Titel: Die Minimenschen Maxiausgabe, Band 9 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
In gleichem Maße wie Storyanzahl und Umfang der Sammelbände sinken – so wartet Band 9 mit nur noch drei Geschichten auf 144 Seiten auf -, scheint es auch erzählerisch bergab zu gehen. Doch bevor wir uns diesem Trauerspiel ausführlicher zuwenden, der obligatorische Blick auf den Inhalt der Storys, von denen Autor Seron die zweite - „Der Goldvulkan“ - nutzt, um seine Serie „Les Centaures“ zu promoten, indem er den beiden Hauptfiguren, den Zentauren Ulysses und Aurora, einen umfangreichen Gastauftritt spendiert.
Der letzte der Minimenschen (Le Dernier des petits hommes)
Nahe Eslapion verliert ein Lieferwagen der Großen während seiner Fahrt drei Kisten mit seltsamen Schriftzeichen. Während ein Bauer mit zwei der Frachtstücke von dannen zieht, transportiert ein vorbeifliegender Minimensch das dritte Paket mit seinem Gleiter in die Stadt der Kleinen und holt damit nichts ahnend Wahnsinn und Tod in die Stadt, Wahnsinn in Form einer Puppe, aus deren Augen verrückt machende Strahlen schießen, den Tod in Person zweier Großer, die diese Puppe für ihren Auftraggeber um jeden Preis zurückholen sollen. Die erste, die auf der Strecke bleibt, ist Cedille und am Ende wird nur einer der Kleinen das Abenteuer überleben – und das ist nicht Renaud - … doch ist es wirklich das Ende der Minimenschen?
Der Goldvulkan (Uwélématibukaliné)
Vor etwa 3000 Jahren, im alten Griechenland, auf der Insel Kreta: die beiden jungen Zentauren Ulysses und Aurora legen sich mit Gott Zeus an, indem sie ihm vorhalten, ein Versprechen, das er in ihrer Zeit einem afrikanischen Eingeborenenstamm gab, nach eigenem Bekunden in 3000 Jahren nicht erfüllt zu haben. Zeus ist not amused und schickt die beiden aufmüpfigen Pferdewesen in jene ferne Zukunft, in der seine eigene Macht durch den Gott der Christen gebrochen wurde. Unversehens finden sich Ulysses und Aurora in Eslapion wieder, wo sie nach einigen anfänglichen Kontaktproblemen mit Renaud und den Seinen warm werden und schließlich auf deren Hilfe, bei der Befreiung der Eingeborenen aus dem Joch der Sklaverei, zählen können. Und schon mach sich eine sehr ungleiche Schar auf die Reise zum schwarzen Kontinent, wo ihrer nicht nur zahlreiche natürliche Gefahren harren, sondern auch skrupellose Banditen.
Renaud geht in die Luft ((Petits hommes et mini-gags)
Hocherfreut, dass er eine Einladung seiner alten – naja .. wer spricht bei 21 Lenzen schon von alt? - Freundin Magda erhalten hat, wirft sich Renaud, der Charmeur, in Schale, um zur Angebeteten zur eilen. Doch das Schicksal meint es nicht gut mit ihm: ein ums andere Mal passiert auf dem Weg Unvorhersehbares, was zunächst nur sein schickes Outfit betrifft und ihn zwingt, wiederholt die Kleidung zu wechseln. Und so wird seine Erscheinung rein kleidungsmäßig von Mal zu Mal schriller; als man meint, es gehe nicht schräger, gerät auch seine körperliche Unversehrtheit zunehmend ins Wanken
Beginn wir mit dem erfreulichsten Part dieses Sammelbandes, nämlich der dritten Story. Auch wenn es unangemessen ist, diese durch ein vages Gerüst zusammengehaltene Ansammlung von mehr oder weniger kurzen Gags als echte Geschichte zu bezeichnen, so sind viele der Szenen bei aller Klamaukhaftigkeit zumindest so situationskomisch und zum Teil sogar skurril, dass gute Laune wenigstens nicht wie bei den ersten beiden Storys in unerreichbarer Ferne liegt.
Der humoristisch Anteil der ersten Geschichte hingegen basiert weniger auf harmloser Schadenfreude oder Wortwitz, sondern geht in einer gnadenlosen Art ganz auf Kosten von Opfern und bedient sich zusätzlich dumpfbackiger Vorurteile, ganz abgesehen davon, dass die Story an sich gewalttätig und brutal angelegt ist, was zwar durch den Plot-Twist am Ende erklärt, allerdings keinesfalls entschuldigt wird.
„Der Goldvulkan“ wiederum leidet an der vollkommenen Absage an ursprüngliche Prämissen in Bezug auf den Serien-Hintergrund, die „Les Petits Hommes“ als SF-Serie kennzeichneten. Zwar betraf das in den bisherigen Storys zugegebenermaßen in erster Linie nur technische Spielereien der Minis, während die Welt der Großen hausbacken normal – ja geradezu altmodisch - dargestellt wurde, aber es stand trotz aller unterschiedlichen Abenteuer nie grundsätzlich in Frage, dass die Szenarien in einer physikalisch beschreib- und beherrschbaren, materialistischen Welt spielen. Durch das Einführen der Zentauren und der Götter ist das letzte Bollwerk gegen inhaltliche Beliebigkeit und Richtungslosigkeit gefallen, sodass die Minimenschen nunmehr mit allerley Zauberey und Hexenwerk in die weiten Gefilde der Science Fantasy eingegangen sind.
Das eigentliche Ärgernis dieses neunten Albums betrifft allerdings alle drei Storys. Es ist die Einführung des „Lesers“, einer kleinen rotbejackten Figur, die Seron sporadisch auftreten lässt und die das Gezeigte kommentiert, interpretiert und relativiert. Abgesehen davon, dass dieses handlungsexterne Figur mit jedem Erscheinen die imaginative Ausstrahlung der Geschichten zerstört, indem sie klar macht, „Hey, es ist nur ein Comic!“, hasse, ja verabscheue ich es zutiefst, wenn mir der Autor direkt oder indirekt sagt, was ich wie zu sehen und zu empfinden habe, bzw. wenn der Autor Kritik an einem Mangel an Ideen und erzählerischen Können vorauseilend zu entkräften versucht.
Fazit: Nach dem schwachen achten Band setzt die Gesamtausgabe ihre Talfahrt fort. Dass nur eine von drei Geschichten vergleichsweise humorvoll und unterhaltsam daherkommt, ist angesichts der dumpfen Ideenlosigkeit der beiden übrigen Storys sowie der Einführung einer nervtötenden, externen und kommentierende Figur deutlich zu wenig.