Titel: Das Messias-Gen Eine Rezension von Ida Eisele |
Klappentext
In Washington D.C. begegnet Gray einem Obdachlosen, der vor seinen Augen erschossen wird. Es stellt sich bald heraus, dass es sich bei dem vermeintlich Obdachlosen um einen einflussreichen Wissenschaftler handelt, der einer schrecklichen Verschwörung auf die Schliche gekommen war.
Ein aus Sowjetzeiten übrig gebliebenes Projekt will in einer verlassenen Minenstadt östlich des Ural mit Hilfe gezüchteter Autisten die Weltherrschaft an sich reisen. Durch Zufall gerät einer der Autisten, ein achtjähriges Mädchen, an die Sigma Force...
Mein erster Gedanke beim Lesen des Klappentextes: Ach so, die Russen wollen die Weltherrschaft, die Amerikaner halten sie auf. Ganz so klischeebeladen wie befürchtet war das Buch dann doch nicht.
Das Buch leidet ein wenig unter der extrem blassen Hauptperson Grayson Pierce. Davon abgesehen, dass er gut aussieht, erfährt der Leser nichts über ihn. Keine genialen Geistesblitze, keine besonderen Fähigkeiten, nichts erklärt Grays besondere Rolle. Nicht einmal persönliche Details oder Erinnerungen, außer an seinen totgeglaubten Freund Monk, tragen irgendetwas zur Charakterisierung bei. Es mag durchaus sein, dass Gray in anderen Sigma Force Romanen besser dargestellt wird und ich als Neueinsteiger einfach zu wenig über ihn weiß – aber dennoch gehört an eine Hauptperson in einem Buch einfach mehr dran als gutes Aussehen und gute Gesinnung.
Von Gray einmal abgesehen waren die Charaktere nicht eindimensional. Gerade die beiden russischen Forscher Juri und Sawina wurden überraschend schlüssig und dargestellt und waren schließlich die am besten gelungenen Figuren im ganzen Buch. Juri, dem seine Rolle als schrecklicher, menschenverachtender Wissenschaftlich noch nie so richtig geschmeckt hat, und im hohen Alter schließlich alles daran setzt, die kleine Autistin Sascha zu retten. Sawina, die eiskalt und berechnend alles daran setzt, die Weltherrschaft für ihren Sohn Nicolas zu erreichen, und die doch darunter leidet, unzählige der von ihr großgezogenen autistischen Kinder in den Tod zu schicken.
Auf der anderen Seite spielt neben Gray vor allem noch Elizabeth, Tochter des ermordeten Wissenschaftlers, eine Rolle. Viel wird zu ihrer Charakterisierung ebenfalls nicht unternommen. Außer, dass sie um ihren Vater trauert und ihm doch auch gleichzeitig trotzt, erfährt man nicht viel.
Am besten gelungen ist auf jeden Fall die Schimpansin Marta, die dem überraschenderweise noch lebenden Monk und einigen weiteren Kindern bei ihrer Flucht aus der russischen Minenstadt hilft.
Dass ein amerikanischer Geheimdienst (ob tatsächlich existent oder nicht) einen anderen einfach in der Hauptstadt angreifen und das Hauptquartier mit mehreren Toten verwüsten kann, wage ich zu bezweifeln. Immerhin kommt es so zu einem mehr oder weniger interessanten Konflikt zwischen Amerikanern, die in 9/11 als Ausrede für endlos rücksichtsloses Vorgehen gegen jeden benutzen, und Amerikanern, für die der Zweck die Mittel längst nicht heiligt.
Dass das Buch spannend ist, lässt sich nicht bestreiten. Die Handlung setzt sofort ein, die Ereignisse folgen Schlag auf Schlag und an keinem Zeitpunkt verliert die Geschichte an Tempo. Diese hohe Geschwindigkeit, alles spielt sich innerhalb weniger Tage ab, geht leider auf die Kosten der Charakterentwicklung. Die vielen verschiedenen Handlungsstränge laufen konsequent aufeinander zu, und doch folgt Cliffhanger auf Cliffhanger, was mit der Zeit ein wenig anstrengend und nervenaufreibend wird.
Die Geschichte selbst ist mehr oder weniger vorhersehbar. Es gibt einige überraschende Ereignisse, im großen und ganzen hält das Buch sich aber an das alte Konzept Gut gegen Böse und Gut siegt. Wie gut es dann am Ende ist, ist fast nicht mehr zu ertragen. In einem einzigen Kapitel, während einem Fest in Washington, werden die weiteren Schicksale der Beteiligten kurz angedeutet. Die Welt ist gerettet, alles erinnert sich, verliebt sich und zu guter Letzt kommt noch der Cliffhanger fürs nächste Buch.
Gut immerhin, dass die Hintergründe zum Autismus und dem Orakel von Delphi in einem eigens angefügten Anhang erklärt werden. Schlecht dagegen fand ich, dass das ganze Buch hindurch von den für die Handlung recht wichtigen 'Zigeunern' gesprochen wurde, ohne dass es einen offensichtlichen Grund gab, der gegen das korrekte Roma gesprochen hätte. Ob das am Autor oder dem Übersetzer liegt, weiß ich nicht. Sonst war die Sprache, von einer geringfügigen Hauptsatzlastigkeit abgesehen, recht gut und abwechslungsreich. Die Beschreibungen ließen stets Bilder entstehen, gerade bei Monks Wanderung durch die Gegend um die alte Minenstadt.
Insgesamt war das Buch nicht schlecht, auf jeden Fall unterhaltsam, aber doch in vielerlei Hinsicht mangelhaft, gerade was die Konzeption der Protagonisten betrifft.