Titel: Mutter Ozean, Tochter See Eine Besprechung / Rezension von Melanie |
Das Cover des Buches ist recht ungewöhnlich für einen Fantasy-Roman. Es zeigt eine junge Frau, die barfuß in der Brandung sitzt. In ihren Händen befinden sich ein Buch und ein nichtmenschlicher Schädel – vielleicht ein Drachenschädel? Ein, von der Brandung mal abgesehen, ziemlich ruhiges Cover.
Brierley Mefells gehört zum Sharia-Hexenclan. Ein Clan, der schon vor hunderten von Jahren ausgerottet wurde – zumindest der herrschenden Klasse nach. Alte Gesetzte bedrohen ihr Leben, den Angehörigen der Sharia droht der Tod, haben doch unzählige Schauermärchen ihr Volk in Verruf gebracht.
Trotz der Gefahr nutzt Brierley ihre Gabe, die ihr magisches Heilen ermöglicht, so oft sie kann. Als sie jedoch die Frau des in ihrem Gebiet herrschenden Fürsten und ihr noch ungeborenes Kind rettet gerät sie in Gefangenschaft. Und trotz des Zuspruches des Fürsten droht ihr nun ein Hexenprozess und anschließend der Scheiterhaufen. Die Entdeckung, die sie während ihrer Gefangenschaft macht, gibt ihr den Mut, sich all dem zu stellen – den jetzt hat ihr Volk eine Zukunft.
Diana Marcellas erzählt die Geschichte größtenteils aus Brierleys Sicht. So bekommt der Leser schnell einen Einblick in ihre Gedanken und Gefühle, über ihre Gabe und ihre Vergangenheit. Auch über die verschwunden Sharia erfährt man einiges, denn Brierley lebt in einem Zufluchtsort, den schon vor ihr einige Sharia genutzt haben – und dort ihr Wissen und ihre Gedanken in Form von Tagebüchern hinterlassen haben. Ihre zweite Gabe, das Gedankenlesen, offenbart aber auch mehr über die Menschen in ihrer Umgebung, sodass man als Leser einen wirklich guten Überblick bekommt.
Mit der Offenbarung ihrer Gabe am Fürstenhof bringt Brierley sich in höchste Gefahr, aber findet auch mächtige Beschützer – unter anderem den Fürsten selbst, die zweite Hauptperson der Geschichte. Brierleys Tat bringt ihn in einen Zwiespalt: Zwischen alten Gesetzen und dem Wissen über das, was Brierley ihm und den Menschen in seinem Fürstentum Gutes getan hat.
Ihre Freilassung liegt nicht in seiner Macht. Aber wie so viele, denen Brierley geholfen hat, kämpft auch er für ihr Leben.
Trotz Brierleys Gefangennahme und des drohenden Prozesses ist “Mutter Ozean, Tochter See” ein eher ruhiges Buch. Es sind die Gedanken und Gefühle der Hauptpersonen, die im Vordergrund stehen, und die Geheimnisse des Volkes der Sharia. Spannende oder spektakuläre Kämpfe gibt es keine, nur die Intrigen am Fürstenhof und die unschönen Seiten von Brierleys Gefangenschaft. Dennoch gibt es einiges zu entdecken: Zwei tiefschürfende Hauptperson, eine ziemlich gut ausgearbeitete Welt mit ihrer ganz eigenen Geschichte und eine neue Interpretation der altbekannten Hexenkräfte. Das alles liest sich dank des flüssigen Schreibstils in einem Rutsch – und zumindest ich habe beim Lesen nicht das Geringsten vermisst.
Damit ist “Mutter Ozean, Tochter See” ein Buch, das meiner Meinung nach zu Unrecht in der Versenkung verschwunden ist – und daher wohl auch die Folgebände nicht mehr übersetzt werden. Wenn man wie ich mehr über die Sharia – und über Brierleys weiteren Weg – erfahren möchte, muss man wohl oder übel auf die englische Ausgabe zurückgreifen.