Reihe: ~ Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Das Leben als Werwolf zählt nicht gerade zu den einfachsten, das stellt der vierzehnjährige Tobias Vandevelde quasi über Nacht fest. Vor allem wenn man a) felsenfest davon überzeugt ist, keiner zu sein, auch wenn man nackt unter Dingos erwacht. Wenn b) eine zweite Gruppe von Menschen/Werwölfen überzeugt ist, dass man dazugehört, und wenn man c) von einer dritten Gruppe entführt wird, weil die überzeugt ist, dass die zweite Gruppe Recht hat.
Gehen wir zurück zu Punkt a): nackt unter Dingos. Es ist in Australien von der Temperatur her nicht sonderlich unangenehm, im Freien zu übernachten. Komplett nackt dagegen schon, denn selbst in der Wildnis hätte man gern etwas Kleidung. So viel Zivilisation muss sein. Aber in einem Freigehege für Dingos aufzuwachen, die dazu noch deswegen hinter Gittern und Zäunen verbracht wurden, damit man sie ansehen kann, ist in diesem Fall unangemessen und vor allem unangenehm. Die Frage, die sich stellt, lautet aber: Wie komme ich da hin? Neben der Kleidung fehlt nämlich auch ein Teil des Gedächtnisses. Und warum komme ich deswegen ins Fernsehen?
b) sieht dann bereits etwas schlimmer aus: Kaum bin ich wieder zu Hause, drängen sich die Reporter an der Tür und wollen ein Interview nach dem anderen. Okay, berühmt zu sein hat was. Is cool, man. Sind die Reporter erst einmal weg, drängen sich seltsam merkwürdige Leute auf, um einen zu „helfen“, wie sie es ausdrückten. Die sind es auch, die der Ansicht sind, Tobias sei ein Werwolf. Und er soll sich doch deren „Selbsthilfegruppe“ anschließen. Zudem behaupten sie, es gebe Menschen, die Werwölfe fangen, um sie gegeneinander kämpfen zu lassen. Wobei wir wieder bei c) sind: Tobias Vandevelde muss am eigenen Leib erfahren, dass die Leute Recht haben. Eines Tages wird er entführt und im australischen Hinterland in einen Käfig gesteckt. Hier soll er bis zum Tod gegen andere antreten, während die ‚normalen’ Menschen viel Geld wetten und verlieren. Tobias wird zu einer lebenden Geldanlage, bis die Leute von b) ihn retten kommen.
Catherine Jinks lässt ihren Ich-Erzähler Tobias in einem flappsig-jugendlichen Tonfall seine Abenteuer erzählen. Leider hält sie das nicht bis zum Schluss durch, oder die Übersetzerin hat mitten im Text gewechselt. Catherine Jinks gehört zu den Autorinnen, die sich der übernatürlichen Wesen annehmen und sie in Geschichten den Lesern näher bringen. Ganz typisch sind da ihre Erzählungen Teuflisches Genie, Teuflisches Team, Teuflischer Held. Tobias ist ein typischer Jugendlicher und seine allein erziehende Mutter denkt erst mal an einen typischen Jungenstreich. Nun, die Besorgnis der Mutter, ihr Sohn habe etwas angestellt, zerstreut sich schnell, nur um einer Angst um das Leben und die Gesundheit zu weichen. Mit der unter c) genannten Handlungsführung verliert der Roman leider etwas an seiner Originalität und aus dem locker-leichten Tonfall wird ein heftiger bis brutaler Roman. Leider. Hätte die Autorin sich an den Tonfall gehalten und so weitergemacht wie zu Beginn, hätte endlich mal eine Komödie den Weg in ein Bücherregal gefunden. So bleibt ein Stilbruch. Aber wie heißt es doch immer: Ein Stilbruch ist kein Beinbruch.
Erwähnenswert ist das Titelbild des Buches. Ein Jungenkopf (der von Tobias), der sich in altbewährter Wackelbildqualität über mehrere Stufen in einen Wolfskopf verwandelt. Allein damit hat sich der Verlag in den Bücherhimmel für Jugendliche katapultiert.