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Titel: In der Kälte der Nacht Eine Besprechung / Rezension von Thomas Backus
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Politiker sind skrupellos. Sie würden alles tun, um Macht und Kontrolle auszuüben. Es gibt unzählige Verschwörungstheorien, was sie im Geheimen mit uns treiben – und im Grunde genommen ist das der Plot, aus dem Dean Koontz hier einen spannenden Roman gemacht hat. Nur, dass hier die Regierung nicht der Täter ist, sondern ein paar noch skrupellose Männer: Ein Industrieboss, ein verrückter Wissenschaftler und ein General.
Der Inhalt ist schnell erzählt: Durch unterschwellige Werbung (die es schon seit den 50ern gibt) wird die Bevölkerung einer Kleinstadt zu willenlosen Marionetten gemacht. Das ist das Teststadium, denn letztendlich wird die Weltherrschaft angestrebt.
Unterstützt werden die unterschwelligen Botschaften, welche sämtliche Zeitungen und Fernsehprogramme verseuchen, durch eine Droge (die es noch nicht gibt), welche dem Trinkwasser beigefügt wird.
Einzige Nebenwirkung: Albträume und Schüttelfrost. Es gibt allerdings auch Menschen, bei denen die Droge so gut wirkt, dass sie vor Angst sterben.
Natürlich gibt es im Roman auch eine Gruppe von Menschen, die immun sind, bzw. sich durch Fernsehverzicht nicht den unterschwelligen Botschaften aussetzen. Diese merken, dass um sie herum etwas Seltsames vor sich geht. Erst durch zufällige Beobachtungen, später durch gezielte Nachforschungen. Natürlich werden sie um ihre Freiheit kämpfen...
Wie gesagt, die Story ist schnell erzählt, was diesen Roman ausmacht, ist, wie Koontz sie erzählt. Nämlich äußerst spannend.
Dabei sind die Guten eher blass. Ein alleinerziehender Vater mit einem kleinen Jungen und einer altklugen Tochter. Der großväterliche Ladenbesitzer und dessen Tochter, in die der alleinerziehende Vater verknallt ist.
Okay, das Töchterchen hat Daddy gut im Griff (ist aber ein gutes Kind), und der Liebe stellt sich so allerhand in den Weg. Das gibt manch lustige Situation, bringt Humor in das Ganze.
Auf der Seite der Bösen sieht das schon ganz anders aus. Der General ist ein kleiner Lückenfüller. Er hat die Sicherheit eines geheimen Regierungslabors gewährleistet, und weil er korrupt ist, kann der Wissenschaftler seine Forschungsergebnisse dort herausschmuggeln und in der freien Wirtschaft vollenden. Außerdem deckt er den Feldversuch, heuert Söldner an, versorgt die Gruppe mit Waffen.
Die Wirtschaft wird von einem schwerreichen Industrieboss verkörpert, der genug finanzielle Mittel und Beziehungen hat, seinen ehemaligen Studienfreund bei der Entwicklung der Wunderdroge zu fördern. Dabei geht es ihm nicht um das Geld. Davon hat er schließlich mehr als genug (obwohl, in diesen Kreisen bekommt man nie genug). Nein, der Herr ist ein religiöser Fanatiker, der sich sehr an dem Sittenverfall der Menschen stört, und alle (auch die andersgläubigen) in den Glauben an den einzig wahren Gott zwingen will...
Kommen wir zu dem verrückten Wissenschaftler. Dessen wahrer Charakter wird erst so nach und nach entblättert. Er geht bei seinem erfolgreichen Studienkollegen betteln. Dass es dieser geschafft hat, er jedoch nicht, schreibt er den besseren Startbedingungen des anderen zu. Die größere Intelligenz hat schließlich er mitbekommen.
Noch eine andere Sache wird klar: Der Wirtschaftsboss sieht eine solide Ehe als Grundstock eines soliden, erfolgreichen Lebens an – der Wissenschaftler ist geschieden.
Und dieser Punkt, der anfangs nur am Rande erwähnt wird, stellt eine wichtige Information dar. Denn die Ehefrau hat ihn verlassen, weil sie sich erhofft hat, dass dieser intelligente Mann es zu etwas bringen wird. Jedoch wuchsen der soziale Status und der Reichtum nicht in dem Maße, wie die Dame sich das erhofft hatte.
Und sexuelle Probleme gab es auch. Sie hat ihn als Versager beschimpft und bei jeder sich bietenden Möglichkeit gedemütigt.
Dafür hat sich der Wissenschaftler später an Prostituierten ausgetobt. Was die Regierung vom Geheimdienst vertuschen ließ – immerhin waren seine Forschungen sehr wichtig (auch die Regierung will die Massen kontrollieren). Die misshandelten Nutten wurden mit Schweigegeld und Drohungen ruhig gestellt.
Diese Verhaltensmuster liegen in der Kindheit begründet, und man könnte beinahe Mitleid mit dem Mann haben. Fast. Denn diese ganze Versuchsreihe hat er nur ins Leben gerufen, um sich die Frauen vollkommen zu Willen zu machen. Was er in der Testumgebung auch gnadenlos ausnutzt – und eben diese Unprofessionalität bringt Pannen hervor, die das Projekt ernsthaft gefährden...
Klar, ein Roman lebt davon, dass nie etwas glatt geht. Sonst wäre es ja nicht spannend. Andererseits erfährt man ja nur von den Dingen, die schief gehen. Wer weiß schon, wie viele geheime Experimente glücken? Eine gute Verschwörungstheorie lässt sich nicht beweisen, das macht sie ja so erschreckend!
Der Roman hat nun schon einige Jahre auf meinem Regal gestanden. Heute gibt es Handys und Internet, und das macht es schwierig, eine ganze Stadt abzuschotten und in ein Testgebiet zu verwandeln.
Auf der anderen Seite gibt es jedoch erheblich mehr Möglichkeiten, Menschen zu kontrollieren und zu manipulieren. Nicht nur indirekt durch unterschwellige Botschaften, sondern ganz offen. Der Öffentlich Rechtliche Rundfunk wird von Politikern gesteuert, und diese sitzen auch in den Aufsichtsgremien der Privaten Sender. Alle beziehen ihre Nachrichten durch wenige Agenturen, Sendungen werden von wenigen Produktionsfirmen hergestellt. Die Printmedien sind in der Hand weniger Verlagsgruppen ... wir werden mit ausgewählten Nachrichten versorgt – und wenn ein so banales Thema wie das Dosenpfand die Gemüter über Wochen erhitzt, so werden damit andere Themen aus unserer Aufmerksamkeit verdrängt. Wer weiß schon, was die da oben im Geheimen treiben?
Der Roman ist erschreckend aktuell, oder?
Reihe: Die Unheimlichen Bücher 25
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