| Titel: Nachtlicht Autor: Jack Vance Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Die Assistenz-Professoren Hilyer und Altea Fath finden auf einer Expedition den jungen Jaro, der beinahe zu Tode geschlagen wird. Sie retten und adoptieren ihn, bringen ihn schließlich auf den Planeten Gallingale in die Stadt Thanet, wo er aufwächst. Sie selbst arbeiten dort am Thaneter Institut. Niemand weiß, wer Jaro wirklich ist und woher er kommt, da er sein Gedächtnis verloren hat. Es gibt nur schattenhafte Erinnerungen und eine unheimliche Stimme in seinem Kopf, die ihn später einmal dazu treiben soll, seine neue Heimat zu verlassen und auf die Suche nach seiner Vergangenheit zu gehen. Doch zuvor muss er sich zunächst einmal durch eine Gesellschaft kämpfen, in der er und seine "Eltern" auf der Außenseite stehen und für die Prestige wichtiger ist als der Mensch. Fast jeder Mensch ist Mitglied eines Clubs oder Vereins und trachtet danach, in der Hierarchie aufzusteigen - entweder im Club selbst, oder gar in den nächsthöheren Club aufgenommen zu werden. Abstammung, Manieren und Wohlstand, kurz Betragen genannt, können die Aufnahme in einen höherrangigen Club beeinflussen. Da die Faths es immer vorgezogen haben, ihre Energie den Studien zu widmen, gehören sie keinem einzigen Club an, sind also statuslose Nimps. Durch sein Außenseiterdasein hat Jaro es nicht einfach und arbeitet lieber auf dem Raumhafen, statt sich in Betragen und Höflichkeit zu schulen. Auf dem Raumhafen lernt er Tawn Maihac kennen, der der Zugang zu Jaros verschütteter Vergangenheit ist. Als er auf Camberwell von Hillyer und Altea gefunden wurde, stand er unter einem derart schweren Schock, dass er wohl gestorben wäre, hätten ihm nicht die Ärzte seine letzten sechs Jahre seiner Erinnerung geraubt.
Das auslösende Ereignis war, wie der Leser nach und nach erfährt, dass er seine Mutter auf ihren eigenen Wunsch mit einer Axt erschlug, um sie vor einer weiteren Folter durch einen gewissen Asrubel von Urd zu bewahren.
Das ganze Buch hindurch existiert keine durchgängige Geschichte, sondern es kommt immer wieder zu Brüchen, die kaum einen erkennbaren Sinn ergeben, sondern vielmehr den Eindruck entstehen lassen, dass der Autor auf einmal etwas ganz anderes vorhat. Immer wieder gibt es Episoden, die im Nichts enden bzw. sehr viel Luft um nichts machen. Da kommt es zu einer Ebene mit Personen, die lang und breit erklärt und aufgebaut und dann von einen Moment auf den anderen abserviert werden. Das führt dazu, dass der Leser sich ständig neu orientieren muss und sich nie richtig auf die Geschichte einlassen kann. Es gibt aber auch Ereignisse und Entwicklungen, die lange und umsichtig aufgebaut werden. Doch dann erreichen sie den Punkt, für den sie geschaffen wurden, und dann fallen sie einfach aus der Handlung heraus. Das wäre ja weiter kein Problem, wenn es sich dabei um nebensächliche Dinge oder unwichtige Nebencharaktere handelte, aber leider kommt dies auch beim Hauptcharakter vor. Das führt dann doch dazu, dass der Eindruck entsteht, der Autor habe sich hier nicht besonders intensiv um seine Geschichte gekümmert. Zudem sind einige ganz klare inhaltliche Fehler drin, die eigentlich vom Übersetzer oder spätestens vom Lektor hätten abgefangen werden müssen. Ich spreche hier jetzt nicht von Dingen, die mir einfach nicht gefallen haben, sondern wenn der Junge aus dem Krankenhaus entlassen wird und zwei Kapitel später von seinen Pflegeeltern in eben jenem besucht wird, dann steht hier keine Interpretation mehr zu Buche, sondern dann ist das einfach ein faktischer Fehler.
Wie schon angedeutet, sind die wichtigsten Charaktere wie die Handlung: sprunghaft und nicht selten kaum nachzuvollziehen. Mal davon abgesehen, dass sowieso nur zwei von ihnen eine wahrnehmbare Entwicklung durchmachen. Sie werden in die Handlung ein- und schnell wieder ausgeführt, allzu oft ohne einen besonderen Eindruck zu hinterlassen. Kaum haben sie ihre Funktion erfüllt, werden sie einfach fallengelassen - ohne ein Wort des Kommentars oder der Erklärung. Eines der wenigen Highlights, die dieser Roman dann doch irgendwo zu bieten hat, ist die Gesellschaft, in der er spielt. Sie ist mit allerletzter Konsequenz auf Prestige ausgerichtet. Die Hauptbeschäftigung der Menschen ist es, in die verschiedenen Clubs aufgenommen zu werden und damit das eigene Prestige zu erhöhen. In diesem System gibt es allerdings auch die "Nimps": Menschen, die nicht nach Prestige, sondern nach ihrer eigenen und individuellen Entfaltung streben. Zu jenen gehören auch Jaro und seine Pflegeeltern. Jaro befindet sich zudem oft im Konflikt mit Skirlet, die einem der höchsten Clubs angehört. Zwischen ihnen gibt es eine seltsame Anziehungskraft, und schnell wird klar, wohin dieses Spiel am Ende führen muss.
Wirr und durcheinander, das sind für mich die Wörter, die diesen Roman am besten beschreiben. Nur der Rahmen der Geschichte macht einigermaßen Spaß; die meisten Charaktere vermögen jedoch ebenso wenig zu begeistern wie der Rest der Handlung. Ich will nichts deuten, was ich nicht belegen kann. Trotzdem habe ich manchmal den Eindruck, Jack Vance schreibt einfach aus seinem Leben, verpackt seine Zeit an der Highschool in eine Science-Fiction-Geschichte, packt ein wenig elitäres Gehabe dazu und fertig ist die Erzählung. Und das obwohl gerade diese Erzählung so hoch gelobt wird. In den Niederlanden erschien dieses Buch in Welterstveröffentlichung, da er in Europa noch einen besseren Ruf genießt als zu Hause in den Vereinigten Staaten von Amerika. Vielleicht liegt es auch daran, dass Nachtlicht zu sehr anderen Romanen von Herrn Vance ähnelt. (Zum Beispiel Kaleidoskop der Welten).