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Reihe: Die Nebel-Trilogie, Band 2 Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Kalkutta 1932: Ben und seine Freunde von der geheimen Chowbar Society sind gerade sechzehn geworden. Es ist Zeit, das Waisenhaus zu verlassen, in dem sie aufgewachsen sind. Bei der Abschlussfeier taucht plötzlich eine alte Frau mit einem jungen Mädchen auf, das Ben sofort fasziniert. Wer ist sie? Als die beiden dahinterkommen, was sie tatsächlich miteinander verbindet, befinden sie sich schon in einem Strudel, der sie tief in die Unterwelt Kalkuttas zieht. Ein Schatten aus der Vergangenheit trachtet ihnen nach dem Leben. Und er ist ihnen näher, als sie ahnen ...
(Klappentext)
Bevor wir ins Indien des Jahres 1932 gelangen, steht dem Leser ein dunkles Abenteuer im Kalkutta des Jahres 1916 bevor. Kurz nach Mitternacht taucht ein Boot auf dem Hoogly River auf. Leutnant Peake auf der Flucht, die Frau zurücklassend, die er eigentlich beschützen sollte. Vor seinen eigenen Mördern flüchtend, hastet er durch die indische Großstadt. Er kann vor seinem Tod das Kind, das er in den Armen hält, noch in Sicherheit bringen. Mit knapper Not erreicht er sein Ziel und liefert das Kind ab. Das Kinderheim von Thomas Carter nimmt den Jungen an und schützt ihn vor Nachstellungen. Doch der Fremde, der sich nach dem verleugneten Kind erkundigt, droht, dass er wiederkommen werde.
1932 ist Ben, nach Benjamin Franklin benannt, inzwischen sechzehn Jahre alt. Mit seinen besten Freunden gründete er eine kleine geheime Gesellschaft, der sie den Namen Chowbar Society verliehen. Neben Ben besteht die Gemeinschaft aus dem schlauen Ian, der vorwitzigen Isobel, dem stillen Michael und einigen anderen mehr. Zu ihrem Hauptquartier erkoren sie eine Ruine, die sie den Mitternachtspalast nennen. Hier halten sie ihre Treffen ab und vertiefen ihre Freundschaft immer mehr. Eines Tages lernt Ben eine ältere Dame kennen, in deren Begleitung sich ein junges Mädchen namens Sheere befindet, für die sich Ben sofort interessiert. Die alte Dame unterhält sich mit Thomas Carter über Bens Zukunft, während sich das Unheil bereits mit schnellen Schritten dem Waisenhaus nähert. Dieses Unheil besitzt den Namen Jawahal und ist ein fürchterlicher Feuergeist.
Wortgewaltig reißt uns wieder einmal mehr Carlos Ruiz Zafón mitten in die Handlung hinein. Nach nur wenigen eindringlichen Worten befinden wir uns mittendrin im Geschehen. Ein Mann um Mitternacht in einem Boot. Diese sieben Worte beschreiben eine Situation, die bei Carlos Ruiz Zafón auf einer halben Seite ausmalt und damit wesentlich dazu beiträgt, dass wir leser sofort von der gruseligen Handlung gefangen genommen werden. Der Autor verwebt gerne die Erinnerungen eines Menschen an eine unheimlich erscheinende Vergangenheit zu einem komplexen Mysterienspiel. Der Aufbau der Erzählung ist zuerst sehr schnell, der Autor und mit ihm nicht nur die Leser, sondern vor allem die Handlungsträger Ben und Sheere, hetzen von einem Kapitel zum nächsten. Mit der Zeit wird die Geschichte langsamer, gewinnt an erzählerischer Tiefe und wird ruhiger. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Spannung seiner düsteren Erzählung nachlässt. Stehen zuerst alle Mitglieder der Gruppe - mal mehr, mal weniger - im Vordergrund, reduziert sich dies schließlich erzählungsbedingt auf die beiden Personen Ben und Sheere. Mit dieser Einstellung verliert der Roman einige interessante Figuren, aus denen sich sicherlich mehr machen ließe. Die Chance ist leider vertan, es sei denn, Carlos Ruiz Zafón gelingt es, mit ihnen neue Abenteuer zu schreiben.
Das Jugendbuch, in der neuen Gruppe FJB erschienen, ist ein hervorragend gestaltetes Buch mit festem Einband. Dazu das nützliche Leseband und ein schön gestalteter Schutzumschlag. Und wer das Buch in der Hand hält, wird sich ebenso schnell lesend damit wiederfinden.