Serie/Zyklus: ~ |
Dem geneigten Leser deutschsprachiger Phantastik wird Markus K. Korb gewiss kein Unbekannter sein. In zahlreichen Anthologien wurden seine Werke abgedruckt, und inzwischen liegen auch einige Sammelbände seiner Erzählungen vor. „Nachts“ vereint 14 Kurzgeschichten des jungen Autors, der unter anderem Träger des Deutschen Phantastik Preises ist.
Auf knapp 200 Seiten entfaltet Korb wie ein Handlungsreisender dunkler Mächte seinen Musterkatalog. Die Bandbreite der Geschichten spannt sich dabei von nachgerade klassischen Geistergeschichten über dämonische Kreaturen bis hin zum Bösen, das im Menschen selbst steckt. Den 14 Kurzgeschichten folgt übrigens ein sehr interessantes Interview, das wenig überraschend die Vorbilder des deutschen Autors nennt: Poe und Lovecraft.
Dementsprechend anachronistisch wirkt Korbs Stil zuweilen, was manche Leser befremden oder gar verärgern mag, Bewunderer üppiger Sprachbilder und verschnörkelten Stils jedoch erfreuen wird. Für den sprachgewaltigen Stil verdient sich Korb höchstes Lob und die Bitte, mit diesem auch hinkünftig seine Geschichten zu verzieren.
Großgeschrieben wird in „Nachts“ auch die Vielfalt an Szenarien: Ob unheimliche Vorgänge in altehrwürdigen Herrenhäusern, Geisterschiffe oder grausige Mordserien - mangelnde Abwechslung an Schauplätzen oder Charakteren kann man Korb nicht vorwerfen. Ein ganz großes Manko überschattet jedoch diesen Kurzgeschichtenband. Es scheint mir, als feile Korb lieber am Stil oder recherchiere ausgiebig, denn dass er sich dessen entsinne, was das dunkle Herz der Phantastik ausmacht. Originelle, spannende Plots, die im günstigsten Falle sogar leichtes Gruseln auslösen. Vergebens hält der Horror-gestählte Leser Ausschau nach unverbrauchten Plotideen, verblüffenden Wendungen oder unter die Haut gehenden Charakterisierungen.
Der Nachgeschmack, den 13 der Geschichten hinterlassen, ist ein schaler: Flüssig zu lesen, stilistisch teilweise großartig - aber eine Stunde später weiß der Leser kaum noch, worum es in den Geschichten ging. Die große, rühmliche Ausnahe bildet „Joanna“: Düstere und dichte Atmosphäre, eine interessante Protagonistin und ein erfreulich kreativer Schluss. Diese eine Geschichte entschädigt für die nach einigen guten Geschichten schwache zweite Hälfte des Bands, dessen Tiefpunkte die vorhersehbaren und banalen Storys „Nachts im Schärengarten des Meeres“ sowie „Nachts im schwarzen Licht es kriechenden Mondes“ bilden.
Fazit: „Nachts“ ist zwar keine Offenbarung - vor allem für langjährige Leser von Dark-Fantasy-Geschichten -, für den kleinen Lesehunger zwischendurch sind Korbs geistige Ergüsse jedoch allemal geeignet und regen eingedenk der Schwächen den Appetit auf mehr an.