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Reihe: Die geheime Mission, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Dies ist eine Geschichte in einer alternativen Welt des Jahres 1914. Ausgehend vom Tode des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand am 28. Juni des Jahres, wird die Geschichte durch Scott Westerfeld neu geschrieben. Die Deutschen stecken hinter dem Anschlag, weil sie den Pazifisten Franz Ferdinand von Habsburg aus dem Weg räumen wollen. Er muss sterben, weil er damit den Anstoß zum großen Krieg gibt. Der Mord am Erzherzog und seiner bürgerlichen Gattin reißt Europa in den Großen Krieg (wie er bis zu Beginn des 2. Weltkrieges genannt wurde) und macht den gemeinsamen Sohn Alek zur Waise. Hier beginnt bereits die neue Welt von Scott Westerfeld, denn den Thronerben Aleksandar gab es nie. Prinz Aleksandar ist mit einigen Getreuen auf der Flucht vor seinen eigenen Leuten, die ihn gnadenlos jagen. Damit befindet er sich plötzlich zwischen den Parteien. Das Europa in Leviathan ist in zwei große Machtblöcke aufgeteilt. Auf der einen Seite stehen die sogenannten Mechanisten, das sind die Länder Österreich-Ungarn, Deutschland und das Osmanische Reich. Ihre Basis stellen ihre Maschinen dar. Sie stellen riesige mechanische Gerätschaften und Maschinen her, die auf Grundlage der Dampfkraft funktionieren und die von Menschen gesteuert werden. Ihnen gegenüber stehen die Darwinisten, die Länder Großbritannien, Frankreich und Russland. Diese Länder sind mittels Genmanipulation in der Lage, Hybriden aus den verschiedensten Tieren zu erschaffen. Weil Charles Darwin die DNS entdeckte und anwenden konnte, besteht nun ein Verfahren, fast beliebig DNS-Stränge zu verknüpfen, um neue Lebewesen bis zu komplexen Ökosystemen fast industriell herzustellen. Sie dienen als Transportmittel und als Kriegswaffen.
Auf der Flucht in die neutrale Schweiz gerät Aleks mit einem fast vierzig Tonnen schweren Wanderpanzer (Sturmläufer) und seiner Mannschaft in eine unmögliche Situation. Sie sehen das gelandete britische Riesenwalfischluftschiff und können sich an Bord, eben im Leviathan, verstecken. Dies ist ein riesiges Lebewesen, welches die Ähnlichkeit mit einem Zeppelin nicht verleugnen kann. Die Leviathan wurde von den Darwinisten gebaut und kann sich selbst versorgen. Auf diesem Luftschiff befindet sich Darwins Enkelin auf einer geheimen Mission. Ihr Ziel ist das osmanische Reich. Um den Deutschen zu entkommen, müssen sich die Mechanisten mit den Darwinisten verbünden. Notgedrungen fliegen Aleks und seine Leute also mit ins osmanische Reich.
Die neue Verbündete von Aleks ist der Junge Dylan, hinter dem sich Darwins Enkelin Deryn versteckt. Nur als Kabinenjunge verkleidet kann sie an Bord des Luftschiffes bleiben. Als Mädchen hätte sie keine Chance gehabt, an Bord zu kommen. Dabei begann alles in London: Deryn Sharp versucht als Junge getarnt als Kadett in die Luftwaffe ihrer Majestät aufgenommen zu werden. Sie will in die Fußstapfen ihres Vaters treten. Mädchen dürfen nicht in die Armee, doch Bruder Jaspert ist hilfsbereit. Deryn muss stets fürchten, dass man ihre Maskerade durchschaut und sie ihren Traum vom Fliegen aufgeben muss. Bereits an ihrem ersten Tag gerät sie in Schwierigkeiten. Ihr Huxley (Ballon) wird nervös, weil eine Schlechtwetterfront naht. Das macht sie etwas unsicher, und sie landet später mehr oder weniger aus Versehen auf dem Luftschiff Leviathan, das auf einer wichtigen Mission unterwegs ist.
Scott Westerfeld fügt einige neue Ideen zu einem neuen Weltbild und es macht sehr viel Spaß, den jugendlichen Helden auf ihrer Irrfahrt zu folgen. Steampunkphantastik, wie sie gerade modern ist und sicher noch längere Zeit die Phantastik dominiert, die nicht mit Vampiren zu tun hat, in Verbindung mit einem Jugendbuch wird zu einem kurzweiligen Abenteuer. Zwar dauert es etwas, bis wirkliche Spannung aufkommt, doch das ist bei einer größeren Geschichte nicht ungewöhnlich. Immerhin wird die beschriebene Welt dem Leser sehr nahe gebracht.
Keith Thompson ist der zweite Mann, dem man für dieses Buch Respekt zollen muss. Sein Titelbild, das farbige Vorsatzblatt und die vielen Bleistiftzeichnungen sind hervorragend gelungen.
Im Laufe des Abenteuers wird erklärt, wie die unglaublichen Züchtungen der Darwinisten, die Evolutionstheorie und die Komplexität von Ökosystemen funktionieren. Ebenso wie die an Battlemechs erinnernden Kampfmaschinen der Deutschen.
Leviathan ist ein sehr gelungener Steampunk-Jugendroman. Die Helden der Erzählung sind sympathische Charaktere, die im April 2011 mit dem Folgeroman Behemoth ihr zweites Abenteuer bestreiten müssen. Die zaghafte Freundschaft zwischen Aleks und Deryn steht eindeutig im Mittelpunkt. Sehr schön ist zu verfolgen, wie sich der arrogante Sohn des Erzherzogs zu einem verantwortungsbewussten junger Mann entwickelt.