Reihe: Resident Evil, Band 1 Eine Rezension von Judith Gor |
„Resident Evil“ ist seit 1996 Garant für feinsten Konsolen-Horror, der in den Anfängen mit seiner gruseligen Atmosphäre unter die Haut ging und heutzutage mit reichlich Action überzeugt. Zum Spiel erschienen diverse Sequels, Bücher, Kurzfilme und zwei Animationsfilme. Am bekanntesten dürften die Realverfilmungen mit Milla Jojovich sein, die teilweise stark von der Grundidee abweichen und mal hoch atmosphärisch und mal mehr schlecht als recht umgesetzt wurden. Mit „Marhawa Desire“ gibt es nun auch eine Mangaumsetzung, in der der bekannte Spielcharakter Chris Redfield erscheint:
Professor Doug Wright wird von der Leiterin eines Elite-Internats um Hilfe bei einem mysteriösen Krankheitsfall gebeten. Aufgrund einer persönlichen Verbindung reist der Professor umgehend ab und nimmt seinen studienfaulen Neffen Ricky mit. Kaum an der Marhawa Akademie angekommen, einem hochtechnisierten Lernparadies und Gefängnis für Kinder der Oberschicht, werden Professor Wright und Ricky mit der erschreckenden Wahrheit konfrontiert: Eine Schülerin hat sich in einen menschenfressenden Zombie verwandelt. Wright will umgehend die BSAA und damit Chris Redfield einschalten, doch Internatsmutter Gracia stellt den Ruf der Schule über die schnelle Aufklärung des Falls und unterbindet jeglichen Kontakt zur Außenwelt. Es kommt zu weiteren Zwischenfällen und für Ricky und den Professor spitzt sich die Lage zu – während Chris Redfield und seine Crew sich auf die Suche nach dem spurlos verschwundenen Professor machen …
„Resident Evil“ als Manga, noch dazu an einem Eliteinternat – kann das funktionieren? Das Szenario wurde von Capcom entworfen, verspricht also zumindest eine gewisse Glaubwürdigkeit im Kontext der Spielreihe. Tatsächlich ist die Story an für sich gut ausgearbeitet, auch wenn man sich erst an das untypische Setting gewöhnen muss. Der Professor und Ricky sind interessante Charaktere, die es dem Leser als „normale“ Menschen leicht machen, in die Geschichte hineinzufinden. Chris Redfield und andere Mitglieder der Spezialeinheit BSAA erhalten im ersten Band nur wenige Auftritte, die vornehmlich aus actionreichen Rückblenden bestehen. Diese machen Hoffnung, dass Chris und seine Crew die Lage schnell unter Kontrolle bringen können – wenn sie denn wüssten, wohin Professor Wright verschwunden ist. Die Mahrawa Akademie scheint vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten zu sein, es gibt keinen Handyempfang und keine Festnetztelefone. Das Gelände ist vollkommen autark, von Sporteinrichtungen, Wohnquartieren bis hin zu Lebensmittelgeschäften ist alles vorhanden. Zu allem Übel scheint die Internatsleiterin Gracia ernsthafte psychische Probleme zu haben.
Im ersten Band wird hin und wieder Bezug auf frühere Ereignisse genommen, wie beispielsweise dem Vorfall im Herrenhaus und dem Ausbruch des Virus in Racoon City. So haben auch Leser, die weder Spiele noch Filme kennen, die Möglichkeit sich ein Bild des „Resident Evil“-Universums zu machen. Ein umfangreiches Vorwissen ist dennoch von Nutzen und erleichtert den Einstieg in die komplexe Welt sehr. Elementare Dinge wie der T-Virus und die Umberalla Corporation werden erwähnt, aber nicht vertieft. Dafür werden die Charaktere und die besonderen Umstände an der Mahrawa Akademie ausführlich beleuchtet. Die Action versteckt sich daher noch in Rückblenden und kurzen Sequenzen, wenn eines der Mädchen mutiert. Doch es ist bereits abzusehen, dass sich die Situation an der Akademie zu einem Desaster entwickelt. Auch das schwierige Verhalten der Internatsleiterin bringt ordentlich Spannung in die Geschichte – und ein obligatorischer Cliffhanger lässt den Leser sehnsüchtig auf den zweiten Band warten.
Der Zeichenstil ist nicht unbedingt mangatypisch, passt aber relativ gut zu „Resident Evil“ und wartet mit detailreichen Hintergründen und einem dynamischen Charakterdesign auf. Die Figuren wirken durchweg lebendig, sehen tatsächlich menschlich aus und zeigen eine Vielfalt von authentischen Gesichtsausdrücken. Die Umgebung wird in verschiedensten Schattierungen dargestellt und überrascht immer wieder mit kleinsten Details. Die Zombies erinnern optisch vor allem an die ersten „Resident Evil“-Spiele, insbesondere wie sie in den Remakes für den Game Cube erschienen sind. Seltsame tentakelähnliche Wucherungen wie aus „Resident Evil 4“ und späteren Titeln sind bisher nicht zu sehen. Insgesamt macht „Marhawa Desire“ optisch einiges her und wird dem echten „Resident Evil“-Feeling durchaus gerecht. Einziges Manko ist der fehlende Sound, der maßgeblich zur besonderen Stimmung der Spiele beiträgt. Unheimliche Schleifgeräusche, bösartige Flüche in fremden Sprachen, gruselige Soundkulissen, bizarre Voodoogesänge und zersplitternde Fensterscheiben sorgten stets für Gänsehauthorror. Das kann man von einem Manga natürlicherweise nicht erwarten. Dennoch gelingt es „Mahrawa Desire“ nur mit optischen Mitteln ein facettenreiches „Resident Evil“-Szenario zu entwerfen, das auch dem eingefleischten Fan gefallen kann.
Fazit
Das Kunststück, „Resident Evil“ als Manga zu inszenieren, ist in „Mahrawa Desire“ durchaus gelungen. Detailreiche Hintergründe und lebendige Figuren machen den Manga zu einem optischen Highlight, das ebenso mit einer spannenden Story und dem richtigen „Resident Evil“-Feeling aufwarten kann. Einzig das Settig ist noch etwas gewöhnungsbedürftig. 4,5 von 5 Punkten.