| Reihe: Gentleman Bastards, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Der Stadtstaat Comorr würde wie das mittelalterliche Venedig wirken, wenn nicht die verlassenen Ruinen einer längst vergessenen, übermächtigen Kultur als Fundament gedient hätten. Locke Lamora ist der fähigste Trickbetrüger der Stadt, und einem fast manischen Zwang folgend, denkt er sich immer noch bessere Possenspiele aus, mit denen er den Adeligen in großem Stil das Geld aus den Taschen zieht. Doch damit brechen er und seine Bande, die sich „Gentlemen Bastards“ nennt, einen geheimen Vertrag zwischen dem Adel und der Unterwelt von Comorr, der besagt, dass die Diebe keine Adligen bestehlen und dafür unbehelligt bleiben. Locke Lamora selbst sieht darin nur einen Ansporn weiterzumachen und sein Spiel immer weiterzutreiben. Sowohl die Exekutive als auch die Unterwelt versuchen die Identität des Störenfrieds herauszubekommen, aber Locke lacht nur darüber. Als jedoch der graue König auftaucht und beginnt, die Unterwelt von Comorr zu übernehmen, wird die Schlinge um die Hälse der Gentlemen Bastards enger.
Wenn man den Roman mit einem Satz beschreiben müsste, würde ich sagen: Oceans 11 meets Fantasy. Damit kann man einen recht guten Eindruck vermitteln, worum es in dem Roman geht, würde aber wohl dem Werk nicht gerecht. Locke Lamora steht im Mittelpunkt und d. h., man erfährt auch seine Vergangenheit. Die Kapitel sind ungewöhnlich strukturiert und jedes hat immer zwei Teile. Im ersten Teil wird die gegenwärtige Handlung beschrieben, während der zweite Abschnitt sich mit der Vergangenheit des Protagonisten beschäftigt. Dabei setzt die Geschichte in der Kindheit an, als Locke Lamora als Waise von einer Diebesgilde gekauft wird und schon bald mit seinen riskanten Plänen für Ärger sorgt. Im Verlauf werden die Fragen der Vergangenheit beantwortet, auch wenn nicht alles geklärt wird - was durchaus legitim ist, denn dies ist der erste Band einer auf sieben Bände ausgelegten Reihe.
Stimmungsvoll erzählt Autor Scott Lynch seine Geschichte und legt ein eindrucksvolles Debüt hin. Zu Beginn ist die Geschichte ein klein wenig holprig, als der Autor glaubte, nach einem Blick in die Vergangenheit in der Gegenwart mit kurzen Flashbacks zur Planung des Coups beginnen zu müssen. Das war zu viel des Guten und es hätte wohl bessere Methoden gegeben, den Einstieg in die Geschichte zu finden. Dann jedoch wird der Erzählfluss steter und die Spannung steigt langsam an. Vor allem aber gelingt es dem Autoren noch mit einigen Überraschungen und Wendungen aufzuwarten, was sehr gut ist, denn die Geschichte, so wie sie angelegt ist, lässt für das Ende nicht viele Möglichkeiten offen. Insgesamt ist „Die Lügen des Locke Lamora“ ein gelungener Debüt-Roman, der Lust auf die Fortsetzungen macht.
8 von 10 Punkten.