Titel: Schatten über Innsmouth – Eine Horrorgeschichte Eine Besprechung / Rezension von Thomas Backus
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Story-Titel: Schatten über Innsmouth |
Die heruntergekommene Hafenstadt Innsmouth in Massachusetts wird in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von Regierungstruppen überrannt. Soldaten brennen die meisten Häuser nieder, nehmen die Bewohner in Gewahrsam. Auf das Teufelsriff vor der Stadt werden Torpedos abgeschossen.
Die ganze Aktion gelangt nicht in die Presse. Liberale Menschenrechtler werden in diversen Militärgefängnisse geführt, und jeglicher Protest verstummt.
Wie es dazu kommen konnte, erzählt uns ein junger Mann, der, um historische und genealogische Studien zu treiben, von Newburyport aus nach Arkham reist – und zwar mit wenig Geld. Deshalb nimmt er auch den alten, klapprigen Bus, der durch Innsmouth fährt. Obwohl, oder vielleicht gerade Weil die Bewohner bei ihren Nachbarn einen schlechten Ruf genießen. Sie seien seltsam, wird ihm vom Schalterbeamten zugeflüstert.
Insgesamt wäre Innsmouth schwer vor die Hunde gegangen. Die meisten Fabriken hätten dicht gemacht, und auch der Fischfang hätte nachgelassen.
Mittlerweile jedoch sei die Fischerei wieder sehr erträglich, und in der alten Raffinerie des alten marsch, einem Enkel von Kapitän Obed Marsch würde Gold geschmolzen.
Seine Mutter sei eine Ausländerin gewesen, so wie einige andere Ehefrauen und Mütter auch. Dieses Fremde Blut hat für einige Degenerationen in der Bevölkerung geführt.
Einige munkelten etwas von einem Piratenschatz, den Kapt’n Marsch von einer Südseeinsel mitgebracht habe, andere sprachen von Teufelsanbetung – und eine ganze Legion von Teufeln lugerte am schwarzen Riff herum, und hause dort in Höhlen.
Diese Dinge erfährt also der Reisende, aber es macht ihn neugierig. Er besucht das örtliche Museum und schaut sich eine dort ausgestellte Tiara an, welche aus einer seltsamen Goldlegierung besteht und überdies mit grauenhaften Reliefs verziert ist. Die Muster zeigen eine grässliche Art von Froschfischen...
Dass große Glupschaugen und kahle Köpfe mit Hautlappen in der Halsgegend zum Innsmouth-Lokk gehören, stellt der Reisende Fest, als er am nächsten Tag in diesen Bus steig. Denn sowohl die Fahrgäste, als auch der Fahrer sind auf diese Weise missgestaltet.
Die Stadt Innsmouth ist dementsprechend heruntergekommen. Überall gibt es verfallene Häuser, die unbewohnt scheinen (wobei seltsame Geräusche aus den Häusern dringen, und die ind en unbewohnten Häusern sind die lauteren und unheimlicheren). Die ordentlichen Kirchen hat man vertrieben und in der Freimaurerhalle hat sich der Esoterische Orden Dagons breitgemacht. Der Priester dieser Kirche trägt eine Tiara, die der aus dem Museum gleicht.
Bei einem seiner Spaziergänge deckt sich der Reisende mit Proviant ein, in einem Laden einer Ladenkette. Der Verkäufer beklagt sich über die Seltsamkeit der Innsmouther, und dass er eigentlich mit denen nichts zu tun haben will. Dass er nur hier ist, weil er seinen Job nicht verlieren möchte ... und das der einzige, der mit ihm spreche, der alte Zadok Allen sei – der allerdings allerhand merkwürdiges Zeug erzähle, wenn er betrunken sei.
Natürlich kauft sich der Reisende eine Flasche Fusel um diesen alten Säufer betrunken und redselig zu machen. Und die Geschichte wird bestätigt.
Kapitän Obed Marsh habe auf einer Südseeinsel Eingeborene getroffen, die Handel mit irgendwelchen Wesen aus der Tiefe trieben. Sie erhielten Gold und jede Menge Fisch – und das Gold tauschte der Kapt’n ein, gegen bunte Glasperlen und dergleichen.
Der Häuptling Walakea habe ihm dann erzählt, dass diese Insel auf dem Meer aufgetaucht sei, mit ihren schrecklichen Ruinen und Tempeln, und dass sie dadurch von den Tiefen Wesen erfahren, und den handel mit ihnen begonnen hätten. Doch irgendwann hätten die Seeteufel verlangt, dass sie sich mit ihnen paarten – was die Eingeborenen aber nicht gewollt hätten. Bis sie von der Unsterblichkeit der Tiefen hörten. Dann hätten sie beschlossen, dass das, was sie gekriegt hätten mehr wert gewesen sei, als das, was sie gezahlt hätten.
Die Kanaken hätten alle noch viel sonderbarer ausgesehen, als es allgemein üblich war, nur der Häuptling hatte kein Fischblut in sich, denn es sei Tradition, dass er sich nur mit Königlichem Blut der umliegenden Inseln vermischen dürfe.
Er habe dem Kapitän ein Blei gegeben, dass dieser unter gewissen Ritualen im Meer versenken könne, um die Tiefen an die Oberfläche zu locken.
Doch so mächtig diese Tiefen Wesen waren, es gäbet gewisse Symbole und Beschwörungen der Alten, denen sie nichts entgegenzusetzen hätten – und genau diese Zeichen hätten die Bewohner der umliegenden Inseln gebraucht, um die Teuflische Brut auszurotten (Steine mit einem Hakenkreuzsymbol darauf – die Vorgänger der Sternensteine von Mnar).
Da es nun kein Gold mehr für Kapitän Marsh gab, habe dieser die Wesen direkt beschworen, auf dem Teufelsriff, an dessen Fuß eine Stadt der Tiefen läge. Sie trieben massig Fisch in die Netze der Innsmouther Fischer, Und natürlich brachten sie auch Gold.
Doch auch hier bestanden die Tiefen auf Eheschließungen und Vermischungen des Blutes. Weswegen die Nachfahren späterer Generationen den Fischwesen immer ähnlicher sähen. Sie gingen dann irgendwann ins Meer, wo sie dann unendlich lebten.
Das jedenfalls erzählt Zadok Allen. Doch dann sieht er etwas draußen auf dem Wasser und empfiehlt dem Reisenden, die Stadt schnellstens zu verlassen.
Da die Innsmouther jedoch gesehen haben, wie er mit dem Säufer sprach, täuschen sie eine Motorpanne vor, sodass der Reisende zum Übernachten gezwungen ist.
Tja, und mitten in der Nacht wollen sie dann über ihn herfallen. Er klettert aus dem Fenster, und das wird eine im wahrsten Sinne des Wortes halsbrecherische Flucht. Jetzt verlieren die anderen alle Zurückhaltung – und die Bewohner der Stadt sind hinter ihm her.
Textvergleich:
Und doch sah ich sie – ein nicht enden wollender Strom warschelnder, hopsender, quakender, blökender Gestalten, der sich unmenschlich unter dem gespenstischem Mond wie in einer grotesken, bösartigen Sarabande aus einem phantastischen Alptraum dahinwälzte. Und manche von ihnen hatten Tiaren aus jenem namenlosen, weiß-goldenen Metall ... und manche trugen sonderbare Roben ... und einer, der den Zug anführte, war in einen gespenstisch buckligen schwarzen Mantel und gestreifte Hosen gekleidet und trug einen normalen Filzhut auf dem formlosen Gebilde, das ihm den Kopf ersetzte.
Ich glaube, ihre vorherrschende Farbe war graugrün, doch die Bäuche waren weiß. Sie waren überwiegend glänzend und glitschig, aber die Wülste auf ihrem Rücken waren schuppig. Ihre Köpfe waren die Köpfe von Fischen, mit grotesk glotzenden Augen, die sich nie schlossen. Am Hals hatten sie auf beiden Seiten pochende Kiemen und ihre langen Klauen hatten Schwimmhäute. Sie hopsten unregelmäßig, manchmal auf zwei Beinen und manchmal auf allen vieren.
(...)
Suhrkamp-Übersetzung
Ja, ich habe sie gesehen ... sah sie in endlosem Strome – flatternd, hüpfend, quäkend, blökend – unmenschlich durchs gespenstische Mondlicht flutend gleich einem grotesken, bösartigen Tanz fanatischer Nachtmahre. Und manche von ihnen trugen hohe Kronen aus jenem unbekannten, weißgoldenen Metall ... und manche waren in merkwürdige Roben gehüllt ... und einer, der die anderen anführte, war gekleidet in einem dämonisch buckligen schwarzen mantel und gestreifte Hosen, und er trug einen Männerfilzhut auf dem formlosen Ding, das ein Kopf sein sollte...
Ich glaube, ihre Haut war meist graugrün gefärbt, obgleich sie weiße Bäuche hatten. Sie glänzten glitschig, doch die Wülste auf ihren Rücken waren schuppig. Ihre Gestalt deutete entfernt etwas Menschenartiges an, derweil ihre Häupter Fischköpfe waren, mit wundersam hervorstechenden Augen, die sich nie schlossen. An den Seiten ihrer Hälse befanden sich zitternde Kiemen, und ihre langen Pfoten waren mit Schwimmhäuten versehen. Sie hüpften unregelmäßig, ald auf zwei Beinen, bald auf allen vieren.
(...)
Festa-Übersetzung
Dass der Erzähler diesen Wesen entkommt, liegt nahe. Schließlich leitet er die Angriffswellen der Regierung ein – aber wie,, und was danach mit ihm geschieht, dass müsst Ihr schon selber lesen!
Schatten über Innsmouth ist eine der eindringlichsten Horrorgeschichten überhaupt, und eine meiner Lieblingsgeschichten von H. P. LLovecraft. Sie erzählt von Monstern, aber auch von der Gier der Menschen, denn diesen handel gehen sie schon freiwillig ein. Wenngleich sie wohl nicht wussten, wohin diese Pakte sie führen würden...
Die Tiefen Wesen sind eine Dienerrasse. Der Esoterische Orden Dagons deutet an, dass sie den Meeresgott Dagon anbeten, aber sie Zählen vor allen Dingen zu den direkten Gefolgsleuten des Großen Cthulhu (und ich ärgere mich sehr, dass Zadok Allen unterbrochen wurde, als er von ihren Plänen und den Shoggothen, die bei diesen Plänen eine Rolle spielen, plaudern wollte!)
Offenbar mögen die Tiefen Wesen Menschenopfer – denn diese sind immer ein Teil ihres Pakts. Darüber hinaus haben sie eine Vorliebe für Rassenvermischung und Blutschande, was für Lovecraft der Inbegriff des Grauens gewesen sein muss. Genauso wie die Degeneration, die sich daraus entwickelt. Der Verfall der Stadt, und besonders der Einwohner sich sehr beeindruckend.
Dass der Autor zum Schluss noch eine fiese Pointe nachgelegt hat, ist die Kirsche auf dem Sahnehäubchen, denn die Geschichte hätte auch ohne sie funktioniert. Aber sie macht natürlich Sinn, und Spaß macht sie auch!
Wie gesagt, Schatten über Innsmouth ist zu Recht ein Klassiker. Ich habe sie nun zum x-ten Mal gelesen, und nie wird sie einem Langweilig. Im Gegenteil, man findet immer wieder ein paar köstliche Einzelheiten, die einem so vielleicht noch gar nicht aufgefallen sind. Lovecraft war ein Perfektionist, dem es auf den Gesamteindruck einer Erzählung, aber auch auf Details ankam.
Diese Geschichte war eigentlich zu lang, für seinen üblichen Abnehmer Weird Tales, und deshalb wurde sie lange Zeit nicht veröffentlicht. In Weird Tales nur stark gekürzt, und als Hardcover in einer Auflage von 400 Stück ... woher ich das weiß? Wegen der Festa- Gesamtausgabe...
In Deutschland wurde die Geschichte mehrfach veröffentlicht. Bei Suhrkamp zusammen mit Der Fall des Charles Dexter Ward, dann als einzelne Erzählung.
Weil Frank Festa ein überzeugter Lovecraft-Fan ist, jedoch mit der Suhrkamp-Übersetzung nicht zufrieden war, hat er das Gesamtwerk Lovecrafts neu übersetzen lassen und eine 6bändige Gesamtausgabe herausgebracht (die ich noch gesondert besprechen werde). Im Fall Schatten über Innsmouth mit einer Menge zusätzlichem material, wie Notizen Lovecrafts und einem früheren Entwurf der Geschichte. Allein dafür lohnt es sich, die Festa-Ausgabe zu kaufen!
Handlungsort: Innsmouth
Die Großen Alten / Dienerrassen: die Tiefen Wesen
Erwähnte Große Alte: Vater Dagon, Mutter Hydra, der Große Cthulhu; Shoggothen
Bücher vor Ort: -
Erwähnte Bücher: -
Meine alte Ausgabe: Titel: Der Fall Charles Dexter Ward – Zwei Horrorgeschichten
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- Schatten über Innsmouth Reihe: H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens, Band 17
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