Titel: Judassohn Eine Besprechung / Rezension von Andreas Kurth |
Theresia Sarkowitz ist für Leser der Kinder des Judas eine gute Bekannte. Sie begegnet uns auch am Beginn des neuen Vampir-Thrillers von Markus Heitz. Zufällig findet sie auf dem Leipziger Friedhof eine Bande von Werwölfen, die sie in ihrer Stadt nicht dulden will - und deshalb eliminiert. Ansonsten wacht sie weiterhin über ihre Nachkommen, eine junge Frau und deren Kind, damit diese nicht dasselbe Schicksal erleiden wie sie und als Untote wiederauferstehen.
Doch dann führt die Handlung weit in die Vergangenheit. In der Bretagne des Jahres 1781 will der junge Tanguy Guivarch seine Verlobte vor Räubern beschützen und wird getötet. Als Vampir wacht er von den Toten wieder auf und richtet im Blutrausch ein Massaker in seinem Heimatdorf an. Er flüchtet in den Sumpf und erfährt dort von einem geheimnisvollen Hexer, dass er ein „Kind des Judas“ ist. Tanguy stellt Nachforschungen zu seiner Herkunft an - und findet heraus, dass seine Großmutter ebenfalls eine Vampirin war. Diese stöbert ihn schließlich auf und tötet ihn - um die Ausbreitung des Fluchs zu verhindern, so wie es Sia auch viele Jahre gehandhabt hat.
Im nächsten Abschnitt lernen die Leser die Sennerin und Vampirin Sandrine kennen. Sie führt ein geruhsames Leben, bis sie die Vampirin Anjanka kennen lernt. Gemeinsam haben die beiden etliche Abenteuer zu bestehen, unter anderem auch mit den Werwölfen aus der Gegend, entgehen mehrfach nur knapp dem Tod und landen schließlich im Paris der Revolutionszeit.
Dort treibt sich auch Dominic de Marat herum - ebenfalls ein Vampir. Er scheint nichts über seine Herkunft zu wissen und fristet sein Dasein als Hauptmann einer Räuberbande. Nebenbei holt er sich das Blut, das er zum Überleben braucht. Irgendwann gerät er mit einer Gruppe von Werwölfen aneinander, die dem Leser bereits bei Tanguy in der Bretagne begegnet sind. Ein erster Hinweis auf den roten Faden des Romans, der jedoch erst viel später vollständig deutlich wird. Dominic muss vor den Werwölfen fliehen und zieht weit nach Osten - bis auf den Balkan. Dort sind auch Sandrine und Anjanka mittlerweile gelandet. Dominic wird von einem geheimnisvollen Fremden vor einem Angriff der Werwölfe gerettet - und der Mann stellt sich als sein Onkel Marek vor, den Heitz-Fans bestens als Baron aus der Cognatio und Bruder von Sia bekannt.
Marek will Dominic zu seinem Eleven machen und in die Cognatio integrieren - um ihn später gegen Sia benutzen zu können. Doch der junge Vampir geht seine eigenen Wege und verbündet sich mit Baronin Metunova gegen Marek. In der Folge kreuzen sich die Wege von Dominic und Sandrine noch mehrfach. Gegen Ende des Buches führt Sandrines und Anjankas Weg nach Irland. Die genauen Umstände und den Fortgang der Geschichte möchte ich aus dramaturgischen Gründen nicht enthüllen, sonst wird dem Leser die Spannung genommen. In der Gegenwart kommt es in Leipzig zu einem dramatischen Finale, in das auch Sias Nachkommen Emma und Elena verwickelt sind.
Der neue phantastische Thriller von Markus Heitz ist die lang erwartete Fortsetzung der Kinder des Judas. Wobei die von Autor und Verlag gewählte Bezeichnung Vampir-Thriller nach meiner Auffassung etwas irreführend ist. Aber es ist im Grunde nebensächlich, ob man das Werk nun als Horror-Roman, Urban-Fantasy oder Vampir-Thriller bezeichnet. Es ist ein von Beginn an spannendes und packendes Buch. Gleich der Auftakt mit Sias Kampf gegen die Werwölfe macht Appetit auf mehr.
Nun will ich nicht behaupten, das Buch sei für Einsteiger nicht geeignet, aber immerhin führt Markus Heitz hier zahlreiche Handlungsstränge aus älteren Werken zusammen oder lässt die Wege von Protagonisten aus anderen Büchern mit denen der aktuellen Helden sich kreuzen. Und wie so oft ist in dem neuen Werk nicht nur die Fabulierkunst und -lust des Autors angenehm zu spüren, sondern einmal mehr kommt der Historiker Markus Heitz auf seine Kosten - und der Leser profitiert von den wechselnden interessanten Schauplätzen und Anspielungen. Gleich am Beginn des „Buch Tanguy“ tauchen in der Süd-Bretagne einige Loup-Garous auf. Die französischen Werwölfe sind Markus Heitz seit „Ritus“ ans Herz gewachsen, obwohl er selbsternannter Vampir-Spezialist bleibt. Der wohlbekannte Comte de Morangiés und seine Familie geraten mit den Vampiren aneinander, und so entsteht eine Todfeindschaft, die sich durch das gesamte Buch zieht und erst im dramatischen Finale aufgelöst wird.
Der Übergang zu den „Geschichten aus dem Leben von Sandrine“ löst beim Leser etwas Kopfkratzen aus. Tanguy ist tot, und nun kommt eine Vampirin ins Spiel. Die zudem noch merkwürdige Angewohnheiten hat. Sie geht eine Liebesbeziehung mit einer anderen Vampirin ein, kann Flüche über Menschen verhängen und nimmt schließlich einen Auftrag des jungen Comte de Morangiés an. Warum Sandine und Anjanka später auch auf dem Balkan landen und ihre Rolle dort - das wird erst langsam enthüllt.
„Das Buch Dominic de Marat“ führt die neue Hauptperson ein. Er ist Hauptmann einer Räuberbande, die nur nachts agiert. Schließlich kann er als Vampir kein Tageslicht aushalten. Bei jedwedem Aufruhr in Paris ist Dominic gerne dabei - schließlich kommt er so stets unauffällig an frisches Blut. Und hier trägt Markus Heitz jetzt richtig dick auf. Dominic ist beim Sturm auf die Bastille dabei, er spielt sogar eine treibende Rolle, weil er aus dem Gefängnis das Blut einer Jungfrau riecht, das er unbedingt trinken will. Im allgemeinen Chaos gelingt es ihm tatsächlich, die junge Frau zu schnappen. Und als er sie getötet hat, schaut ihm plötzlich der Marquis de Sade über die Schulter. Die beiden führen einen denkwürdigen Dialog, und fortan ist Dominic ein Anhänger der ungewöhnlichen Sex-Praktiken de Sades. Starker Tobak, aber lesenswert.
Und dann tauchen an verschiedenen Stellen des Buches auch noch Jünger des Belua auf, den Lesern aus „Blutportale“ vertraut. Und auch ein Ereignis in Limerick wird hier in Erinnerung gerufen. Sehr gekonnt lässt Markus Heitz verschiedene Handlungsstränge ineinander greifen, und so kommen verschiedene Unterweltwesen zu ihrem Auftritt.
Das dramatische Finale löst viele Fragen auf, und macht gleichzeitig Appetit auf die Fortsetzung. Irgendwie hat man den Eindruck, dass dem Autor die Welt der Vampire derzeit etwas näher ist als Zwerge und Albae. Das mag täuschen, und der Autor würde es vermutlich leugnen, aber die Leseprobe am Ende des Buches macht wirklich Appetit auf Judastochter, das im Dezember auf den Markt kommen soll. Judassohn ist ein Buch mit Markus Heitz in Bestform. Eine tolle Fortsetzung für die Fans seiner Werwolf- und Vampirbücher, und für Neueinsteiger sicher ein Anreiz, die Vorgängerbände ebenfalls kennen zu lernen.