Titel: Metro 2033 Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Im Jahr 2008, also heute, jetzt, zerstörte ein Krieg das Leben auf der Erde. Die Welt liegt in Schutt und Asche, und nur sehr wenige Menschen konnten sich retten, weil sie sich wie die Ratten in tiefere Schichten der Erde, Bergwerke, U-Bahnstationen und ähnliches verkrochen. Das heißt, meine geneigten Leserinnen und Leser: Wenn wir Glück haben, wird in den nächsten Wochen der Krieg nicht ausbrechen und der Autor Dmitry Glukhovsky mit seiner negativen Gesellschaftsbeschreibung voll daneben liegen. Er geht jedoch erst einmal davon aus und siedelt seine Erzählung in fünfundzwanzig Jahren an, örtlich in Russland und der Metro von Moskau. Es ist, wie der Buchtitel bereits verrät, das Jahr 2033. In den weit verzweigten Tunnelsystemen der Moskauer Metro, Verkehrszentrum und Luftschutzbunker zugleich, konnten sich Menschen der unterschiedlichsten Herkunft retten und zu neuen Lebensgemeinschaften zusammenfinden. Die Gemeinschaften spiegeln dabei gleichzeitig einen Querschnitt der Gesellschaftsschichten wider, die heute in Russland offen oder versteckt zu Tage treten. Ähnlich wie in den Katastrophenromanen der frühen sechziger und siebziger Jahre, im Angesicht des Kalten Krieges, ist die Oberflächenwelt verseucht und für den Normalbürger unzugänglich gemacht worden. Das Verbotene reizt jedoch immer wieder, und so ist es nicht verwunderlich, wenn wir dem knapp zwanzigjährigen Artjom in der Erzählung begegnen und ihm eine Zeit lang folgen.
Artjom gehört zu den Männern, die abwechselnd im Metro-Schienennetz Wache schieben, um sich vor des Menschen größten Feinden, den Ratten und den mutierenden Wesen von der Oberfläche, zu schützen. Normalerweise hat niemand der Menschen das Bedürfnis, genau die Welt aufzusuchen, woher die Schwarzen, wie sie genannt werden, kommen. Aber Artjom hatte einmal, noch dazu verbotenerweise des Nachts, einen Ausblick wagen können und den Sternenhimmel gesehen. Seither schmiedet er Pläne, wie er erneut an die Oberfläche gelangen kann. Dabei sind Artjom und seine Freunde daran schuld, dass die Schwarzen nach unten kommen: Vor einigen Jahren schafften sie es, bis zu den Schotten zu gelangen, die die Unterwelt von der Oberwelt trennten. Es gelang ihnen, die Tore zu öffnen und einen Blick auf die zerstörte Oberfläche zu werfen - und den Nachthimmel mit seinen vielen Sternen. Als sie sich auf einen überhasteten Rückweg machten, ließen sie jedoch die Tore offen.
Artjom und seine Kumpel tragen schwer an ihrer Last der Schuld und dem schlechten Gewissen. Als Wachtposten bei Meter 450 hat er viel Zeit zum Nachdenken. Bislang hat niemand der Beteiligten ein Sterbenswörtchen über diesen Ausflug gesagt. Erst als Hunter, ein Reisender, innerhalb der Metrostationen erscheint, wagt es Artjom, eine Art Beichte abzulegen. Hunter hat sich selbst als Makrophage bezeichnet, einen Jäger im Organismus Metro, immer auf der Suche nach Feinden der Menschen, eben wie eine Makrophage im menschlichen Körper. Hunter versteht den Jungen und seine damalige Neugier. Er setzt es sich zur Aufgabe, loszumarschieren und die Tore zu schließen. Artjom hingegen soll ihm versprechen, zwei Tage auf ihn zu warten. Erscheint er dann nicht wieder, soll Artjom sich auf den Weg machen und Polis warnen und von der Gefahr berichten. Der Leser erwartet nichts anderes und wirklich: Artjom macht sich auf den Weg.
`Der Weg ist das Ziel’, heißt es immer wieder. In diesem Fall ist der Weg äußerst beschwerlich. In dem weitverzweigten Metronetz, dessen Pläne in den beiden Innenseiten der Klappbroschur dieses Buches zu finden sind, entwickelten sich die seltsamsten Gesellschaftsformen. In den Tunnelröhren, die die Stationen verbinden, und in den Stationen selbst haben sich politische und religiöse Extremisten breit gemacht. Da gibt es die Rechtsextremisten des Vierten Reiches, die Rote Linie, die Hanse und andere mehr. Und jede dieser Gesellschaften hat mit ihren Nachbarn ihre Händel oder sogar Kriege. Was sich in der Metro im Kleinen abspielt, spielte sich im Großen auf der Erde ab. Die Menschen haben nicht dazugelernt. Ähnlich wie in den Science-Fiction-Filmen tritt nun das Böse in Form der Schwarzen von außen auf. Die Menschen in der Metro haben nun die Möglichkeit sich zu vereinigen. Bis es zu einer solchen Entwicklung kommt, muss sich Artjom von einer der äußersten Stationen zur größten Station im Mittelpunkt des Netzes, zu Polis, durchschlagen. Die Reise in der Metro erinnert ein wenig an Filme wie "Mad Max" oder "Straße der Verdammnis": Ständig muss sich der Held behaupten. Gleichzeitig hat Artjom aber auch das Gefühl, als wolle sich jemand in seinem Gehirn mit ihm verständlich machen. Was oder wer, mit welchem Ziel? Das soll der Leser selbst rausfinden.
Dmitry Glukhovsky ist ein studierter Journalist, der mehrere Sprachen beherrscht. Anscheinend ist er auch vielseitig interessiert. Man merkt es seiner Geschichte an, dass er mehr als nur ein Buch gelesen hat und mehr als eine der Bild-Zeitung entsprechende Tageszeitung. Seine von ihm beschriebene Welt ist in vielen Einzelheiten sehr lebendig. Er beschreibt nicht nur seine handelnden Personen, sondern auch die menschlichen Gesellschaften, falsche Propheten und Sektenführer, diktatorische Gesellschaften. Man könnte fast meinen, er habe Gisbert Haefs Pasadan-Romane gelesen. Auch hier werden sehr viele seltsame Gesellschaften beschrieben und ein Einzelkämpfer, der sich überall behaupten muss. Inzwischen gibt es Metro auch als Computerspiel.
Metro 2033 - die Rezension von Alexander Pechmann