Titel: Innswich Horror Eine Besprechung / Rezension von Thomas Backus
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Der Ich-Erzähler der Geschichte, Foster Morley, stammt aus Providence. Er ist ein Gentleman, der sich für das Makabre und Phantastische begeistert, genauso wie Howard Phillips Lovecraft, den er nur den Meister nennt. Im Gegenteil zu diesem verfügt er jedoch über einen Beruf (Antiquitätenhändler) und ein beträchtliches Vermögen.
Letzteres ermöglicht es ihm, auf den Spuren des Meisters zu reisen. In dem vorliegenden Fall mit dem Bus von Newburysport und Salem. Der Bus ist nicht so heruntergekommen, wie der in der Erzählung Schatten über Innsmouth, und weder Fahrer, noch Fahrgäste leiden unter dem berüchtigten Innsmouth-Look. Und wie enttäuscht ist der Fan, als sich das Städtchen als sauber und aufstrebend entpuppt, als die deutlichen Zeichen des Verfalls zu präsentieren – oder zumindest Andeutungen davon, die den Meister zu seinen unnachahmlichen Beschreibungen inspiriert hat.
Aber dies wäre kein Horror-Roman, wenn hinter der leckeren Schale nicht ein fauler Kern stecken würde. Ein erstes Indiz ist der Name der kleinen Stadt: Olmstead. So Lovecraft seinen Protagonist in seiner Horrorgeschichte (Später wird sich herausstellen, dass die Stadt früher den Namen Innswich Point trug).
Auch sonst hat sich HLP anscheinend keine große Mühe gemacht, die Namen unkenntlich zu machen. Aus Hilman House wurde Gilman House (Morley bewohnt folgerichtig Zimmer 428), aus der Larsh-Raffinerie wurde die Marsh- Raffinerie usw.
Was ebenfalls recht seltsam scheint: Überdurchschnittliche viele Frauen sind schwanger. Sie alle sind hübsch und freundlich, sie scheinen Morley zu mögen und vielleicht sogar zu begehren.
Nun, bei einer jungen Frau ist das auf jeden Fall so. Sie kommt aus einem kleinen Laden heraus, um ihn zu einem Eis zu überreden. Sie heißt Mary Simpson und ist natürlich ebenfalls schwanger. Aber das scheint Morley nicht sonderlich zu stören – obwohl er als Gentleman die gleichen übertriebenen Moralvorstellungen zu besitzen scheint. Na ja, nicht ganz, wie sich innerhalb der Geschichte erweisen wird – jedoch nie ohne die dazugehörigen Schuldkomplexe.
Jedenfalls scheint ihr Bruder Paul der junge Mann zu sein, der Lovecraft (der sich als Vorbild für Olmstead nahm) eine Karte der Stadt zeichnete (und das scheint die einzige Ungenauigkeit zu sein, da der Ladenbesitzer in Lovecrafts Geschichte von Außerhalb stammt). Es gäbe sogar ein Foto, die die beiden vor dem Leuchtturm zeigten. Dieses Foto habe Cyrus Zalen (dessen Großvater Adok Zalan erinnert Euch an Zadok Allen?) geschossen, aber das sein ein Schuft und Dieb und Morley solle ihn auf keinen Fall aufsuchen. Der Gentleman verspricht ihr dies, sucht ihn aber trotzdem auf. Und aus einem Säufer hat Lee einen heroinabhängigen Zuhälter gemacht, der sich seinen nächsten Schuss mit Pornografie verdient.
Die Unterhaltung mit Zalan ist nicht halb so informativ, wie die mit Zadok. Aber zumindest deutet er an, dass die Geschichte, die Lovcraft schrieb, mehr auf Tatsachen beruht, als man allgemein von einem Horrorschriftsteller meinen sollte. Er habe damit ziemlich viele Leute beleidigt, die jetzt sauer seien. Und ja, Morley auf keinen Fall nachts an den Hafen gehen, oder gar in die Gänge eindringen, welche die Schmuggler gegraben hätten.
Die Ereignisse spitzen sich zu, als Morley im Hotel eincheckt. Diesmal trachten ihm die Bewohner nicht nach dem Leben, jedenfalls nicht sofort. Durch einen Zufall stößt er auf einen geheimen Gang, von dem aus man in alle Zimmer sehen kann. Er wird vom Opfer zum Spanner – und was er sieht, hätte Lovecraft als unbeschreiblich bezeichnet. Edward Lee hat diese Hemmungen nicht. Er beschreibt in allen grausamen Details, wie die Frauen zu ihrer Schwangerschaft kommen. Klar, sie werden begattet, aber von wem?
Nun, von Männern, die nicht mehr davonlaufen können, und die in ihrer körperlichen Versehrtheit den Zeugungsakt nicht wirklich genießen ... aber Dr. Anstruther kennt keine Gnade, schließlich stehen die Tiefen noch immer auf Menschenopfer. Allerdings scheinen sie Geschmack an Babys gefunden zu haben...
... und nun nimmt die Geschichte Züge an, die nicht mehr so wirklich zur Vorlage passen. Aber andererseits doch. Kannibalismus ist auch in Lovecrafts Geschichten zu finden. Widerliche Sexpraktiken auch (wenngleich nicht so ausführlich beschrieben). Was es bei Lovecraft nicht gegeben hätte: Gentechnik (und ich bin mir sicher, in den 30er Jahren auch nirgendwo sonst). Dass die Rituale nur Blendwerk für finsterere Pläne sind, auch nicht.
Allerdings hat uns HPL auch nie in die unterirdische Gänge geführt – und was uns Lee dort gezeigt hat, das hat was. Ich wage sogar zu behaupten, dass allein diese Szenen dort unten den Kaufpreis des Buches rechtfertigen!
Der Autor hat seine Hausaufgaben gemacht. Seine Kenntnis über das Leben und das Werk Lovecrafts ist umfassend. Dass Salem Pate stand für das hexengeplagte Arkham, dürfte allgemein bekannt sein. Doch wer weiß schon, dass der Protagonist aus Schatten über Innsmouth Robert Olmstead heißt? Im Roman wird der Name nie erwähnt (allderdings in Lovecrafts Notizen, welche in Der Kosmische Schrecken aus dem Festa-Verlag veröffentlicht wurden.
Die Übersetzerin übrigens auch. Sämtliche erwähnten Lovecraft-Geschichten sind mit den deutschen Titel versehen. Dass The Haunter of the Dark hier Der leuchtende Trapezoeder heißt, deutet darauf hin, dass sie sich an der Suhrkamp-Ausgabe orientiert hat, bei Festa heißt er richtig Jäger der Finsternis.
Insgesamt lesen wir hier einen Roman, der als Hommage an Schatten über Innsmouth gedacht ist, der aber über ein einfaches Plagiat weit hinaus geht. Klar, in einigen Teilen entfernt sich Edward Lee stark vom Original. Das ist an manchen Stellen schade, an anderen jedoch wahnsinnig genial. Nur eins ist es nicht: Modern. Denn der Autor hat sich bewusst entschieden, die Geschichte nicht nur in der Vergangenheit spielen zu lassen, er hat sich auch dem Stil des Originals angepasst – und das hat mir alles ausgesprochen gut gefallen!
Handlungsort: Olmstead (Innswich Point)
Die Großen Alten / Dienerrassen: Michlinge, die Vollblütigen / die Dagoniten (Tiefe Wesen)
Erwähnte Große Alte: Dagon
Bücher vor Ort: -
Erwähnte Bücher: -
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