen Aussehens durch die dunklen Haare, sondern auch durch seine Vorliebe zur Anwendung von Magie, was in den Augen der anderen verabscheuungswürdig ist. Als die Kriegsvorbereitungen ihren Höhepunkt erreichen, wird ein Orakel in Elodian abgehalten - zwei Krieger sollten ausgewählt werden, um dem Feind listig entgegenzutreten. Zur großer Überraschung wird neben dem jungen Flauto auch Eriphyl zum Auserwählten erkoren. Während Eriphyl durch seine lebenslange Erfahrung der Ablehung voller Mißtrauen und Selbstzweifel ist, begegnet Flauto der Welt mit Freundlichkeit und Friedfertigkeit. Gewalt und Kämpfe sind dem schön gewachsenen Elben sehr zuwider. Das ungleiche Paar, das sich sogleich bei der ersten Begegnung gegenseitig ablehnt, soll nun die Geschicke des Reiches in Händen halten und den Feind besiegen. Auf ihrer Reise durch die Wälder schließen sich ihnen die Kriegerin Lyan als auch der berühmte Krieger Gurmun an, um sie zu unterstützen. Was jedoch Flauto und Eriphyl nicht ahnen: Die anderen haben ihre eigenen Vorstellungen, wie dieses Abenteuer ablaufen soll ...
Die junge Autorin Iris Bitzigeio legt mit dem ersten von vier geplanten Bänden einer Fantasysaga einen Roman vor, der aus einer Vielzahl bekannter Versatzstücke anderer Fantasytexte besteht. Jedoch versteht sie es, dieses Netz aus bekannten Materalien und Hintergründen zu etwas Eigenem zu verweben und nicht den Eindruck zu erwecken, dass man den soundsovielten Roman mit derselben Thematik liest. Schwachpunkt Nummer eins in diesem Buch ist die Gestaltung der Charaktere. Niemals kommt eine stärkere Bindung zu einem der Handlungsträger auf, sodass deren Schicksal dem Leser ziemlich gleichgültig bleibt. Auch sind deren Entwicklungen nicht immer logisch und nachvollziehbar; so ist es etwas verwunderlich, wenn die Beziehung zwischen Eriphyl und Flauto schon in der ersten Nacht unter freiem Himmel von völliger Ablehnung in Sympathie umschlägt. Auch ist Eriphyls Persönlichkeitsbild, das grundsätzlich von Misstrauen geprägt ist, bei seiner Reaktion auf Lyan wohl außer Kraft gesetzt. Was Eriphyl nicht gelingen mag, scheint Lyan in ihrer Darstellung als perfekte Kriegerin immer zu schaffen. In diesen Dingen sollte Bitzigeio an ihren Handlungsträgern arbeiten und entweder eine durchgängige Charakterisierung anbieten oder wahlweise eine nachvollziehbare Persönlichkeitsentwicklung. Der Plot an sich ist nach einer gewissen Zeit voraussehbar, entäuscht aber nicht. Das Buch bleibt bis zur letzten Seite interessant und vor allem in der zweiten Häfte spannend, wobei es die Autorin dem Leser mit einer scheinbar künstlich verkomplizierten Sprache nicht immer einfach macht, einen schönen Lesefluss einzuhalten. Teilweise muss man sich etwas mühen. Den interessantesten Part in der Geschichte - den unter der Oberfläche brodelnden Rassismus gegenüber anders aussehenden Elben - hat Bitzigeio leider versäumt einzusetzen, das wäre sicherlich ein weiterer bemerkenswerter Aspekt. Vielleicht findet man das ja dann in den Folgebänden.
Unterm Strich ein durchaus gelungener Debütroman mit einer zwar hinlänglich bekannten Thematik, doch für Fantasyfreunde interessant zu lesen.