Serie/Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Ulrich Blode |
Auf Weltreisen sind Passagieren bereits viele merkwürdige Dinge widerfahren, zumindest in Buch und Film. Michael Marraks Protagonist Stan Ternasky endet der Flug von New York nach Los Angeles, jedenfalls nicht am gewünschten Ziel, nicht einmal auf der Erde. Er erwacht in einem alten Pontiac auf einer Wüstenstraße mitten im Nichts. Die gesamte Umgebung kann nicht fremdartiger sein, wie der unbewegliche Himmel und die immer abschüssige Straße. Aus dem Radio tönt die Stimme eines gewissen Gamma, für den Stan eine Frau namens Prill finden soll. Eine bestimmte Prill, weil Stan auf seiner Reise wiederholt auf die gleichen Bunkeranlagen trifft. Die Bunker sind mit 627 Personen bewohnt, alles Klone der Menschen, die im Flugzeug saßen. Außer Stan weiß niemand auch nur ansatzweise, was vor sich geht. Die Klone glauben in der Zeit nach einem Atomkrieg zu leben. Stan Ternasky dringt in die Bunker ein und entführt Prill. Um herauszufinden, die richtige Prill gefunden zu haben, nimmt Stan sie mit auf die Reise. Bei der Fahrt zu den Bunkern müssen sie regelmäßig Barrieren durchdringen, die nur die echte Prill durchlassen. Die falschen sterben auf schreckliche Weise.
Die gesamte Welt von Lord Gamma ist ein Experiment der Lords, die auf Stans Treiben aufmerksam werden und beginnen ihn zu verfolgen. Das Radio Gamma führt ihn durch eine skurrile Welt, gibt ihm aber nicht alle Informationen, die er gerne hätte: „HIER IST RADIO GAMMA. Ich komme euch entgegen, ich folge euch. Eins ist wie’s andere. Die Straße geht immer geradeaus, das wißt ihr. Wann, zum Teufel, seid ihr das letzte Mal durch eine Kurve gefahren? Lange her, nicht wahr?“
Als Vorläufer zu Lord Gamma kann die Kurzgeschichte Wiedergänger gesehen werden, mit der Idee für eine Bioresearch Altosphere (BRAS). Für Wiedergänger gab es den Deutschen Science Fiction Preis (2000) und den Deutschen Phantastik Preis (2000).
Michael Marrak erhielt für Lord Gamma den Kurd-Laßwitz-Preis 2001 in der Kategorie bester SF-Roman 2000. In der Laudatio heißt es u. a.: „Michael Marrak gelingt mit seinem Roman Lord Gamma das Kunststück, den Leser in eine absurd erscheinende, möbiusbandartige Welt zu werfen und ihn trotzdem vom ersten Augenblick an diese Welt zu fesseln. Zusammen mit dem Protagonisten versucht der Leser diese Welt zu entschlüsseln, stets geführt von der bildreichen, aber treffsicheren Sprache des Autors.“ (Kurd-Lasswitz.de). Außerdem gab es die Auszeichnung mit dem Deutschen Phantastik Preis (2001).
Lord Gamma ist ein gut zu lesender Roman, der sehr flüssig geschrieben ist. Michael Marrak bereitet die Auflösung sorgfältig vor. Anfangs ist es spannend Stan Ternasky auf seiner Reise im Pontiac (ohne Motor!) zu verfolgen. Später wird es ein wenig verzwickt und man muss schon aufpassen. Letztlich wird der Leser seine Lektüre mit Befriedigung abschließen.
Der Roman ist vielschichtig und mit unglaublichen Ideen durchsetzt, technischen und philosophischen. Zwar fehlt noch einiges hinsichtlich der Beschreibungen und Umsetzung, um Lord Gamma zu einem herausragenden Roman werden zu lassen. Aber offensichtliche Mängel finden sich nicht. Insgesamt ein Roman mit guter Unterhaltung, lesenswert.
Lord Gamma - Rezensionsübersicht