Titel: The Moth Diaries - Die Sehnsucht der Falter Eine Rezension von Damaris Metzger |
Inhalt/Verlagsinfo
"Als ich das Tagebuch aufschlug, fand ich die Rasierklinge, die ich vor so langer Zeit zwischen die Seiten gelegt hatte." In Rebeccas Internat beginnt ein neues Schuljahr. Zunächst scheint alles wie immer zu sein, doch dann geschehen verstörende Dinge. Der Hund einer Lehrerin wird enthauptet aufgefunden. Eine Schülerin stürzt vom Dach in den Tod. Realität und Phantasie verschwimmen, und eine furchtbare Wahrheit kommt ans Licht – steht sie in Rebeccas Tagebuch? (Text- und Bildquelle: FJB)
Über die Autorin
Rachel Klein lebt mit ihrer Familie in Brooklyn. Sie veröffentlicht Erzählungen und Übersetzungen. Ihr Roman "The Moth Diaries: Die Sehnsucht der Falter" wurde in viele Sprachen übersetzt und mit Lily Cole und Sara Bolger verfilmt.
Rezension
Der erste Satz: Als Dr. Karl Wolff vorschlug, ich solle das Tagebuch veröffentlichen, das ich während meines vorletzten Schuljahrs im Internat geführt habe, glaubte ich zunächst, ich hätte mich verhört.
Die 46-jährige Rebecca, wird von ihrem Psychiater gebeten, ihr Tagebuch zu veröffentlichen. Diese hatte sie mit 16 geschrieben, um ihre Gedanken und Erfahrungen im Internat zu veröffentlichen. Zuerst sträubt sie sich gegen die Veröffentlichung. Als ihr Arzt ihr jedoch versichert, dass sie selbst und sogar die Schule nicht zu erkennen sein wird, stimmt sie einer Veröffentlichung zu.
Rebecca ist 16 und kehrt nach den Sommerferien an das Mädcheninternat zurück. Seit ihr Vater sich umgebracht hat, wurde sie von ihrer Mutter im Internat untergebracht, weil sie es einfach nicht erträgt, Rebecca ständig um sich zu haben. Wegen dem Tod ihres Vater, und weil Rebecca Jüdin ist, hatte sie im Internat keinen leichten Start und fühlte sich oft von den anderen Mädchen abgelehnt. Mittlerweile schreibt sie in ihrem Tagebuch, dass sie sehr beliebt ist und viele Freundinnen gefunden hat. Rebeccas beste Freundin ist Lucy. In diesem Jahr haben die beiden bei der Zimmerverlosung das große Los gezogen und bekommen beide Zimmer, die nur durch eine Verbindungstür voneinander getrennt ist. Darauf freut sich Rebecca ganz besonders. Gleichzeitig kommt in diesem Schuljahr einen neue Schülerin ins Internat. Ernessa ist ruhig, sehr undurchsichtig und isst nie etwas. Sie ist Rebecca von Anfang an unsympathisch. Mit dieser Meinung ist Rebecca aber offensichtlich alleine, die anderen Mädchen scheinen keine Probleme mit Ernessa zu haben. Zu Rebeccas Entsetzen zieht ihre Freundin Lucy immer mehr von ihr zurück und scheint dafür die meiste Zeit mit Ernessa zu verbringen. Rebecca wir immer besessener von den Gedanken, dass mit Ernessa etwas nicht stimmt. Sind diese Gedanken Wirklichkeit oder nur Rebeccas Wahn?
Das ganze Buch besteht aus Rebeccas Tagebucheinträgen, die jeweils auf das Verfassungsdatum hinweisen. Sie variieren von kurzen, stichwortartigen Eintragungen, bis hin zu komplexen Gedankengängen. Die verwendete Sprache ist gut zu lesen, klingt aber ab und an etwas hochgestochen. Besonders dann, wenn Rebecca über diverse Hochliteratur von Nietzsche, Annette von Droste-Hülshoff, Hawthorne oder Sheridan Le Fanu philosophiert, bzw. diese zitiert. Das passt zwar gut zur Internatsumgebung, es ist aber davon auszugehen, dass die angesprochene Lesezielgruppe diese Werke kaum kennt. Darum wirken die Ausführungen auch etwas überzogen. Einige Textpassagen wirken zusammenhanglos und schwer zu verstehen.
Dadurch, dass das Tagebuch nur auf Rebeccas Gefühlen und Eindrücken basiert und man die Erlebnisse so verstehen muss, wie sie diese schildert, wirkt das Gelesene zunehmend eindimensional. Einige Passagen ziehen sich in die Länge, und stellenweise beginnt man sich zu langweilen.
Es muss einem schon gefallen, in den Tagebüchern 16-jähriger Mädchen zu schmökern, vor allem, wenn ein komplettes Buch die Gedanken von einer einzigen Schülerin wiedergibt. Das könnte zwar ganz interessant sein, aber Rebecca ist nun mal keine Sympathieträgerin. Das ganze Buch gestaltet sich depressiv und undurchsichtig. Mit Rebeccas seelischer Gesundheit steht es eindeutig nicht zum Besten. Paranoide und labile Gedankengänge, lassen sie als Mädchen mit ernstzunehmender Psychose erscheinen. Das Internatsleben ist geformt mit typischen Problemelementen wie Essstörung, Diäten, Fressorgien, Drogen, Lehrerschwärmereien, Sex, Mobbing - alles gängige Themen, die aber hier nur Beiwerk sind. Vielmehr verliert sich Rebecca immer mehr in Fantasien und Gedankengängen, die irgendwann von ihr selbst nicht mehr in Wahn und Wirklichkeit getrennt werden können. Auch für den Leser ist das nicht ersichtlich. Ihre Vermutungen, Ernessa betreffend sind einerseits interessant, dann aber auch wieder nur lächerlich. Man hat den Eindruck, dass sie sich total in etwas verrennt. Der Internatsthriller wurde hier mit Stilelementen der Fantasy versehen, die zwar geläufig sind, aber nicht so recht zur Geschichte passen. Diese ist nämlich ein waschechtes Drama.
Rebecca wirft während ihren Tagebucheinträgen unzählige Fragen auf. Leser die sich nach einem runden Romanabschluss sehnen, werden enttäuscht sein. Antworten erhält der Leser kaum. Vielmehr bleibt alles seiner vorhandenen (oder auch nicht vorhandenen) Fantasie überlassen. Selbst im Nachwort kann die nun 30 Jahre ältere Rebecca nicht erklären, was sie damals geschrieben hat. Darum drücken ihre Worte den persönlichen Eindruck auch am besten aus und sprechen für (oder gegen) das Buch:
Als ich dieses Tagebuch noch einmal las, und ich habe es hintereinander weggelesen, kam es mir vor, als betrachtete ich einen Stern, der so weit entfernt ist, dass sein Licht schon lange nicht mehr leuchtet, wenn es uns erreicht. S. 309
Persönliches Fazit
Ich bin neugierig und fände es durchaus reizvoll in fremden Tagebüchern zu schmökern. Bei "The Moth Diaries: Die Sehnsucht der Falter" hatte ich diese Möglichkeit - und hätte sie jetzt, nach Beendigung der Geschichte, gerne dankend ausgeschlagen. Depressiv, paranoid, gestört und umnachtet sind die Synonyme, die mir zu den Tagebucheinträgen einfallen. Ich kann mir vorstellen, dass die Geschichte für einige Leser allemal ihren Reiz haben dürfte, einige Gedankengänge wecken tatsächliches Interesse. Wird man allerdings so unbefriedigt zurückgelassen wir hier, hält sich meine eigene Sehnsucht nach diesem Nachtfalter-Tagebuch in Grenzen. 2 von 5 Sternen.