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Titel: Julia für immer |
Zitat:
"Hast du mich vermisst Liebste?" Er gibt mir einen Kuss auf die Wange, einen spielerischen, etwas feuchten Schmatzer. Dylan ist also doch tot. Und Romeo hat einen Körper gefunden. Das ist mein letzter Gedanke, bevor er mich am Hals packt. (Seite 23)
Kurzbeschreibung:
Was ist wirklich geschehen, damals in Verona, im Schicksalsjahr 1304? Romeo und Julia sind nicht im Namen der Liebe gestorben. Nein, Romeo hat Julia ermordet, um selbst Unsterblichkeit zu erlangen. Als Söldner der Apokalypse verhindert er seit 700 Jahren, dass Liebende zueinanderfinden. Doch auch Julia ist in Wahrheit unsterblich geworden – und streitet auf der Seite der Botschafter des Lichts für die wahre Liebe. Als erbitterte Feinde kämpfen sie in verschiedenen Körpern für ihre jeweilige Mission. Jahrhunderte später „erwacht“ Julia im Körper des Mädchens Ariel. Auf der Suche nach deren Seelenverwandtem trifft sie zu ihrem großen Entsetzen zum ersten Mal auf Romeo selbst. Dies könnte ihr letzter Kampf werden. Es sei denn, die Liebe holt die beiden wieder ein, wenn auch anders als jemals vorstellbar …
Meine Meinung:
Manchmal sollte man einfach auf sein Herz und das unwohle Gefühl in der Magengegend hören, wenn man kurz davor ist, sein literarisches Weltbild auf den Kopf stellen zu lassen. Oh wehe mir, denn Neugierde sei mein zweiter Vorname. Entsprechend reichten sich Abenteuerlust und Skepsis die Hände und wandelten gemeinsam auf den Spuren von William Shakespeares Romeo & Julia. Mit teils gebrochenem Herzen! Es wurde spannend, gefährlich und sehr romantisch. So begann ich mutig den Abend bereits vor dem Morgen zu loben … und bekam letztendlich einen Todesstoß verpasst, der mich "Julia für immer" rasch vergessen lässt. Auf immer und ewig!
Dabei schaffte Stacey Jay zunächst, was ich nicht für möglich gehalten hatte. Ich klebte förmlich an den Seiten ihrer veränderten Shakespeare Tragödie fest und war nur allzu bereit meine Bedenken über den Balkon der Familie Capulet zu katapultieren. Die Idee Romeo in einen höllischen Söldner und Julia in eine himmlische Botschafterin zu verwandeln, verpackt im Gewand einer High School Romance, ist zwar ein Wagnis, funktioniert in der Umsetzung zunächst aber recht gut. Achtung Pageturnergefahr!
Darum geht es:
Im Körper des unglücklichen High School Mädchens Ariel, beginnt für Julias Seele erneut der endlose Kampf gegen ihren einstigen Verführer Romeo, der ihrem Leben höchstpersönlich ein Ende bereitet hat. Für Julia kein leichtes Spiel. Auch nach Jahrhunderten sitzt der Schmerz seines Betrugs tief und Rachegelüste hausen in der verschmähten Brust. Was seit jeher zählt, ist jedoch ihre weltliebende Mission. Es gilt zwei Seelenverwandte auf ewig zu vereinen, bevor Romeo auftaucht und einen der beiden mit sich in den unsterblich-höllischen Abgrund zerrt. Doch dieses Mal ist alles anders. Bei ihrem mittlerweile dreißigsten Einsatz auf Erden ist Julia völlig auf sich allein gestellt. Ohne Anweisungen ihrer himmlischen Amme, wird sie nun von ihrer Vergangenheit eingeholt und nebenbei hegt sie Gefühle für einen Jungen, der eigentlich nicht für sie bestimmt ist.
Von der ersten Seite an wird man in den Bann dieser nicht ganz ungewöhnlichen Lovestory gezogen und ahnt bereits, dass diese Geschichte ja nun ganz anders ausgehen wird. Nach süßen Worten und Liebesbeteuerungen im Jahre 1304, geht es im zweiten Kapitel äußerst spannend, temporeich und gefährlich zu. Ohne große Umschweife manövriert Stacey Jay den Leser in Julias (Ich-Perspektive) neusten Auftrag auf Erden. Fast durchweg wird die spürbare Spannung aufrechterhalten und eine neue, gefühlvolle wie höchst dramatische Liebesgeschichte verändert die eingefahrenen Sichtweisen der Julia Capulet. Der Schreibstil präsentiert sich unterdessen lebendig und einfach, wie man ihn in etlichen Jugendbüchern findet.
Julias Gefühle, Gedanken und Zweifel werden authentisch in die Story eingewoben und mit denen der geborgten Hülle vermischt. Entsprechend taucht man nicht nur in Julias Gedankenwelt ein. Gleichzeitig bekommt man gute Einblicke in Ariels erschütterndes Weltbild, lernt ihre Familie, Freunde sowie Schulfeinde kennen und kann gut nachvollziehen, wenn Julia plötzlich in einen emotionalen Zwiespalt gerät. Ihre Seele und ihr geliehener Körper gehören eben zu zwei unterschiedlichen Persönlichkeiten. Die Problematik ist also vorprogrammiert … zumindest, wenn man so etwas wie ein Gewissen besitzt und die Konsequenzen nicht außer Acht lässt. Nicht zu vergessen; Ariels beste wie unsympathische Freundin Gemma, die ebenfalls nicht ganz unschuldig an Julias künftigem Dilemma ist. Aufregend!
Die anbahnende Liebesgeschichte ist sicherlich Geschmackssache, bedenkt man, dass Julia sich binnen von drei Tagen in einen ihr völlig fremden Jungen verliebt, und umgekehrt. Dieser Umstand wird zwar glaubwürdig beschrieben und man fühlt begeistert mit, insbesondere wenn man Romeos "wahres" ICH erst einmal kennengelernt hat … allerdings wurde es mir zum Ende hin einfach zu viel des Guten. Die Dramatik wird überspitzt und die Hintergründe erschienen mir immer absurder. Mal ganz davon abgesehen, dass ich die ganze Zeit über nicht wirklich warm wurde mit den phantastischen Elementen, die "Julia für immer" beherbergt. Jedenfalls, wenn ich genauer darüber nachdenke. Warum ein mexikanischer Junge dann ausgerechnet den Namen Ben aufgebrummt bekommt, wollte sich mir bis zum Schluss ebenfalls nicht erschließen. Wäre da nicht das letzte Kapitel … bei dem sich mir die Nackenhaare aufstellten. Kitschiger geht es nicht!
Und was ist nur mit Romeo geschehen? Der verliebte Montague ist in diesem Stück kaum wiederzuerkennen. Mit einem irren Lächeln im Gesicht und ohne Rücksicht auf Verluste, verfolgt er seinen dämonischen Auftrag und bleibt dabei ziemlich undurchsichtig. Leider erhascht man nur minimale Einblicke in sein konfuses Seelenleben, zudem kann/muss man seine Motivationen nicht gänzlich verstehen. Sie werden zwar näher erläutert, erschienen mir persönlich aber eher an den Haaren herbeigezogen. Der Unterhaltungsfaktor hingegen ist gigantisch, vor allem wenn Romeo munter Shakespeare zitiert, während er seine Liebste verfolgt. "Doch still, was schimmert durch das Fenster dort?". Herrlich!
Ich kann also sagen: "Julia für immer" ist eindeutig Geschmackssache. Wer hofft, dass Romeo & Julia weiterhin füreinander bestimmt sind, sollte vielleicht die Finger von diesem Buch lassen. Wer sich öffnen kann für eine neue, süße und kitschige Liebesgeschichte mit etwas abstrusen Erklärungen/Hintergründen, der könnte viel Spaß mit dieser paranormalen Tragödie haben. Spannend bleibt es nämlich bis zur letzten Seite. Nichtsdestotrotz wird die Fortsetzung "Romeo Reedeemed" (erscheint im Oktober 2012 im Original) ohne mich weitergehen! Man darf sich an dieser Stelle denken, welcher Charakter dann vordergründig auf die Bühne tritt.
Kurz gesagt:
Oh wehe mir! Welch süße, spannende und schmunzelnde Lesestunden du mir doch beschert hast, oh " Julia für immer " … um mir dann mit einem kitschigen und unglaubwürdigen Abgang das zunächst begeisterte Leserherz wieder aus der schockierten Brust zu reißen. Verdammt! Denn ich muss leider sagen: so tragisch die schmerzliche Liebesgeschichte um Romeo & Julia in Shakespeares Werk doch enden mag, ich ziehe es eindeutig vor und behalte meine guten Erinnerungen an einen nicht unfehlbaren, aber doch wundervollen Romeo bei mir. Mag ich Eingangs noch so überrascht und gefesselt gewesen sein von Stacey Jays himmlisch-dämonischer Neuinterpretation dieser Tragödie, waren für mich die letzten Kapitel leider die reinste Hölle. Probieren geht aber bekanntlich über studieren!