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Reihe: Kalix, 2. Band Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Teenager-Werwölfin Kalix MacRinnalch hat so einige Probleme: ihre Verwandten und die Gilde der Werwolfjäger wollen sie tot sehen und das verstärkt ihre gewaltige Depression ziemlich. Diese mit Drogen zu bekämpfen, vereinfacht die Sache allerdings auch nicht gerade. Zum Glück hat Kalix ihre menschlichen Freunde Daniel und Moonglow, die ihr in London Unterschlupf bieten. Doch die beiden naiven Studenten sind keine wirkliche Unterstützung, wenn es um fiese, modesüchtige Feuergeister und bösartige Gangster-Wölfe geht. Nur der hellseherisch begabte Werwolf Decembrius könnte Kalix helfen, doch er hat seine eigenen Gründe dafür (Verlagstext)
Im Mittelpunkt der Handlung stehen dieses Mal zwei verfeindete Völker von Feuergeistern, bei denen die beiden Anführerinnen streiten. Die Feuergöttin Malveria und ihre Widersacherin haben jedoch nur Modefragen als Thema. Dass darüber hinaus eine heftige Auseinandersetzung ausbricht, verdanken wir dem schrägen Humor des Autors Martin Millar. Nichtsdestotrotz sind sich die Wesen sicher, sie gehen über Leichen, notfalls mit hochhackigen Schuhen, um ihr Ziel zu erreichen. Das andere, wichtigere Thema ist die Verfolgung der Werwölfe durch die Gilde der Werwolfjäger. Dabei ist der Jäger in sein Opfer verliebt, will es sich aber nicht eingestehen. Werwölfin Kalix MacRinnalch ist hier besonders gefragt. Vor allem weil nicht nur die Jäger ihr das Fell über die Ohren ziehen wollen, aber auch, weil die eigene Familie diesen Wunsch hegt. Und das nur, weil sie ihren Vater bei einem Familienzwist tödlich verletzte. Und das alles nur, weil er ihren Geliebten Gawain verbannte. Also verbannte man auch sie vom Stammsitz der Werwölfe in Schottland zum Erzfeind England nach London. Doch auch da hat sie keine Ruhe. Bei den Studenten Daniel und Moonglow fand sie so etwas wie ein Zuhause. Aber eine wirkliche Hilfe sind sie auch nicht. Dennoch ist sie da nicht ganz sicher, weil Familienmitglieder schon kleinlich und nachtragend sein können, um Rache zu üben. Dabei hat die Prinzessin der Werwölfe ganz eigene Probleme. Zwar nicht damit, dass der Fürst der Werwölfe Frauenkleider trägt, sicher eine neue Variante des Wolf-im-Schafspelz-Sprichwortes, sondern weil sie drogenabhängig ist. Somit nimmt sie wieder einmal mehr eine Sonderstellung ein.
Dabei war Kalix schon immer etwas Besonderes. Sie wurde bei Vollmond geboren, was selten genug vorkommt. Es gibt bei Kalix ein ganz profanes Problem: Lesen lernen zu müssen, das kann sie nämlich nicht. Sie geht nur deswegen zum Unterricht, weil sie so von ihrer Mutter eine Finanzspritze nach der anderen erhält. Meist geht das Geld aber für Drogen drauf. Mit den Drogen will sie hauptsächlich ihre Depressionen vertreiben, was sich nur zeitweise erreichen lässt. Wenn ihre Schwester Thrix, ebenfalls Werwölfin, aber auch Zauberin und von Beruf Modedesignerin, die nebenbei bemerkt mit Gawain ein Techtelmechtel hatte, nicht auf Drängen der Mutter immer wieder schützend eingreifen würde, sähe es für Kalix düster aus.
Abgesehen davon sieht es auch so düster aus. Überall wittert Kalix Verrat und Missgunst. Neid und Untreue sind die anderen Begleiter, die Kalix in den Wahnsinn zu stürzen drohen. Ihr übertriebenes Misstrauen ist nicht wirklich hilfreich. Manchmal muss sie sich überwinden und Hilfe annehmen. Und zur Abwechslung wird ihr diese nicht nur angetragen, sondern auch gewährt. Vor allem, als es plötzlich rund geht, erweist sich wahre Freundschaft als hilfreich.
Martin Millars Werwolfclan der MacRinnalchs zielt auf die Jugend unter den Lesern ab. Die Erzählung lebt von den phantastischen Einfällen, die die Leserin zu fesseln vermag. Die recht unterschiedlich und gut ausgearbeiteten Figuren heben sich von einer Vielzahl ähnlicher Romane ab. Kalix stellt niemals die durch und durch gute Heldin dar. Aber sie ist eine Hauptdarstellerin, mit der man sich identifizieren kann. Das gilt auch für ihre noch nicht adoptierte Nichte Agrivex. Auch die besitzt genügend Identifikationspotential. Ähnlich sind die Schurkenrollen aufgebaut. Sie werden mit genügend Hintergrund versehen, um ihr Handeln zu erklären. Die 744 Seiten waren schneller gelesen als gedacht, denn dank kurzer Kapitel, einem häufigen Szenenwechsel und einem locker-leichten Schreibstil blieb man gern dabei.