Serie / Zyklus: ~ Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Oliver Henkel ist seit seinem Roman „Die Zeitmaschine Karls des Großen“, der im letzten Jahr für einiges Aufsehen sorgte als Autor innerhalb der Phantastikszene kein Unbekannter mehr. In dem Magazin „phantastisch!“ finden sich neben einer ausführlichen Besprechung von „Kaisertag“ auch ein längeres Interview mit diesem in Lübeck lebenden Autor.
Mit „Kaisertag“ liegt nun ein waschechter Alternativwelt-Roman vor, der ebenfalls in der ehemaligen Hansestadt Lübeck und Umgebung spielt. Innerhalb der SF bilden die Alternativwelt-Stories und -Romane eine Sparte, die immer wieder mit sehr guten Geschichten und Romanen aufwarten kann, aber nie groß ins Rampenlicht rückte. Lediglich Einzeltitel wie Carl Amerys Roman „Der Untergang der Stadt Passau“ bleiben dem Leser dauerhaft in Erinnerung. Zuletzt hat der Heyne-Verlag mit den beiden Storybänden „Wenn Napoleon bei Waterloo gewonnen hätte und andere abwegige Geschichten“ und „Alexanders langes Leben, Stalins früher Tod und andere abwegige Geschichten“ den Alternativweltgeschichten Auftrieb zu geben. In den aktuellen Katalogen der hiesigen Verlage muss man schon intensiv sich umschauen, will man an entsprechende Titel kommen. Oftmals sind solche Werke im Bereich Thriller/Krimis zu finden.
Bei „Kaisertag“ handelt es sich ebenfalls um einen Kriminalroman, dessen Handlungshintergrund eine Alternativwelt bildet. Man schreibt das Jahr 1988. Die Welt hat sich bei weitem nicht so rasant weiterentwickelt wie wir sie kennen, sondern ist gesellschaftlich zumindest auf dem Stand von 1914 stehen geblieben. Es existiert immer noch das Kaiserreich mit einem Kaiser und den einzelnen Stadtstaaten und Staaten unter der Vorherrschaft Preußens. Ausgangspunkt dieser alternativen Entwicklung ist das Attentat von 1914 auf dem Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin, welches in Sarajewo fehl schlug. Somit fand der erste Weltkrieg nicht statt und das 20. Jahrhundert erlebte eine ganz andere Entwicklung.
Die deutsche Nation hat sich seitdem gesellschaftlich kaum weiterentwickelt. Seit den damaligen Ereignissen scheint die Zeit stillzustehen bzw. sich ganz langsam fortzubewegen. Technische und wissenschaftliche Neuerungen finden sich kaum in der Alltagswelt der Menschen wieder. Zwar besitzen die Deutschen seit kurzem die Atombombe, aber von PCs, schnellen Autos, moderner Telekommunikation, Weltraumtechnik usw. keine Spur.
Der Hamburger Privatdetektiv Friedrich Prieß, der sich mit Bespitzelungen von untreuen Ehemännern und Ehefrauen über Wasser hält, bekommt von der Witwe des in Lübeck scheinbar durch Selbstmord verstorbenen Oberst Diebnitz den Auftrag dessen Tod näher zu untersuchen. Die Witwe glaubt nicht an einem Selbstmord, trotzt den polizeilichen Ermittlungen, die zu diesem Schluss gekommen sind. Dank des überaus reizvollen Wesens der Witwe und eines großen Geldbetrags, nimmt Prieß den Auftrag an. Dabei ist ihm von vornherein klar, dass er sich durchaus unbeliebt machen wird mit seinen Nachforschungen, denn Oberst Diebnitz gehörte zum allmächtigen Reichsamt für Militärische Aufklärung.
Er begibt sich nach Lübeck, stellt sehr schnell fest, dass er alleine nicht weiterkommt und nimmt Kontakt mit seiner ehemaligen Verlobten Alexandra Dühring auf, die Polizeipräsidentin von Lübeck ist. Aufgrund ihrer Stellung, die keinesfalls gesichert ist, kann sie ihrem Ex-Verlobten nicht offiziell Hilfestellung geben, denn der Fall gehört nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich, da der Tote nicht auf Lübecker Stadtgebiet gefunden wurde. Da sie aber sehr schnell herausfindet, dass an diesem Selbstmord einiges nicht stimmig ist, unterstützt sie Prieß in seinen Nachforschungen. Dabei ahnt sie nicht, in welch ein Wespennest sie gestochen hat. Höchste Kreise des preußischen Staates sind involviert und versuchen alles, um die Wahrheit verborgen zu halten.
Oliver Henkel verfasste mit „Kaisertag“ einen lesenswerten Kriminalroman, dessen Wendungen dem geübten Krimileser nicht immer bis zu ihrer Enthüllung verborgen bleiben. Seine Andeutungen sind nicht so subtil versteckt, als man sie nicht als solche erkennen könnte. So ist dem Leser bereits das eine oder andere klar, bevor der Autor dies offen legt.
Gleichwohl handelt es sich um einen detailliert recherchierten Roman, der mit einigen amüsanten Einsprengsel aufwartet. So lässt der Autor die eine oder andere wichtige Person dieses Jahrhunderts auftreten und zwar in einer ganz anderen Rolle/Wertigkeit.
Wer von den Lesern die Stadt Lübeck näher kennt und sich zumindest im Stadtzentrum ein wenig auskennt, der wird sich viele Schauplätze dieses Roman plastisch vor Augen führen können. Eine Karte vom Stadtzentrum mit den wichtigsten Handlungsschauplätzen rundet den Roman ab.
Zudem kann Oliver Henkel wirklich spannend schreiben. Sein Roman liest sich flüssig und hat keinen Hänger. Der Aufbau entspricht natürlich dem eines Kriminalromans, d.h. die Enthüllungen kommen ganz zum Schluss. Ein Happyend ist ebenso unvermeidlich wie die neu aufflammende Liebe zwischen den beiden Haupthandlungsfiguren.
Mir persönlich hat die Lektüre dieses Romans sehr zugesagt