Titel: Der letzte Schattenschnitzer Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Einer der bedeutensten Alchimisten seiner Zeit war George Ripley. Mit seinen arkanen Künsten faszinierte er immer wieder die Reichen und Mächtigen. Dennoch war ihm nicht daran gelegen, selbst eine Machtposition einzunehmen. Sein Augenmerk fiel eher auf die Schattenmagier und die katholische Kirche. Beide Gesellschaftsformen behagten ihm nicht, und so versuchte er, verzweifelt und vergebens, einen eigenen Weg einzuschlagen und die anderen an ihrem Weg zu hindern.
Allerdings musste er einsehen, dass er den ihm entgegenwirkenden Kräften nichts entgegenzusetzen hatte. Seine wenigen Freunde, die sich ihm und seiner Sache widmeten, wurden gnadenlos gejagt, gefoltert, gequält und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die Schattenschnitzer der Chaldäischen Schule verloren ihre Schatten, die von ihren Gegnern, den Schattensprechern, im Limbus eingekerkert wurden. Nun steht Ripley auf verlorenem Posten. Er befürchtet zurecht, von den Schergen der Kirche und den Schattensprechern aufgespürt zu werden. Auch er würde, zumindest sein Körper, den reinigenden Flammen der Inquisition übergeben. Seinem Schatten hingegen würde, wie allen anderen bisher, der Limbus drohen. Um eines Tages fliehen zu können, schafft er es, das Eidolon, einen künstlichen Zugang zum Limbus, sicher vor den Verfolgern zu verbergen und vor deren Zugriff zu schützen.
Einige Jahrhunderte später scheint die Zeit gekommen zu sein, den alten Fluchtplan des Alchimisten in die Tat umzusetzen. Es gilt, die gefangen genommenen Schatten zu befreien und somit Gott herauszufordern. Es gilt, mithilfe der im Limbus gefangen gesetzten Schatten die Herrschaft über die Menschheit anzustreben, der Kirche und den Schattensprechern Paroli zu bieten. Ein Plan, den in die Tat umzusetzen viel Kraft und Tücke erfordert. Dazu gehört die Geburt zweier Kinder, die sich nicht kennen und die ihren eigenen Zweck nicht kennen, aber erfüllen sollen. So werden nun zwei Kinder geboren, mit unbestimmtem Ziel und Zweck. Eines davon ist das Mädchen Maria, ein Körper ohne Seele, in dessen Hülle das Eidolon schlüpfte. Das Eidolon benötigte Platz, und so musste die Seele des Neugeborenen weichen. Die andere Person ist der Junge Jonas Mandelbrodt. Ihm ist es vorherbestimmt, einmal der mächtigste Schattenschnitzer der Welt zu werden. Jonas wird, seit er die Augen nach der Geburt öffnete, von seinem eigenen Schatten unterrichtet - in den vergessenen Künsten der Alchimisten, der allseits verbotenen Magie der Schattenschnitzer, den geheimen Erkenntnissen über Gott und die Welt und vor allem darin, wie man sie anwendet. Eines Tages, so sein Schicksal es zulässt, wird er über das Wohl und Wehe der Welt entscheiden.
Und schon bald scheint das Schicksal der Welt besiegelt. Die mächtigen Siegel, die den Zugang zum Limbus schützen, damit keiner von dort entweichen kann, werden eines nach dem anderen erbrochen. Der schützende Rat wird verraten und irgendwo treibt ein Verräter sein Unwesen, der die unsterblichen Schattensprecher einen nach dem anderen ermordet.
Ich kenne den Autor Christian von Aster nicht, der mir immer wieder als ein Meister des geschriebenen und des vorgetragenen Wortes beschrieben wird. Zumindest seine Bücher, die ich kenne, sind sehr pointiert, sprühen vor Esprit und machen Spaß beim Lesen. In dem vorliegenden Roman, Der letzte Schattenschnitzer, greift er neben der reinen Jugendbuchthematik das Thema Alchimie auf, wie es nur allzu häufig der Fall ist. Dabei hält er sich nicht an einem bestimmten Teilbereich auf, sondern greift auch zu Themen, die lange nicht mehr in der Literatur behandelt wurden. Dazu zählt auch der Golem des Rabbi Löw, der im Judenghetto in Prag sein Unwesen trieb. Gleichzeitig greift er das immer beliebtere Thema Engel auf und verbindet es mit der dunklen Seite, den Schatten. Allerdings bin ich der Meinung, hier war etwas zu viel des Guten. Vor allem weil er vom ernsten zum humorvollen Thema springt wie Kinder bei einem Seilhüpfen. Das mag für den einen lustig wirken, ein anderer Leser ist eher der Meinung, es nervt.
Im Großen und Ganzen ist der Roman durchaus unterhaltsam, aber nicht immer ansprechend. Die Frage, die sich mir stellte, war: Will er unterhalten oder zum Nachdenken anregen. Beides ist durchaus lobenswert, aber in dieser Zusammenstellung nicht ganz gekonnt umgesetzt.