Titel: Liberty 9: Sicherheitszone
Eine Besprechung / Rezension von Sophia Tepe |
Klappentext:
Die Zukunft hat schon begonnen.
Kendira beherrscht die Regeln. Liberty 9, das riesige Valley samt der beeindruckenden Lichtburg, in der 200 junge Auserwählte leben, ist ihr Zuhause. In völliger Abgeschiedenheit und umgeben von undurchdringlichen Schutzanlagen, leben die so genannten Electoren nach einem vorgegebenen Tagesrhythmus: Morgenappell, Unterricht, hochkonzentrierte computeranimierte Trainings. Kendira glaubt zu wissen, warum. Sie trainiert für einen höheren Zweck – doch nicht alle in Liberty 9 sind so privilegiert wie sie. Der junge Dante ist kaum mehr als ein Sklave. Kendira darf er sich eigentlich gar nicht nähern, doch eine unwiderstehliche Anziehungskraft bringt die beiden zusammen. Dantes Zweifel am grausamen System machen auch Kendira misstrauisch – und bringen beide in größte Gefahr. Denn Liberty 9 ist sicher – todsicher.
Meine Meinung:
Erster Satz: Kendira schreckte aus dem Schlaf und richtete sich mit einem Ruck im Bett auf.
Eine neue Zeitrechnung ist angebrochen, man schreibt das Jahr Phoenix 59. Durch einen jahrelangen Weltenbrand wurde die Welt, wie wir sie heute kennen, zerstört und ein System errichtet, indem Auserwählte in völliger Abgeschiedenheit und Isolation leben. An dessen Spitze steht ein Mann namens Primas Templeton, dem Master, Electoren, Guardians, Prinzipals, Magister und Servanten in einer bestimmten Rangordnung untergeordnet sind. Wie das alles genau zusammenhängt und wer welche Aufgaben in Liberty 9 hat, war mir zuerst noch völlig unklar, da die einzelnen Bereiche nur kurz angesprochen werden und einige unbekannte und eher ungeläufige Begriffe ihr übriges tun. Mit der Zeit jedoch erschließt sich das Gesellschaftssystem durch wiederholtes Lesen aus dem Text heraus und geht schließlich ins Bewusstsein über. Genauso verhält es sich auch mit Geboten und Verboten, die für Kendira und ihre Freunde gelten. Wie schon zu erwarten, sind diese sehr streng und zahlreich vorhanden, sodass man sie als Leser gar nicht alle behalten kann. Den wichtigsten ist man sich mit Fortschreiten der Handlung allerdings bewusst und weiß somit schnell, welche Strafe auf welches Vergehen wartet.
Dass Kendira vollkommen an das System glaubt, ist schnell klar. Mit viel Eifer und Ehrgeiz besteht sie die Prüfungen als eine von den besten und ist auch beim Training immer vorne mit dabei. An etwas schlechtes oder einen Fehler im System ist in ihren Augen nicht zu denken, was mir nur allzu realistisch erscheint. Wie sollte auch jemand, der in Liberty 9 aufgewachsen ist und in dem Glauben erzogen wurde, ihre Ausbildung diene einem höheren Zweck, daran zweifeln? Stimmt, diese Annahme wäre höchst unwahrscheinlich und so finde ich auch die Idee, dass Dante die ersten Zweifel in ihr sät recht gut. Er stellt Fragen, deren Antworten für uns völlig selbstverständlich sind und gerade durch ihn wurde mir persönlich erst das Ausmaß der Sicherheitszone bewusst - teilweise war ich beinahe schon geschockt, als ich erkannt habe, was wirklich hinter all den Lügen der Regierung steckt.
Durch gemeinsame Ermittlungen und so einige heimliche Treffen kommen sich Kendira und Dante näher. Im Großen und Ganzen lässt sich zwar eine gewisse Liebesbeziehung erkennen, diese nimmt aber keinen unbedingt nennenswerten Bestandteil der allgemeinen Handlung ein. Für mich ist diese Tatsache aber kein Nachteil, sondern verhält sich im Gegenteil eher ziemlich positiv. Anders als in vielen anderen Romanen dieses Genres geht die eigentliche Handlung nicht durch einen zu großen Anteil einer Liebesgeschichte verloren und auch die altbekannte Dreiecksbeziehung ist zwar vorhanden, tritt jedoch ausschließlich an vereinzelten Stellen auf.
"Und ihr glaubt wirklich, es ist das Risiko wert, das ihr damit auf euch nehmt,
Dante?" Er erwiderte ihren Blick mit einem Lächeln und nickte. "Du hast Recht,
es gibt nur wenige Dinge, für die es sich lohnt, das eigene Leben einzusetzen.
Aber ich habe jetzt sogar zwei davon ..." "Und die wären?" Ihre Stimme
war kaum lauter als das leise Flüstern der Blätter über ihr im warmen Wind.
"Die Freiheit und die Liebe", sagte Dante. - S. 346
Kendiras Charakter hat mir persönlich nicht immer gefallen: Zu Beginn wirkt sie auf mich teilweise etwas naiv, was sich jedoch schnell ändert - vielleicht sogar etwas zu schnell. Wie schon erwähnt, fängt die Protagonistin erst durch den Kontakt zu Dante an am System zu zweifeln und verwandelt sich von heute auf morgen von der blind gehorchenden Electorin zur starken Rebellionskämpferin. Und obwohl es so möglicherweise etwas überspitzt ausgedrückt ist, macht sie trotzdem eine enorme Entwicklung in kürzester Zeit durch, was meiner Meinung nicht unbedingt realistisch erscheint, ihr dennoch einiges an Sympathie beschert. Ich muss zugeben, dass Kendira mir im Nachhinein deutlich besser gefallen hat als vorher, man noch mal ein Auge zudrücken und die etwas unrealistische Beschreibung ihrer sehr drastischen Entwicklung deswegen verzeihen kann.
Im Gegensatz dazu weisen einige der Nebencharaktere nämlich kaum eine Entwicklung auf und gestalten sich die ganze Handlung über sehr flach. Man erfährt kaum mehr von ihnen als den Namen und eine kurze äußerliche Beschreibung, was ich an vielen Stellen des Buches sehr schade finde. Natürlich verhält es sich auch nicht mit allen Nebencharakteren so, Kendiras beste Freundin Nekia oder Nervensäge Zeno zum Beispiel haben mir neben den Protagonisten auch sehr gut gefallen.
Dagegen jedoch alles andere als flach ist die Spannung in "Liberty 9". Beginnt der Roman noch ziemlich ruhig, wird er immer spannender bis er schließlich mit einem grandiosen Ende viel Potential für den Folgeband schafft. Ab einem gewissen Zeitpunkt ist es schwer und teilweise fast schon unmöglich, Rainer M. Schröders Werk aus der Hand zu legen, was die Seiten nur so dahinfliegen lässt. Viel dazu beitragen tuen meiner Meinung nach die Kapitel, die aus der Sicht eines Unbekannten geschrieben sind (personaler Erzähler) und somit noch mehr Rätsel aufwerfen. Man möchte einfach wissen, wer dieser Mann ist, der genauso wie Kendira und Dante Bescheid weiß über die Machenschaften der Regierung und diese für falsch empfindet und liest deswegen schon immer weiter, weil man hofft, im nächsten Kapitel, das der unbekannte Erzähler aus seiner Sicht schildert endlich hinter das Geheimnis zu kommen.
Fazit:
Rainer M. Schröder hat mit seiner Dystopie "Liberty 9: Sicherheitszone" eine interessante und grausame Zukunftsversion erschaffen, die mich sehr begeistern konnte. Hatte ich auch erst leichte Schwierigkeiten mit Protagonistin Kendira, sind diese schnell vergangen und machten Sympathie Platz. Genügend Spannung ist außerdem vorhanden, sodass die Seiten nur so dahinfliegen und man einfach immer wissen möchte, wie es weitergeht. 4 Sterne!