Katsuhiro Otomo

vorgestellt von Ulrich Blode

Katsuhiro Otomo wurde im April 1954 in Miyagi, einer ländlichen Provinz 400 Kilometer nordöstlich von Tokio geboren. Er besuchte die Sanuma High School, wo er ein Interesse an dem amerikanischen New-Wave Kino der späten sechziger und frühen siebziger Jahre entwickelte. Als Fan amerikanischer und europäischer Comics entwickelte er einen "realistischen" Zeichenstil. Nach seinem Schulabschluß zog Otomo 1973 nach Tokio, um Comiczeichner zu werden. 1973 veröffentlichte er seine erste professionelle Arbeit im Action Magazin, "A Gun Report" ist eine Adaption von Prosper Merimées "Mateo Falcone". In den Folgejahren veröffentlichte er mehrere eigenständige Geschichten in dem Magazin.

Über die dunkleren Seiten des modernen Tokio, von Drogen, Sex und Rockmusik berichtete er in Boogie Woogie Waltz, einer Serie aus mehreren Kurzgeschichten. Nach einem Besuch in New York schrieb Otomo Nippon Sayonara über einen Kampfkunstlehrer, der in Manhattan lebt. Die erste lange Science Fiction-Arbeit war die dystopische Geschichte Der Feuerball im Jahr 1979. In Der Feuerball führte er verschiedene Elemente ein, die in späteren Arbeiten weiter ausgebaut wurden. Das waren vor allem der Umgang des Menschen mit Technologien und Menschen mit paranormalen Fähigkeiten. Von 1980 bis 1982 folgte das ambitioniertere Werk Domu, das in einem Tokioter Wohnhausviertel spielt, Krimi und PSI-Fähigkeiten zum Thema hat. Domu gewann 1983 den japanischen Grand Prix Award for best Science Fiction, der zuvor nur an Romane vergeben wurde.

Seit Dezember 1982 erschien die Serie Akira über rebellierende Jugendliche, geheimen Regierungsprojekten und übernatürlichen Fähigkeiten im Young Magazine. Das zweitausendseitige Epos hatte einen großen Erfolg in Japan, Europa und Nordamerika. Im Laufe der achtjährigen Veröffentlichungsphase avancierte Otomo zu einem bekannten Künstler. 1984 erhielt Otomo den Kodansha Comic-Strip Award für Akira.

Akira spielt im Jahr 2030 und ist eine komplexe Geschichte um Jugendliche, die sich der Gesellschaft nicht anpassen wollen und mit einem gefährlichen Projekt in Berührung kommen. Die Erforschung von übernatürlichen Fähigkeiten führte einst zur Zerstörung Tokios. Das verantwortliche Kind, Akira, liegt seitdem in Kälteschlaf, droht aber jetzt zu erwachen. Durch einen Unfall entwickelt einer der Jugendlichen paranormale Fähigkeiten und weckt Akira auf. Akira ist ganz durchdrungen von einem universellen Energiefluss, der schwer zu kontrollieren ist. Unglücklicherweise werden seine Kräfte erneut freigesetzt und eine gigantische Sphäre, Vorform eines neuen Universums, vernichtet Neu-Tokio. Doch das ist erst die Hälfte der gesamten Serie. In den Folgebänden geht es um das Überleben in der zerstörten Stadt und der immer noch drohenden Gefahr durch die Nutzung der unerklärlichen Macht.

In den USA erschien Akira bei Epic in 38 Bänden von 1988 bis 1995. Steve Oliff kolorierte dafür die schwarz-weiß Zeichnungen. Es war die erste Comicserie bei der die Farbgebung komplett per Computer erfolgte. Für seine Arbeit gewann Oliff den Will Eisner Comics Industry Award. Der deutsche Carlsen Verlag übernahm das amerikanische Vorbild, veröffentlichte die Geschichte in nur 19 Ausgaben und gab als zwanzigsten einen Bildband mit Materialien zum Manga hinzu.

Ungefähr zu der gleichen Zeit, nämlich 1988, erschien die Akira-Filmadaption, Drehbuch und Regieführung von Otomo selber. Zu seiner Zeit war Akira der teuerste Anime, der jemals produziert wurde und der größte Kinoerfolg des Jahres. Inhaltlich unterscheidet er sich etwas von dem Manga. In den USA wurde der Film Ende 1988 nur in Künstlerkinos gezeigt, sehr gute Kritiken erhielt und mit ausverkauften Vorstellungen belohnt wurde. Die bald darauffolgende Videoveröffentlichung verhalf Akira zu einem überwältigenden Erfolg außerhalb Japans.

Der Erfolg mit Akira war zugleich der Beginn des Rückzugs aus der Comicwelt. Otomos Texte für die postapokalyptische Serie Sarah (The Legend Of Mother Sarah) war seine letzte große Mangaveröffentlichung. In einer postapokalyptischen Welt muss Sarah ihre Kinder wiederfinden, die sie in den Wirren eines Bürgerkriegs verloren hat. Takumi Nagasayu zeichnete die Illustrationen. Sarah wurde vorzeitig eingestellt. In Deutschland veröffentliche der Carlsen Verlag alle vierzehn Alben.

In 2000 erwarb der Dark Horse Verlag die Rechte an Akira für die USA und veröffentlichte alle sechs voluminösen Sammelbände mit den schwarz-weiß Zeichnungen. Zwei Jahre später erhielt Dark Horse die Eisner Awards für "Best Archival Collection/Project" und "Best US Edition of Foreign Material". In Deutschland gab der Carlsen Verlag die sechs Bände heraus, die in ihrem Umfang an Telefonbücher erinnern.

Zunehmend engagierte sich Otomo beim Film. Der Anime Memories aus dem Jahr 1995, eine Anthologie, basiert auf drei Kurzgeschichten von ihm. Sein erstes professionelles Regiedebüt war eine Episode von The Labyinth Story des japanischen Fernsehens bereits in 1986. Er war verantwortlich für die Anfangs- und Endsequenzen von Robot Carnival (1988) und arbeitete als "Supervisor" für zwei Animes, den Psychohorror Perfect Blue (1997) von Satoshi Kon und für Hirotsugu Kawasakis Science Fiction-Abenteuer Spriggan (1998). Otomo schrieb das Drehbuch für Osamu Tezukas "Metropolis" (2001) und für Hiroyuki Kitakubos Rojin Z (1991). Zuletzt arbeitete er an dem Steampunk bzw. viktorianischen Science Fiction-Film Steamboy mit, der 2004 veröffentlicht wird.

Katsuhiro Otomos Mangakarriere scheint vorerst beendet zu sein. Geplante Arbeiten, u.a. mit Alexandro Jodorowsky, kamen nicht zustande. Er selber sagt, dass er Filmarbeiten bevorzuge.

Bibliographie (Auswahl):
[Auf fictionfantasy.de rezensierte Bücher sind mit Link unterlegt und fett gekennzeichnet.]

Titel Originaltitel
© Jahr
Katsuhiro Otomo: Kurzgeschichten
1977 - 1982
Akira - der Manga
1982 - 1990

Akira - Übersicht

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