Titel: Die schwarze Feder Eine Besprechung / Rezension von Thomas Backus
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Dies ist ein Kurzroman, der nur als eBook erhältlich ist, das wird einige abschrecken. Besonders diejenigen unter Euch, die keinen Reader besitzt. Aber man kann sich verschiedene kostenlose Programme auf den PC herunterladen, und das Buch trotzdem lesen.
Howie ist ein Junge mit einem körperlichen Makel: Schlimme Narben ziehen sich über seine linke Gesichtshälfte. Die anderen Kinder verspotten und drangsalieren ihn, sodass er sich lieber versteckt, als ihnen zu begegnen. So auch in diesem verlassenen Haus, auf dessen Dach er einem Monster begegnet.
Das Monster heißt Alton Turner Blackwood (wenn ich dir etwas tun wollte, würde ich dir nicht meinen Namen verraten), und er hat einen Raben bei sich.
Der Fremde ist schlimmer entstellt, als der Junge. Von Geburt an (wer Der Rabenmann liest, wird erfahren, warum).
„Hab keine Angst“, sagte der Fremde mit einer Stimme, die tief und heiser wie die Stimmen von Ungeheuern in Filmen. „Es gibt keinen Grund, Angst zu haben. Ich bin nicht das, wonach ich aussehe.“
Mag sein, dass ihm jemand anders misstraut hätte, Howie ist aber trotz seines schrecklichen Äußeren ein guter Kerl, und so vermutet er das selbe auch in seinem Gegenüber. Zumal der Fremde sich für ihn Zeit nimmt, und sich seine Sorgen anhört. Trost spendet.
Er hat auch Humor. Er sagt, wenn es eine Weltmeisterschaft für gruseliges Aussehen gäbe, würde er Howie bei sieben Schiedsrichtern sieben zu null schlagen.
Der Fremde gibt dem Jungen Geld für Sandwiches, und sie essen zusammen, dort oben auf dem Dach.
Und so, wie Koontz die Situation, wie er den Rabenmann beschreibt, hätte ich ihm wohl auch geglaubt. Zumindest bis zu dem Augenblick, wo er Howie bittet, ihm Fotos zu bringen, von dem Haus, in dem er lebt, und von seiner Mutter und seiner sechzehnjährige Schwester Corrine. Ein schönes Alter für ein Mädchen, wie Blackwood träumerisch sagt...
Howie findet es cool, einen solchen Freund zu haben. Der ist auch gruselig, aber er lässt sich nichts gefallen, und wenn man ihn wieder ärgern sollte, würde er seinem großen Freund bescheid sagen, damit der ihn beschützt.
Die Gelegenheit kommt schnell. Ein fünfzehnjähriger Schläger namens Ron Blecker greift ihn an, und ja Blackwood ist da und schnappt sich den Kerl. Er schickt Howie nach hause, während er ihm die Regeln erklären will.
Doch später findet er Rons Leiche in dem verlassenen Haus, und vorher ein paar seltsame Fotos:
Im zitternden Schein der Taschenlampe sah er, dass das oberste Bild ein hübsches Mädchen mit blondem Haar und grünen Augen zeigte. Sie sah sehr unglücklich aus. Nein. Nicht unglücklich. Verängstigt sah sie aus.
Auf dem zweiten Fotos sah man dasselbe Mädchen, das sich für Halloween geschminkt hatte, und zwar ausgesprochen gruselig. Ihr Gesicht sah so aus, als hätte man es an mehreren Stellen aufgeschlitzt. Das hatte sie gut hinbekommen.
Das dritte Bild zeigte ein hübsches Mädchen mit braunem Haar, das ebenfalls verängstigt aussah. Auf dem vierten Bild lag dasselbe Mädchen nackt auf dem Rücken. Mit ihrem Körper hatte man Dinge getan, die keine Schminke waren.
Dean Koontz ist einer der ganz großen Horrorautoren, was nicht nur dieser Absatz zeigt. Diese schrecklichen Fotos durch die Augen eines unschuldigen Jungen gesehen. Zu beschreiben, wie er sie erst aus seinem begrenzten Horizont (Halloween) fehlinterpretiert, und dann aber doch begreifen muss, was er da wirklich sieht. Und die Konsequenzen daraus. Er lässt die Fotos fallen und läuft zu sich nach Hause, wo der Killer bereits seiner Mutter und Schwester nachstellt...
Die schwarze Feder ist der Prolog zu Der Rabenmann – und wenn Ihr mich fragt, gehört er in der Printausgabe davorgestellt. Aber na ja, Heyne will wohl den eBook-Absatz ankurbeln.
Zuerst habe ich mich weigern wollen, war dann aber zu neugierig auf das Buch, als dass ich meine Ablehnung gegenüber eBooks aufrecht erhalten konnte. Nun, das Lesen von eBooks macht mir keinen Spaß. Nicht auf dem Rechner, und auch nicht auf einem Reader. Bücher sind augenfreundlicher, und benutzerfreundlicher sind sie auch.
Aber dieses Buch ist der Hammer. Ich habe Der Rabenmann vorher gelesen (weil ich hoffte, irgendwann würde es vielleicht doch eine Printausgabe geben), und war begeistert. Dieser Kurzroman (48 der 69 Reader-Seiten, der Rest ist ein Appetithäppchen auf Der Rabenmann) ist, so unglaublich das sein mag, noch besser. Wegen Howie. Der Junge, der kurz vor seinem elften Geburtstag steht, und schon mit einem schrecklichen Schicksalsschlag konfrontiert wurde (sein eigener Vater hat ihn angezündet), lädt die Schuld auf sich, dieses Monster zu seiner Familie zu führen. Und dann wird er vor eine Entscheidung gestellt, die ein Kind niemals fällen sollte:
„Wenn du nur ein Wort über mich sagst, komme ich eines Nachts zurück und reiße deiner Mama das Gesicht ab. Und dann nehme ich mir richtig Zeit, um Corrine bei lebendigen Leib aufzuschlitzen. Wenn du jedoch den Mund hältst, komme ich nie wieder. Schlampen wie die beiden gibt es massenhaft auf der Welt. Deswegen brauche ich sie nicht, außer du verrätst mich und zwingst mich dazu wiederzukommen.“
Howie schweigt, aber er wird immer wieder daran erinnert, weiterhin zu schweigen. Weil die schwarzen Federn eines Raben vom Himmel fallen, und die Anwesenheit des Bösen verkünden, der allseits gegenwärtigen Gefahr für Mutter und Schwester..
Gleichzeitig weiß er, dass durch sein Schweigen das Monster weiter morden kann. Er bringt Familien um (Der Rabenmann). Vergewaltigt die Frauen, misshandelt die Männer. Und in seinem Tagebuch schreibt er, dass die Idee dazu von jemand inspiriert worden ist. Von einem Jungen, der gute Sandwiches machte.
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Titel: Der Rabenmann |