Titel: Kill Decision Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber
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Eine Drohne fliegt unbemannt entweder automatisiert über ein Computerprogramm oder vom Boden über Funksignale bzw. über Satellitenfunk gesteuert. Je nach Einsatz und Ausstattung können Drohnen Nutzlasten tragen, wie z. B. Raketen für einen militärischen Angriff. Die Abmessungen reichen zumeist von wenigen Zentimetern (Mikrodrohne) bis zur Größe eines Verkehrsflugzeuges mit ca. 60 m Spannweite (Boeing Condor). Drohnen werden für militärische, geheim-dienstliche, polizeiliche, zivile oder für wissenschaftliche Zwecke eingesetzt. So lautet die Beschreibung von Wikipedia über unbemannte Luftfahrzeuge, für die der Begriff Drohne auch benutzt wird. Diese Drohnen agieren meist einzeln, können aber in beweglichen Verbänden operieren. Sie können alles sehen und hören, was in ihrem Einflussbereich geschieht passiert, zudem kann sie jede Art von Signalen, etwa GPS empfangen und so aus jedem Handy-Besitzer ein mögliches Ziel machen. Die neuesten Drohnen sind aber inzwischen auch in der Lage, die betroffenen Personen zu riechen, weil der menschliche Atem angeblich fünfzehn verschiedene Chemikalien absondert und deren Zusammensetzung individuell sein soll. (Sein soll: die gleiche Person, die eben Knoblauch gegessen hat, riecht anders als wenn sie Vanillepudding essen würde). Und im Roman Kill Decision von Daniel Suarez wird diese Technik eingesetzt. Davon können sich die beteiligten Personen gern selbst überzeugen.
Wir treffen als unbedarfte Leser und Leserinnen auf die Myrmekologin Professor Linda McKinney, die sich gerade in Afrika an einem nicht näher genannten Ort befindet und dort ihren Forschungen nachgeht. An ihrem Computermodell versucht sie das Verhalten von Weberameisen zu entschlüsseln, ebenso, wie ihre chemisch-sprachlichen Verständigungsmöglichkeiten. Mitten in ihrer Arbeit wird das Dorf, in dem sie sich befindet, von einer Rakete zerstört wird. Sie überlebte nur, weil sie einer Eingebung und einem seltsamen Geräusch folgend, ihr Haus verliess. Damit beginnt aber erst das Abenteuer, denn die Wissenschaftlerin wird von einem Mann entführt, der sich Odin nennt. Ihm zur Seite steht eine Truppe von Spezialisten, die ihren Auftrag sehr ernst nehmen. Die Entführung geschah zu Linda McKinneys eigenem Schutz, nur dass sie damit erst einmal gar nicht einverstanden ist. Odin und seine Leute sind hinter Unbekannten her, die im grossen Mass für Drohnenangriffe verantwortlich sind. Dabei wird keinerlei Unterschied gemacht, auf wen der Angriff durchgeführt wird. Religiöse Eiferer stehen ebenso im Fokus wie Regierungs-gebäude, Forschungsstationen und Wissenschaftler. Hier gerät Linda in den Mittelpunkt der Ereignisse. Mit ihr als eine Art Lockvogel und ihren speziellen Ameisencode geht es darum, die Angreifer zu finden und zu eliminieren. Vermutlich wird ihr Code, basierend auf dem Modell der Weberameisen als Grundlage genommen, was aber dazu führt, dass man keinerlei menschliche oder von Menschen programmierte Ausführungsorgane benötigt. Ein Schwarmmodell, welches dafür sorgt, dass die Drohnen Jagd auf den Menschen machen. Dieses System basiert auf Lindas Forschungen und schnell wird klar, dass man ihre Software, Informationen, Code etc. geklaut hat. So eignet sich Linda als Diebstahlsopfer bestens als Köder für die Diebe, um sie aus ihren Verstecken zu holen und Jagd auf sie zu machen. Im Laufe der Handlung fragt man sich allerdings, wer ist Jäger, wer Gejagter? Die Zusammenarbeit zwischen der Naturforscherin Professorin McKinney und des geheimnisvollen Geheimagenten Odin findet eine Entsprechung in Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Die Professorin als Dr. Jekyll, der mit seinen Forschungen ein Monster auf die Menschheit losgelassen hat und Mr. Hyde, der das Monster darstellt und in Person von Odin dagegen ankämpft. Ähnlich der Verhaltensmatrix und des Informationsaustausches der Ameisen findet bei den Drohnen über eine Informationsmatrix auch chemischer Basis statt. Das Schwarmverhalten der Drohnen legt dabei einige Anleihen an Frank Schätzings Schwarm nahe. Nichts desto trotz geht es aber darum, im Gewirr der Zuständigkeiten von Politik, Geheimdiensten und Militär, eine Lösung zu finden, die Drohnen unschädlich zu machen, das Schwarmverhalten und die Pseudointelligenz aufzuspalten. In Odin sehen wir den Autor selbst, der als Berater für wichtige Firmen tätig war und auf diese Weise ihnen auch eine Daseinsberechtigung bescheinigt, quasi einen Persilschein für deren Handlungen ausstellt.
Suarez nimmt den ganzen zur Zeit gültigen Technologiekram und packt ihn zu einem spannenden, lehrreichen, dystopischen Thriller zusammen. Das Gemeine an seinem Roman ist jedoch, dass man immer das Gefühl hat, dies alles, was er beschreibt, kann heute schon funktionieren. Die Grenze zwischen wissenschaftlicher Fiction und Wirklichkeit verschwimmt und sorgt für ein ungut spannendes Gefühl, mit der Hoffnung, dass alles gut ausgeht und doch nicht so eintreffen wird, wie beschrieben.
Das Titelbild erinnert an Kunst in Kassel. Nach der Dokumenta 2013 wurde in Kassel chinesische Kunst gezeigt, wo u.a. metallisch glänzende Ameisen quer durch die Stadt unterwegs sind.