Serie / Zyklus: ~ Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Mit Jägerwelten ist der erste Roman von Ulrike Nolte erschienen. Ihre Kurzgeschichten fanden sich bislang u.a. im SF-Magazin ALIEN CONTACT. Mir war die Autorin bis dato völlig unbekannt, so dass ich über keine Vergleichsmöglichkeiten von früheren Werken her verfüge.
Jägerwelten spielt in einer nicht allzufernen Zukunft, in der die Menschheit es geschafft hat, die Erde völlig umzukrempeln. Leider nicht im positiven Sinne, denn die fortschreitende Erderwärmung hat dazu geführt, dass die Küstenländer vielfach überflutet wurden und die Wüsten sich ausgebreitet haben. Immer mehr Menschen leben auf immer weniger Raum, so dass die einzelnen Großstädte auch in Deutschland zu Lebensräumen, wie es der Großraum Los Angeles zurzeit bereits ist, zusammengewachsen sind. Die einzelnen Staaten sind zerfallen. Es existiert eine Vielzahl von unterschiedlichen Religionen, Sekten, Interessengemeinschaften, Verbrechersyndikaten und Wirtschaftsräumen. Eine despotische Regierung ist eifrig darauf bedacht, dass keine dieser Vereinigungen die Oberhand gewinnt.
Dieser Handlungshintergrund ist natürlich nicht neu. Ihm kommt aber im Roman keine allzugroße Bedeutung zu, so dass der Leser sich damit nicht näher auseinandersetzen muß.
Weitaus intensiver wird von der Autorin die Sekte der Jerusalemiten (Jetis) dargestellt. Sie besteht aus reichlich Individualisten, die vielfach zu den begabtesten Köpfen ihrer Generation zählen. Obwohl sie darauf bedacht sind, sich nicht zu sehr in die Karten sehen zu lassen, pflegen sie reichlich Außenkontakte und versuchen für die Regierung harmlos auszusehen. Man könnte sie durchaus als Aussteiger betrachten, die nach ihren eigenen Werten und Normvorstellungen leben und dabei eine sehr offene Gemeinschaft bilden.
Diese Sekte nimmt einen Großteil des Romanes ein, wobei die eigentliche SF-Handlung oftmals in den Hintergrund tritt. Vielmehr scheint es der Autorin darum zu gehen, die Lebensweise der Jetis im Spannungsfeld mit einer ansonsten im Niedergang begriffenen Zivilisation darzustellen. Der Bedrohung der Jetis durch die Regierung können diese nur durch einen völligen Neuanfang entgehen. Einen Neuanfang auf einem völlig fremden Planeten, der garantiert außerhalb der Einflußsphäre der Regierung liegt.
Obwohl sich der Roman gerade zu Beginn sehr gut liest und einige überzeugende Passagen aufweist, haben mich vor allem die Passagen gestört, in denen die Lebensphilosophie der Jetis im Vordergrund steht. Der bekehrende Unterton in diesen Abschnitten hat mich fast dazu veranlasst, den Roman aus den Händen zu legen. Die Autorin scheint selbst bemerkt zu haben, dass sie langsam mal zum Schluss kommen muß, denn dieser wirkt überhastet und ist zeitlich sehr stark zusammengerafft worden.
Die SF-Elemente, die mit der Darstellung des Raumsprunges und seiner ungeahnten, aber auch unkontrollierbaren Möglichkeiten ein kreatives Potential beinhalten, beeindrucken gerade zum Beginn des Romanes. Zwei Mitglieder der Jetis, die im Auftrage der Regierung mittels des Raumsprunges bislang unbekannte Planetensysteme erforschen, bringen mit "Schatten im Mittelpunkt der Flamme" ein äußerst intelligentes Alien mit zur Erde zurück, welches den Menschen geistig gesehen haushoch überlegen ist. Die Anpassungsschwierigkeiten von Schatten, wie er fortan genannt wird, und die Auswirkungen seiner Anwesenheit auf die Jetis lesen sich zu Beginn des Romanes wirklich gut. Leider setzt die Autorin dann auf die oben genannten Schwerpunkte, so das der gute Beginn wieder verwischt wird.
Jägerwelten ist aus meiner Sicht ein Roman, den man nicht unbedingt gelesen haben muss, der aber sicherlich zu den besseren Werken deutschsprachiger Autoren zu rechnen ist.