| Reihe: Kushiel, 1. Band Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Phèdre D’Angeline wurde in einem der dreizehn herrschaftlichen Häuser des Reiches Terre d’Ange geboren, doch wegen eines unheilvollen Mals an ihrem Auge wird sie als unrein von ihrer Mutter, die wegen der Ehe verstoßen wurde, ans Nachtpalais verkauft. So wuchs Phèdre in einer Schule für Kurtisanen auf. Der Edelmann Delaunay erkennt bald den wahren Wert des Mädchens, denn das Mal ist das Zeichen Kushiels, eines Gottes. Er erkennt Phèdre als das, was sie ist: eine Anguisette. Von Kushiel gezeichnet, zieht sie Lust aus Schmerz, und dies macht sie für den dekadenten Adel des Reichs zu der wertvollsten Gespielin des Reichs. Delaunay kauft dem Nachtpalais das Mädchen ab und beginnt Phèdre intensiv zu schulen, denn Delaunay ist bestens vertraut mit den Intrigen am Hof und er sieht in dem Mädchen einen Schlüssel zu vielen Geheimnissen, die sie dann ihren Freiern entlocken soll. So erhält das Mädchen eine Bildung, die selbst über das Maß einer Adeligen hinausgeht, und tatsächlich geht die Rechnung auf. Delaunay, der Phèdre immer mit Respekt behandelt hat, erfährt so manches interessantes Geheimnis und wegen ihrer Verbindung zu Kushiel empfindet Phèdre ihren Dienst als durchaus angenehm, wenngleich jede andere Person im Königreich das anders sehen würde. Nicht lange, und Phèdre hat ihre sogenannte Marque verdient: Die Vervollständigung des Tatoos auf ihrem Rücken bringt ihr die Freiheit, doch an jenem Tag, als dieser Schritt vollzogen wird, offenbart sich eine Intrige, die das Leben aller Angehörigen des Hauses Delaunay gefährdet und das Reich Terre d’Ange in den Grundfesten erschüttert. Und Phèdre steht im Zentrum der Ereignisse.
Wenn man die Beschreibung liest, kann man eine jener schlüpfrigen Fantasy-Schmozetten erwarten, aber Autorin Jacqueline Carey schreibt sehr dezent und Phèdre ist in erster Linie eine interessante Figur, die meisterlich beschrieben wird. Die sicherlich unvermeidlichen Szenen, in denen Freier recht unschön mit der Anguisette umspringen, sind dezent verfasst und driften nie wirklich ins Pornographische ab. Sie sind, was sie sind: ein kleiner Teil des Romans, nicht mehr und nicht weniger. Viel wichtiger ist aber der Weg von Phèdre in all den Intrigen von ihrer Kindheit bis hin zur erwachsenen Frau. Dabei bietet die Autorin eine recht gelungene Mischung aus den Geschichten eines Alexandre Dumas, den Geschichten um japanische Geishas sowie einer Portion griechischer Mythologie (auch wenn jetzt keine griechischen Götter vorkommen). Hinzu kommt, dass das Ganze in einem alternativen Europa spielt. Das Volk der D’Angeline geht aus der Verbindung von Göttern und Menschen hervor und entgegen den barbarischen Nachbarn sind die Bewohner des Reichs sehr den musischen Künsten geneigt.
Es fällt schwer, das Buch so richtig zu beschreiben. Jacqueline Carey hat Literatur studiert, und das merkt man dem Buch jederzeit an. Ich kenne das Original nicht, aber ich stufe die Übersetzung als sehr gelungen ein. Übersetzerin Ann Lecker hat sehr solide Arbeit geleistet. Obwohl das Werk 950 Seiten hat, die durchaus eng beschrieben sind, liest sich das Werk sehr flüssig und der Spannungsbogen reißt nie ab. Dabei gewinnt die Autorin die Spannung nicht unbedingt aus Action (obwohl am Ende es zu einigen großen Schlachten kommt), sondern aus den Lebensumständen Phèdres. Sprachlich immer auf hohem Niveau, wird die Geschichte packend erzählt, und so überrascht es nicht, dass man am Ende des sehr umfangreichen Buchs fast traurig ist, dass alles vorbei ist.
Kushiel - Das Zeichen ist nicht nur Auftakt einer Trilogie, sondern auch das Erstlingswerk der Autorin. Auch das belegt die Qualität des Buchs, denn wie sonst wäre es einer unbekannten Autorin gelungen, so einen dicken Debütroman an den Mann zu bringen?
Fazit: ein wirklich sehr gelungenes Debüt einer guten Autorin, das mit einer höchst ungewöhnlichen Geschichte aufwartet, die zu überzeugen versteht.
8 von 10 Punkten.