|
Titel: Mondherz Eine Rezension von Doreen Below |
Kurzbeschreibung:
1456: Seit Konstantinopel gefallen ist, dringt das osmanische Heer immer weiter nach Westen vor, und Belgrad wird von der erschreckenden Übermacht belagert. In der Stadt hält sich auch die junge Adlige Veronika auf. Doch ihr steht nicht nur wegen der gefährlichen Zustände im Land eine ungewisse Zukunft bevor, denn Veronika ist Teil einer verborgenen Welt, von der normale Menschen nicht einmal etwas ahnen: Es gibt einen Bund von Werwölfen, der den mächtigsten Männern Europas im Geheimen dient. Seit sie selbst zur Werwölfin wurde, bestimmt der Bund auch Veronikas Leben. Aber als er ihr vorschreiben will, wen sie lieben soll, beginnt sie, um ihre Freiheit – und ihre Liebe – zu kämpfen …
Meine Meinung:
"Eine Geschichte, so schön wie der Mond"... Dieser Slogan prangt auf dem hinteren Buchdeckel von Christiane Spies Debütroman "Mondherz". Das macht doch verdammt neugierig und schürt die Erwartungen. Schließlich kennt man sie bereits zu Genüge, die tollen Versprechungen, die nach einem genaueren Blick nur selten halten, was sie zuvor so verheißungsvolles gelobten. Im Nachhinein kann ich glücklicherweise sagen: es passt! Dabei darf man allerdings nicht vergessen: der Mond leuchtet zwar aus weiter Entfernung und stellt für uns entsprechend seine überschaubar-prächtige Seite zur Schau. Bei genauer Betrachtung jedoch weist er weniger glanzvollere Krater auf und besteht aus einem komplexen Gebilde, für dessen Erforschung es länger braucht als einen Tag. Ähnlich baut sich die konfliktreiche Liebesgeschichte um Veronika & Gárbor auf, die mehr Historie als Fantasy beherbergt. Doch genau diese Eigenschaften machen "Mondherz" so faszinierend!
Erzählt wird eine historisch-phantastische Geschichte über verbotene Gefühle & politische Machtkämpfe, die im Jahre 1444 ihren Anfang findet und um 1458 schließlich ihren Höhepunkt erreicht - abwechselnd erzählt aus der personalen Erzählperspektive von Gábor, dem treuen Mitglied eines geheimen Wolfsbundes und Veronika, die einer Prophezeiung nach, die Menschheit erretten soll. Bereits auf den ersten Seiten ist man im Bilde um Gábor´s scheinbar unmögliche Aufgabe. Er muss die Auserwählte finden und sie auf den richtigen Pfad führen. Das Problem: wie er selbst muss dieses jungfräuliche Mädchen zwei Arten von Blut in sich tragen. Das von Mensch und Werwolf. In Veronika, die in einer mutigen Stunde von einem Wolf gebissen wird und überlebt, findet Gábor schließlich eine widerspenstige wie kluge Schülerin und jene Frau, die sein erkaltetes Herz wieder erstrahlen lässt. Eigentlich eine "göttliche" Fügung, wäre da nicht der zweite Teil der Prophezeiung, der alles höchst kompliziert macht.
Eines kann man definitiv sagen: wer in "Mondherz" ein seichtes High-Fantasy-Abenteuer für Zwischendurch sucht, ist weniger gut beraten. Was man für solch eine Art von Geschichte braucht ist Geduld und vor allem das Interesse an geschichtlichen Fakten, die einen beträchtlichen Teil der Handlung einnehmen. Auf den circa 670 Seiten vereinen sich Liebe, Freundschaft, Eifersucht, Krieg und ein Stück Weltgeschichte. Man ist unter anderem mitten drin, wenn die Türken in Belgrad einmarschieren und Ungarn mit aller Macht dagegen ankämpft ... oder ein gewisser Fürst Drăculea im Hintergrund seine blutigen Pläne schmiedet. Wie man dem Nachwort der Autorin entnehmen kann, hat sie für ihren Debütroman ausgiebig recherchiert, sich aber gleichzeitig künstlerische Freiheiten erlaubt. Das Ergebnis ist eine vielschichtig ausgearbeitete Story, die über Umwege auf die Zielgerade zusteuert und es trotzdessen schafft, interessant zu bleiben - mit kleinen Lesehöhen und Tiefen. Je nachdem wie interessant die jeweilige Schlacht oder die politische Strategie auf einen wirken mag.
Die Idee mit den kuschelig-kampflustigen Werwölfen fügt sich indes wunderbar in die historische Kullisse ein und die romantischen Momente zwischen Gábor & Veronika sind tatsächlich schön wie der Mond. Ihre scheinbar unmögliche Liebe füreinander ist jedoch beschwerlich und gepflastert mit etlichen Trennungen, Tränen und harten Worten. Aber seien wir mal ehrlich: gebe es weniger Drama, wäre es nur halb so schön. Zudem wirken die stets tiefer gehenden Gefühle der beiden dadurch umso authentischer und lassen die Persönlichkeiten allmählich reifen.
Insbesondere über Gábor´s Vergangenheit erfährt man Stück für Stück ein bisschen mehr. Sein zunächst eindimensional erscheinender Charakter gewinnt zunehmend an Farbe und entflieht der 08/15 schwarz-weiß-Malerei. Er mag ein reines Herz besitzen, sein Gewissen ist es jedoch nicht. Manche Leiche haust in seinem gedanklichen Keller und will dort begraben bleiben. Veronika verkörpert da schon eher das Gute/Reine im Menschen, wobei auch sie nachvollziehbare Veränderungen durchmacht. Mit bildreichen sowie lebendigen Worten wird ihre Wandlung von einem neugierig-unschuldigen Mädchen aus gutem Hause in eine hungrige Werwölfin beschrieben. Da wird schon mal wütend mit dem Fuß aufgestampft oder gegen die frisch erwachte Kreatur ankämpft. Umgeben von sturen wie undurchschaubaren Männern bleibt ihr gelegentlich auch nichts anderes übrig. Wie eine Wölfin muss sie um ihre persönliche Entscheidungsfreiheit kämpfen, Prophezeiung hin oder her!
Zugegeben manch ein unfreiwillig gewählter Weggefährte mag vielleicht etwas zweidimensional wirken - egoistisch/bösartig und durchschaubar. Doch hinterlistige Widersacher braucht eine konfliktreiche Geschichte nun einmal und auch hier hat man es durchaus mit interessanten wie gut ausgearbeiteten Figuren zu tun. Man darf gespannt sein, ob man einige Freunde oder Feinde in Zukunft wiedersehen wird. Kennt man die letzten Zeilen der Prophezeiung und das Ende von "Mondherz", dann bleibt die Hoffnung, dass die Geschichte um Veronika & Gábor eventuell noch einige Kapitel zu erzählen hat, in der einen oder anderen Form. Ich bitte drum!
Man bedenke: "Mondherz" ist in erster Linie ein historischer Roman, der gespickt ist mit phantastischen Elementen (Werwölfe) und nebenbei eine komplizierte Liebesgeschichte erzählt. Wer ein High-Fantasy-Abenteuer sucht und es vordergründig spannend mag, der könnte nach gelesener Lektüre eventuell frustriert den Mond anheulen und das Buch verteufeln. Ich empfehle vorab die Leseprobe und ein großes Interesse für geschichtliche Fakten.
Kurz gesagt:
Wahrlich eine Geschichte, so schön wie der Mond! Die Kombination aus überwiegend historischen und leicht phantastischen Elementen zeigt sich von einer erfrischenden, lehrreichen und gefühlvollen Seite. Da kann man gar nicht anders, als mit Veronika & Gábor in die Welt der Werwölfe einzutauchen, um gemeinsam zu leiden & zu lieben. Jeder Krater in Form von politischen Machtkämpfen oder historischen Fakten war für mich eine Erkundung wert, wenngleich der Spaziergang sich an einigen Stellen lang und beschwerlich gestaltete. Das macht die komplette Geschichte allerdings so faszinierend wie sie letztendlich auf mich wirkte. Fabelhaft!