Titel: LARP: Einblicke |
Die vorliegende Aufsatzsammlung erschien anlässlich derr Live-Rollenspiel-Konferenz "MittelPunkt 2010", veranstaltet vom Deutschen Liverollenspiel-Verband e.V. Sie beschäftigt sich mit der Verknüpfung eines LARP (Live Action Roleplay) mit der herkömmlichen Pädagogik in Schulen und ähnlichen Bildungsreinrichtungen. Aufgrund dieses doch sehr komplexen Themas fanden sich mehrere gut qualifizierte Autoren, um einen passenden Beitrag hierzu in das Büchlein einzubringen.
Die dargebotene Bandbreite der Aufsätze ist recht groß. Das geht von einem - zwar nicht so umfangreichen, jedoch in der Form mit einer Facharbeit identischen - Aufsatz, in dem die Grundzüge eines LARP und die Parallelen zur klassischen Bildung verglichen werden, bis hin zu Fallbeispielen schon erfolgreich durchgeführter Aktionen.
Thomas Harviainen wirbt in "Live-Rollenspiel als Kunstform" sehr engagiert und mit zahlreichen Querverweisen dafür, das LARP als eigenständige Kunstform zu akzeptieren und wahrzunehmen. Derzeit ist es wohl so, dass Rollenspiele in der breiten Öffentlichkeit und so auch von möglichen Sponsoren und Kulturträgern als "Kinderspiele" betrachtet werden. Harviainen weist in seinem Text darauf hin, dass man hier in anderen Ländern schon einige Schritte weiter ist, während in Deutschland bislang keine größeren zielgerichteten Aktionen dieser Art zu finden seien.
Interessant der Aufsatz von Myriel Balzer über "Das Erzeugen von Immersion im Live-Rollenspiel". Bei der Immersion geht es darum, dass der Spieler so vertieft in seine Spielewelt ist, dass er in der Realität banale Dinge wie beispielsweise rote Schaumstoffbälle ganz natürlich als magische Feuerbälle ansieht. Balzer gibt dem Spielleiter wichtige und hilfreiche Tipps, wie man die Immersion bei den Spielern erzeugen und störungsfrei aufrechterhalten kann. Sie geht dabei auch auf die Grenzen des Spieles ein und welche Gedanken man sich als Spielleiter machen sollte, um Realität und Spiel auch in Regeln klar zu trennen. Als Beispiel sei hier der Ruf nach einem Sanitäter erwähnt: Wie kann man im Spiel klarstellen, welche Form gebraucht wird - eiin realer Sanitäter, weil sich ein Spieler verletzt hat, oder ein Heiler innerhalb des Spieles, da der Charakter Blessuren davongetragen hat?
Der amüsanteste Artikel (und auch ein sehr aufschlussreicher) stammt von Jupe Rantalainen. In "Food as a Narrative" geht er in einem lockeren Stil darauf ein, welche Macht das Essen und auch deren Zubereitung auf das Rollenspiel ausüben kann. Der Autor zitiert sogleich die TV-Köche Gordon Ramsay und Anthony Bourdain - und nun kann sich der wissende Leser (die entsprechenden TV-Shows wurden im deutschsprachigen Spartensender D-MAX ausgestrahlt) auch gut den Charakter des Autors vorstellen. Beeindruckend sind seine Beispiele, wie Essen ein Rollenspiel fördern, aber auch zerstören kann. Wie in einer bestimmten Art und Weise zubereitetes Essen auch eine gewisse Stimmung hervorrufen kann und die Atmosphäre des Settings unterstützt. Zugleich appelliert er an die Spieler, sich doch auch im Klaren darüber zu sein, dass hinter dem meist hastig verschlungenen Essen während eines LARP viel Arbeit und auch oft Liebe steckt und man dies auch respektieren sollte. Der Artikel ist, ebenso wie der folgende, in englischer Sprache verfasst.
Malik Hyltoft möchte in seinem Beitrag "...why EDU-LARP works" darstellen, wie ein LARP dazu genutzt werden kann, um bestimmte Fähigkeiten und Lerninhalte zu vermitteln und auch dauerhaft in den Köpfen zu speichern. Der Artikel ist eine Einführung zu Ulrich Janus Schrift "Live-Rollenspiel in der Schule", die den vorhergegangenen Artikel vor allem in Bezug auf deutsche Besonderheiten ergänzt und Möglichkeiten aufzeigt, wie ein Rollenspiel für die verschiedensten pädagogischen Ziele verwendet werden kann.
Nach dem Motto "Kritik ist gut, Vorbild ist besser" werden im zweiten Teil des Buches mehrere Fallbeispiele geschildert, wie Schulprojekte wie Suchtprävention oder Ferienfreizeiten als LARP durchgeführt werden können und das vorgegebene Ziel erreicht wurde. Dabei gehen die verschiedenen Autoren sowohl auf die notwendigen Vorbereitungen und Vorgespräche ein als auch auf das Spiel selber und zudem auf notwendige Nacharbeiten wie Feedback und Reflektion. Besonders haben mich hier die Beiträge zur Einbindung behinderter Kinder in ein LARP und ein Fallbeispiel eines LARP im Rahmen der oben erwähnten Suchtprävention, durchgeführt von einem Gymnasium, beeindruckt.
Das Werk "LARP: Einblicke" richtet sich weniger an den 'gemeinen' Spieler - wobei dieser sicherlich auch interessante Aspekte seines Hobbys kennenlernen wird - als eher an Spielleiter, Organisatoren und rollenspielfremde Personen, die sich einen Eindruck davon machen wollen, was mit einem LARP möglich ist und was nicht. Dabei werden nicht nur qualifizierte pädagogische Ansätze geboten, sondern auch praktische Tipps zur Durchführung von projektierten Spielen und Anreize, sich mit dem einen oder anderen Aspekt doch nochmals gedanklich auseinander zu setzen. Grundsätzlich erweitert das Buch den Verständnishorizont eines LARP-SL oder Spielers.