Serie: ~ Eine Besprechung / Rezension von Rainer Innreiter |
Als 1898 der Roman War of the Worlds des englischen Schriftstellers Herbert George Wells zunächst in England erschien, konnte niemand ahnen, dass hiermit der Grundstein zu einem Medienphänomen gelegt worden war. Wells berühmtestes Werk ist das vielleicht einflussreichste Science-Fiction-Buch aller Zeiten und beeinflusste nicht nur unzählige (meist dümmliche) Filme und Bücher, sondern wurde zudem höchst erfolgreich 1953 verfilmt, avancierte 1938 durch Wells Fast-Namensvetter Orson Welles zum bekanntesten Hörspiel überhaupt, wurde von Jeff Wayne Ende der 1970er Jahre zu einem Musical adaptiert und selbst Computerspiele basieren auf War of the Worlds
Während sich der Rock-Musiker Jeff Wayne sehr eng an das Original hielt, waren alle anderen Adaptionen entweder sehr freie Adaptionen oder entfernten sich völlig davon.
Gut ein Jahrzehnt nach dem ärgerlich trivialen Independence Day wagte sich der erfolgreichste Regisseur aller Zeiten an eine Neuverfilmung dieses Klassikers. Zu Recht begegneten viele Verehrer des Wells-Romans diesem Vorhaben mit größter Skepsis, sprachen doch nicht gerade wenige Punkte für ein weiteres missglücktes Remake: Spielbergs Glanz hatte ab Mitte der 90er erheblich an Leuchtkraft eingebüßt, waren seine Filme doch weder finanziell, noch künstlerisch mehr als Mittelmaß. Die Handlung sollte aus dem viktorianischen britischen Empire ins New York der Gegenwart verlegt werden. Der Starttermin war um zwei (!) Jahre vorverlegt worden und zwischen Beginn der Aufnahmen und dem Release lag nicht einmal ein Jahr - völlig unüblich für einen Film dieser gewaltigen Größenordnung.
Und als wollten sich die Produzenten sowie Steven Spielberg noch ein weiteres Loch ins Knie schießen, wurde es Filmkritikern untersagt, vor dem weltweiten Start des Films Kritiken zu veröffentlichen. Fasste man all dies zusammen, konnte man nur zu dem Schluss gelangen, dass ein hektisch zusammengestellter Film in die Kinos gelangte, welcher dermaßen grottenschlecht war, dass man sich vor den vernichtenden Kritiken fürchtete.
Ich gebe zu, dass ich darob ein mehr als schlechtes Gefühl hatte, als ich den Kinosaal betrat. Um so überraschter war ich knapp zwei Stunden später - Krieg der Welten Ist mit Abstand einer der intelligentesten, spannendsten Science-Fiction-Filme der letzten Jahre! Warum, soll gleich erläutert werden.
Zum Inhalt: Der Dock-Arbeiter Ray Ferrier (Tom Cruise) bekommt übers Wochenende von seiner Ex-Frau Mary ihre beiden Kinder Robbie (Justin Chatwin) und Rachel (Dakota Fanning).aufs Auge gedrückt. Ray kommt seinen Vaterpflichten nur widerwillig nach, da er weder für Robbie, der ihn hasst, noch für Rachel besonders herzliche Gefühle empfindet.
Unterdessen braut sich im wahrsten Sinne des Wortes ein gewaltiger Sturm über den Köpfen der zerstrittenen Familie zusammen: Blitze schlagen an ein und derselben Stelle immer wieder ein, ohne dass das hierbei übliche Donnern zu vernehmen wäre. Zugleich fällt in der ganzen Stadt der Strom aus und sämtliche Wagen stehen still. An der Einschlagstelle der Blitze geschieht noch mysteriöseres: Ein riesiger Krater reißt ein klaffendes Loch in den Asphalt. Staunend beobachten hunderte Schaulustige, unter ihnen Ray, das seltsame Geschehen.
Plötzlich erhebt sich aus dem Loch ein Etwas, das sich als dreibeinige Maschine ("Tripod") ungeheurer Größe entpuppt, die augenblicklich mit dem beginnt, für das sie geschaffen wurde: Tod und Verderben zu säen. Gnadenlos pulverisiert der Hitzestrahl des Tripods einen Augenzeugen nach dem anderen. Ray gelingt mit knapper Not die Flucht nach Hause. Mit Robbie und Rachel im Schlepptau flieht er mit einem noch funktionsfähigen Auto, um sie in Boston bei ihrer Mutter abliefern zu können.
Doch ihre Reise ist nicht von Erfolg gekrönt: Überall bohren sich Tripods aus dem Untergrund und vernichten alles, was sich ihnen in den Weg stellt. Ray und die Kinder müssen auf bittere Weise erfahren, dass bei Menschen in Panik jegliche Zivilisationstünche abblättert und die rohe Natur der Bestie Mensch zum Vorschein kommt: Brutal werden sie aus dem Wagen gezerrt und überleben nur mit knapper Not. Nachdem sie sich zum Hafen durchgeschlagen haben, erkämpfen sie sich einen Platz auf einer Fähre, die jedoch alsbald von Tripods angegriffen und versenkt wird. Erneut überleben die drei Flüchtlinge nur durch puren Zufall und werden vom Astronomen Ogilvy (Tim Robbins) anfangs freundlich in dessen Keller-Versteck gebeten. Durch bruchstückhafte Informationen einer TV-Reporterin sowie seines neuen Gastgebers setzt sich für Ray das Bild der grauenhaften Geschehnisse allmählich zusammen: Bei den Tripods handelt es sich um Maschinen, die von Außerirdischen vor - wie Ogilvy vermutet - Millionen von Jahren einsatzbereit in der Erde versteckt wurden.
Gesteuert werden sie von gefühlskalten Aliens, die zudem Geschmack am Blut der Menschen gefunden haben. Und als wäre dem nicht genug, sieht sich Ray plötzlich gefangen zwischen dem ganz und gar nicht gutherzigen Ogilvy und einer Horde Aliens...
Die breite Front der Ablehnung von Krieg der Welten , die sich in vernichtenden, mitunter völlig unsachlichen Kritiken widerspiegelt, müssen sich die Produzenten des Films teilweise auf die eigene Fahne schreiben: Mit ihrem Maulkorberlass für Filmrezensenten zogen sie sich (berechtigerweise!) den Ärger der Medien zu. Die Quittung für dieses absurde Verhalten findet sich zuhauf in den Kritiken.
Die - inzwischen natürlich obsolete - Frage muss folglich lauten, ob Spielbergs neuestes Epos unter "normalen" Umständen freundlicher aufgenommen worden wäre.
Meiner Ansicht nach ist Krieg der Welten ein fast uneingeschränkt empfehlenswerter Film, der die Lager zwangsläufig spalten muss, denn: Krieg der Welten hat mit reinen Effektspektakeln wie Independence Day oder jüngst Episode 3 - die Rache der Sith nicht die geringste Ähnlichkeit. Die an Krawall-Popcorn-Movies gewöhnten Zuschauer werden mit Krieg der Welten keine Freude haben und nicht auf ihre Kosten kommen. Weder gibt es gigantische Massenschlachten zwischen Aliens und Menschen, noch werden pseudo-lustige Witzeleien eingestreut.
Der größte Pluspunkt des Films ist die gewählte Perspektive: Mit einer kurzen Ausnahme wird der gesamte (!) Plot aus der Sicht von Ray Ferrier erzählt. Nur was er sieht, sieht auch der Zuschauer; nur die Informationen die er erhält, werden auch an den Zuschauer weitergeleitet. Dadurch, und nur dadurch!, gewinnt Krieg der Welten an einer Intensität, die ich bislang in noch keinem anderen Invasionsfilm erlebt habe. Wenngleich es einige genretypische Zugeständnisse wie äußerst unwahrscheinliche Zufälle sowie kleinere Logikfehler gibt, wirkt der Film in einem hohen Maße "realistisch".
Die sparsam eingesetzten Tripod-Szenen sind perfekt animiert, dramaturgisch extrem effektiv und deshalb ungleich spannender als die üblichen Action-"Overkills".
An dieser Stelle muss man den Designern ein großes Lob aussprechen: Die außerirdischen Kampfmaschinen entsprechen fast exakt der Vorstellung von ihnen, wie man sie aus Wells Roman gewonnen hat. Und dennoch sind sie furchteinflößend und schier unbesiegbar.
So glänzend die Tripods in Szene gesetzt wurden, so einfallslos gestaltet wirken die Aliens selbst. Unverständlich, warum man hierbei nicht mehr Liebe zum Detail erkennen ließ!
Dem Touch des Films kommt auch die Farbgebung zugute: Dunkle Töne und Schatten dominieren und versprühen wenig Optimismus, der in diesem ernsthaften Drama fehl am Platze wäre.
Genau so vergeblich sucht man die üblichen eindimensionalen Heldenfiguren ohne Makel: Ray Ferrier wirkt reichlich unsympathisch und verhält sich seinen Kindern gegenüber anfangs gleichgültig und egoistisch. Im Laufe des Films wächst zwar die Bindung zu Rachel und Robbie, aber diese erscheint dennoch wie ein Selbstzweck, weil es nun mal seine Kinder sind und ein Vater sie zu beschützen hat. Nicht unerwähnt darf des weiteren eine moralisch höchst fragwürdige Tat Rays bleiben.
Dakota Fanning als das obligatorische "kleine-süße-Hollyood-Kind" zeigt eine weitere beachtliche Talentprobe: Tatsächlich ist dies einer der wenigen Filme, in denen einem ein Kind nicht auf die Nerven fällt.
Auf den wie immer großartigen Tim Robbins als verhuschten Astronomen Ogilvy muss man leider sehr lange warten. Und es spricht für die tadellose Darstellung von Tom Cruise, dass ihn der alte Haudegen Robbins nicht völlig an die Wand spielt.
Wer den Roman von Wells sowie die Erstverfilmung aus 1953 kennt, wird von den vielen Reminiszenzen angenehm überrascht sein.
Fazit: Krieg der Welten entpuppt sich als sensationell überzeugender Invasions-Film, der von Beginn bis Ende fesselt, so man - wie erwähnt - nicht die Erwartung eines hirnlosen Action-Spektakels hegt und sich an einer dramaturgisch sauberen "So könnte es wirklich sein!"-Darstellung erfreuen kann.