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Titel: Missverstandene Monster
Eine Besprechung / Rezension von Melanie |
Ich muss gestehen, dass mich schon der Titel der Anthologie zum Schmunzeln gebracht hat – und das kleine Monsterchen auf dem Cover sieht tatsächlich eher bemitleidenswert als gruselig oder gar monsterlich aus: Winzig klein, mit der Leine eines zerstörten Luftballons in den Klauen, dazu der starre Blick aus dem roten und gelben Auge. Nicht gerade zum Knuddeln, aber auch ganz sicher nicht zum Davonlaufen, im Gegenteil: Es verleitet den Betrachter dazu, das Buch aufzuschlagen und mehr über dieses und die anderen missverstandenen Monster zu erfahren.
Dazu bekommt man auch sehr schnell die Gelegenheit, denn in ihrem “Protestbrief” an Herrn König (Ludwig der VII., König von Frankreich), nimmt die Drachin Tarasque kein Blatt vor dem Mund und zählt jedes der unlängst passierten “Missverständnisse” auf – bevor sie sehr desillusioniert das Land verlässt.
Danach geht es über kleine und niedliche Monsterchen (je nach Gemütsfassung), Todesfeen und berufliche Schreckgespenster bis hin zum “Großen Grausamen Tod”. Letzterer ist mit seinem Namen nicht wirklich glücklich, führt er doch dazu, dass er sich stets allein in den Ruinen schleunigst verlassener Städte herum treiben muss.
Und während einige Monster nur ein kleines, ruhiges, menschen- und vor allem kinderfreies Eckchen suchen und dafür sogar an Monstertherapien, einem Treffen der “Anonymen Pädophobiker” oder einem einfachen “Monster helfen Monster”-Workshop teilnehmen, hoffen andere wie “Willo, das Irrlicht” aus der Feder von Nina C. Egli, sehnlichst auf Besuch. Ein Ereignis, das trotz allen Einsatzes von Willo wohl nie eintreten wird. Ihn habe ich gegen Ende seiner Geschichte tatsächlich sehr bedauert – trotz der Folgen für die Menschen, die einen Besuch tatsächlich in Erwägung zogen.
Das Zusammentreffen mit Menschen ist in den wenigsten Fällen erfreulich zu nennen: Krux aus “Grässlich bleibt grässlich, da helfen keine Pillen” Zusammentreffen mit einem Menschen endet trotz eines guten Starts in einem Desaster – ihm hätte die nähere Betrachtung eines Pornos vermutlich weitaus mehr gebracht als die Filmromanze, die er zufällig mit anschauen konnte. Dem Leser bringt sein Versuch allerdings ein höchst vergnügliches Leseerlebnis. Und auch die “Arachne organophilia” würde die regelmäßigen Zusammenstöße mit der Putzfrau (und ihrem spinnenwebenzerstörenden Staubwedel) sicherlich nur zu gern vermeiden – und das, obwohl man diese Spinne im weitesten Sinne sogar als nützlich erachten muss.
Wenig monströs ist dahingegen Claire aus Sophia Bergs “Ein Katzenschwanz zum Verzweifeln”, tatsächlich ist sie wohl eher süß als monströs zu nennen – und so ist es kein Wunder, dass sie das Verständnis, das sie sucht, sehr zur Verzweiflung ihrer Eltern nicht unter den Monstern findet. Eine wirklich süße (vielleicht auch ein klein wenig kitschige) Geschichte.
Mein absolutes Lieblingsmonster ist allerdings das kleine Monsterchen aus Tanja Rasts “Das aus dem Keller”. Wenn man ihm nicht gerade im Dunkeln begegnet, oder nur sein Scharren und Schnaufen hört, muss man sich einfach in das Kleine verlieben – mein Herz hat es jedenfalls im Sturm erobert.
Und mit der letzten Seite haben zumindest ein paar der Monster ihr Image merklich aufpoliert. Mit dem Streikberater aus Helen B. Krafts Geschichte würde ich allerdings trotzdem nicht tauschen wollen – wer würde schon gerne an einem Monsterstreik teilnehmen, wenn einige der Monster noch von den schönen Zeiten mit den Dörflern und ihren Mistgabeln träumen? Diese Zeiten sind ebenso vorbei, wie das Image des klassischen Monsters passe` ist – spätestens nach der Lektüre dieser Anthologie. Und mit der letzten Seite wird jeder der Leser mit einem leichten Schmunzeln auch sein Monsterbild überdenken. Dafür ist es auch höchste Zeit!